Justizministerin gegen Plagiatssoftware: "Schultrojaner" wohl vor dem Aus
Die Software, die Schulcomputer auf Raubkopien überprüft, soll gestoppt werden. Das fordert Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
BERLIN taz | Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) will die geplante Plagiatssoftware auf Schulcomputern stoppen. Die Vereinbarung zwischen der Kultusministerkonferenz und den Schulbuchverlagen bringe sie "auf die Palme", sagte die FDP-Politikerin dem bayerischen Fernsehen.
Es dürfe keine Trojanertechnik eingesetzt werden, deren genaue Möglichkeiten noch nicht geklärt seien. Aus der Kultusministerkonferenz heißt es jetzt, dass die Vereinbarung voraussichtlich beim nächsten Treffen erneut verhandelt wird.
Unter der Federführung des bayerischen Kultusministeriums wurde vergangenes Jahr mit dem Dachverband VdS Bildungsmedien ein Vertrag unterzeichnet, der die 16 Bundesländer dazu verpflichtet, Schulcomputer mit einer Plagiatssoftware zu überprüfen. Diese soll von den Verlagen kostenlos zur Verfügung gestellt werden, um damit nach digitalen Kopien von Schulbüchern zu suchen. Falls solche gefunden werden, sind die Länder verpflichtet, gegen Schulleiter und Lehrkräfte "disziplinarische Maßnahmen einzuleiten".
Lehrerverbände haben sich geschlossen gegen diese Vereinbarung gestellt. Lehrer würden unter Generalverdacht gestellt, die Privatsphäre sei mit einem solchen "Schultrojaner" in Gefahr, lautete ein Vorwurf. Die Lehrergewerkschaft VBE wies außerdem darauf hin, dass Pädagogen auf Kopien angewiesen seien, weil Geld für die Anschaffung von Originalen fehle.
"Lehrer lassen sich dafür nicht als mögliche Raubkopierer diskreditieren", sagte Udo Beckmann, VBE-Bundesvorsitzender. Der Philologenverband befürchtet, dass solche Androhungen auch dazu führen könnten, dass sich Lehrer von modernen Medien abwenden. "Das Misstrauen ist bei den Lehrern sehr groß - viele sind stinksauer", sagte der Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger.
Gegen den Begriff "Schultrojaner" wehren sich jedoch das bayerische Kultusministerium sowie der VdS Bildungsmedien. Bis jetzt sei die Software noch gar nicht entwickelt. Anschließend würde sie auf ihre datenschutzrechtliche Zulässigkeit und Technik überprüft, heißt es in einer Stellungnahme aus Bayern. Der VdS ergänzte, dass nicht die Verlage selbst, sondern die Schulen die Lehrer überprüfen sollen. Durchsucht würden zudem nur die Server der Schulen, nicht die Privat- oder Arbeitsrechner der Lehrkräfte.
Leser*innenkommentare
antonius
Gast
Natürlich verlasse ich mich als Lehrer darauf, wenn mir das Schulmnisterium zusichert, dass mein Privatrechner nicht ausgeschnüffelt wird. ;-)
Die Verlage entwickeln die Software und die "hochbezahlten" Top-Informatiker in Diensten des Schulministeriums untersuchen diese. Und die garantieren mir, dass ich nicht per USB-Stick, externe HD oder E-Mail die Schnüffelsoftware auf meinen Privatrechner hole? Für wie naiv halten die uns?
Dann also wieder "back to the roots"? Wir nutzen die alten Lehrbücher und arbeiten stur Seite für Seite ab. Ein Hoch auf das deutsche Bildungssystem.
Pyromanic
Gast
Warum von einer (noch nicht entwickelten) Software so viele Bezeichnungen entlarvt den unbedarften Journalisten.
Nimmt man den Sinn der Software, lieber reclaim, so muss es sich natürlich um einen Trojaner handeln. Dieser sucht nach Plagiaten und Kopien; wobei unter Plagiaten die Zusammenstellung von Texten und Bildern aus fremden Materialien zu einem neuem Material (z.B. Arbeitsblatt) für SchülerInnen zu verstehen ist.
Qwyn
Gast
Hallelujah!
Das ist alles, was man sagen kann. Aber ich glaube, es wird nicht bei diesem Versuch bleiben. Die Verlage werden andere Wege finden, "Raubkopien" zu finden. Wahrscheinlich begeben sie sich dann in die Grauzone.
Spekulier ich jetzt einfach mal.
Martin
Gast
Die sollen sich mal nicht so anstellen. Wir sind eh alle verdächtig, sonst würde es ja keine Vorratsdatenspeicherung geben.
reclaim
Gast
"[...]die geplante Plagiatssoftware[...]"
Wieso "Plagiat"?! Ich dachte wenn überhaupt geht es um Kopieren...
Oder wollen die Verlage mit der Software sozusagen schon präventiv und früh im Schüleralter "kleine Guttenbergs" entlarven, die Ihre Aufsätze aus Teilen fremder Arbeiten zusammenstückeln? Oder gar aus den Schulbüchern der Verlage?! Geht ja gar nicht: Schüler, die Inhalte aus Schulbüchern in ihren Aufsätzen und Hausaufgaben verwursten...
...oder habe ich da jetzt irgendwas falsch verstanden, liebe Spin-Doktoren bei den Verlagen, die Ihr das Wort "Plagiatssoftware" zusammenhangslos in den Zusammenhang hier geworfen habt.(?)