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Nach Korruptionsskandal beim MDREin bisschen Reue zum Abschied

Der scheidende MDR-Gründungsintendant Udo Reiter hat Rundfunkgeschichte geschrieben - im Negativen wie im Positiven. Ein großer Spieler war er auch.

Es war nicht alles schlecht an ihm: MDR-Intendant Udo Reiter geht. Bild: dapd

Zuletzt gab sich Udo Reiter für seine Verhältnisse richtig angefasst, vielleicht wollte er es auch nur sein: Von "schäbigen Vorwürfen" hart an der Grenze zur Verleumdung war da die Rede, Ein Gesprächstermin mit der taz, noch im Mai mit dem scheidenden MDR-Intendanten vereinbart, kam wenig später schon gar nicht mehr in der Tüte.

Jetzt endete offiziell und aus gesundheitlichen Gründen verkürzt die Amtszeit des MDR-Gründungsintendanten. Der Sender habe ihm "19 hinreißende" und "ein verflixtes Jahr beschert", sagt Reiter im letzten Interview jovial und natürlich im Spiegel: "die schönste Zeit meines Lebens". Logo.

Viel gäbe es zu Reiter zu sagen, über den parteilosen CSU-nahen Hörfunkchef des Bayerischen Rundfunks, dem 1991 quasi über Nacht eher aus einer politischen Laune heraus und wegen unerwarteter, weil höchst konservativer Wahlergebnisse in den drei neuen Ländern Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt die Chance zuflog, Rundfunkgeschichte zu schreiben. Das hat er getan wie kein Zweiter seiner Generation - im Negativen, aber auch im Positiven, was bei Reiter gern mal weggelassen wird.

Unternehmer im "wilden Osten"

Dass der MDR das wurde, was er ist, liegt immer auch an Reiter, dem Spieler, dem Entrepreneur alter Schule, der lieber wagte und gewann, statt stets auf Nummer sicher zu gehen. Und der bis weit ins neue Jahrtausend noch gern so tat, als wäre der "wilde Osten" immer noch eine höchst undurchsichtige Angelegenheit und der Umtauschkurs offiziell 1 zu 3. Reiters Chuzpe ist legendär; dass er damit fast bis zuletzt durchkam, dürfte ihn selbst am meisten amüsiert haben.

Das formuliert der Pensionär denn auch ganz bescheiden im Spiegel: "Ich war kein Indiana Jones - und der MDR nicht der Tempel des Todes." Sondern Udo Reiter beim MDR, und das kommt im öffentlich-rechtlichen System eigentlich auf dasselbe raus.

Seiner Nachfolgerin Karola Wille gibt er dabei ganz ungewohnte Töne mit auf den Weg: "Sie ist die Richtige für die Zukunft des MDR", sagt Reiter. Und lobt ihr Stehvermögen, auch gerade weil sie sich damit erst ganz zuletzt gegen ihn durchsetzen konnte - oder sich durchzusetzen wagte.

Weggeschaut habe Wille nie, sagt Reiter: "Sie hat immer warnend ihre Stimme erhoben, konnte sich damit aber auch nicht immer durchsetzen" - bei ihm, ist gemeint. Unmittelbar nach ihrer Wahl mit haushoher Mehrheit vor zehn Tagen hatte Reiter Wille sogar attestiert, sie habe zeitweise sogar "im anderen Lager" gestanden, in dem, das nicht seines war.

Beim Lügen rot werden

Das klingt ganz anders als die netten Sätze zum 50. von Wille, als Reiter das "Einser-Mädchen" lobte, das ihn stets "geräuschlos und effizient vertreten habe", als es 2003 seine formale Stellvertreterin wurde, die aber bestenfalls eine Art Abwesenheitsstallwache für den Urlaub war und nichts zu sagen hatte: Er habe Wille "unbesorgt den Rücken zukehren" können, weil sie "nicht machtfixiert" sei, erinnerte die Sächsische Zeitung an Reiters gönnerhafte Onkelei von vor zwei Jahren, "wenn sie einmal dienstlich lügen soll, wird sie rot". Das hat der so ganz anders gestrickte Intendant wirklich gesagt.

Es war auch so. Weshalb Wille sich sofort nach ihrer Wahl "Teamorientierung" als neues Lieblingswort verordnet hat. Derweil kommen weiter Dinge ans Licht, die eher zum ruheständigen Indiana Jones passen: Die Juristische Direktorin Wille, so heißt es in Leipzig, habe beispielsweise in Sachen Korruption und mangelnder Aufsicht beim Kinderkanal gar nicht früher einschreiten können - weil ein entsprechender Revisionsbericht des ZDF und des Hessischen Rundfunks von 2009 ihr vorenthalten und sowohl vom Intendanten als auch vom Fernsehdirektor schlicht für zu wichtig befunden wurde, als dass sich das eigene Justiziariat und dessen Leiterin damit befassen sollte.

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