„Fremdenhass wertet Billstedt ab“

UNTERKUNFT In der taz hatte Michael Fröhlich gesagt, Flüchtlinge könnten mangels Geld und Sprachkenntnissen nicht am Leben teilnehmen. Zwei Billstedter widersprechen

■ arbeitet beim Verbund für interkulturelle Kommunikation (Verikom) in Billstedt und ist dort auch zu Hause.

INTERVIEW FRANK BERNO TIMM

taz: Frau Karakurt, Herr Böhm, können Sie die Kritik an den Plänen für ein neues Asylbewerberheim im Oststeinbeker Weg in Billstedt nachvollziehen?

Asiye Karakurt: Ich habe auf der Einwohnerversammlung, die vor einigen Wochen stattgefunden hat, von einigen Anwohnern sehr menschenverachtende Worte gehört. Wir finden: Man muss zwischen menschlichen und politischen Fragen trennen. Die Menschen müssen willkommen sein, sie müssen eine Wohnung zum Leben haben. Wir sind dafür, dass auch Flüchtlinge ein Recht auf eine eigene Wohnung haben. Sie müssen nicht immer in Massenunterkünften wohnen und sollten nicht am Rande der Wohngebiete und nicht am Rande der Gesellschaft leben. Wenn die 69 Menschen, die jetzt kommen sollen, in der bestehenden Massenunterkunft am Mattkamp untergebracht würden, hätte niemand etwas gesagt. Deshalb wollen wir für Flüchtlinge eigenen Wohnraum oder kleine Unterkünfte über ganz Hamburg verteilt; sie gehören zur Gesellschaft dazu.

Über Hamburg verteilen möchte die Anwohnerinitiative gegen das Flüchtlingsheim die Flüchtlinge auch …

Karakurt: Aber wegen Sprache oder Armut die Menschen abzuwerten, ist menschenverachtend. Dabei geht es doch nicht um Waren! Man kann die Leute doch nicht dafür verurteilen, dass sie flüchten müssen und sie es bis zu uns geschafft haben – wir müssen ihnen Platz geben.

Es sollen auch schon Neonazis in die Gruppen einsickern, die sich gegen die neuen Heime einsetzen.

Uwe Böhm: Wir wissen, dass die NPD in Farmsen, wo auch Flüchtlinge aufgenommen werden sollen, ein eigenes Flugblatt herausgegeben hat. Sie hat sich auch zu zwei anderen Stadtteilen geäußert und gesagt, sie freue sich darüber, nun mit der CDU auf derselben Wellenlänge zu sein. Es gibt eine breite Palette in den Argumenten, die von offenem Fremdenhass bis zu human geprägten Fragen reichen, was ich ziemlich scheinheilig finde. Es ist ein fatales Menschenbild, dass durch die neuen Leute ein Stadtteil abgewertet würde. Es geht doch nicht um Giftmüll! Außerdem ist es ein sehr verheerendes Signal in den Stadtteil hinein, so zu reden: Hier werden tiefe Gräben geschaffen – schließlich leben schon jetzt viele Leute hier, die einen Migrationshintergrund haben.

■ 58, gelernter Feinmechaniker und lebt in Billstedt. Er arbeitet beim Beschäftigungsträger Sprungbrett in Bergedorf und ist unabhängig zugewählter Bürger im Regionalausschuss Billstedt (als Parteiloser in der Linken-Fraktion).

Karakurt: Der wirkliche „Wertverlust“ wird eintreten, wenn es hier offenen Fremdenhass gibt. Dann wird Billstedt wirklich abgewertet.

Und was wollen Sie tun?

Böhm: Wir wollen uns mit den einzelnen Argumenten differenziert auseinandersetzen. Wir werden eine Veranstaltung machen, die Leute aufklären und versuchen, Menschen zum Umdenken zu bewegen. Wir leben gerne mit Menschen aus anderen Kulturkreisen zusammen. Außerdem wollen wir erreichen, dass sich die Lebensbedingungen in den Flüchtlingsunterkünften verändern. Wir sind für Einzelunterbringung, vernünftigen Deutschunterricht und ordentliche Ausbildung. Billstedt würde eine Aufwertung erfahren, wenn wir die Leute als unsere Nachbarn aufnehmen. Das kann als Signal nach Hamburg hineinwirken.