Kampf um den NPD-Vorsitz: Apfel fällt nicht weit vom Stamm
Bleibt Udo Voigt NPD-Chef oder beerbt ihn Holger Apfel? Das soll am Wochenende in Neuruppin entschieden werden. Um Ideologie geht es nicht, bloß ums Image.
Am Wochenende entscheidet sich auf dem NPD-Parteitag der Streit darum, wer die rechtsextreme Partei künftig führen wird: Udo Voigt, ihr bisheriger, langjähriger Bundesvorsitzender, oder der sächsische NPD-Landtagsfraktionschef Holger Apfel. Udo Pastörs, der der Landtagsfraktion der Partei in Mecklenburg-Vorpommern vorsteht, ist sich sicher, dass Apfel Voigt beerben wird: "Ich bin davon überzeugt, dass die Delegierten erkennen werden, dass es ein 'weiter so' mit Udo Voigt nicht geben darf".
Der Parteitag findet in Neuruppin statt. Erfolglos hatte die Kommune sich in einem Rechtsstreit dagegen gewehrt. Nun darf die rund 6.800 Mitglieder starke NPD im "Kulturhaus Stadtgarten" der Fontanestadt tagen.
Für reichlich Ärger auf dem Parteitag ist gesorgt, denn seit Wochen schon wird innerhalb der NPD über die beiden Kandidaten für den Chefposten gestritten. Und damit auch über den jeweils mit Apfel oder Voigt verbundenen politischen Kurs. Der Zoff geht dabei quer durch die Reihen der Rechtsextremen. Unter den offen militanten Kadern gibt es sowohl Apfel- als auch Voigt-Anhänger. Und dasselbe gilt auch für den Flügel vermeintlich moderater Aktivisten.
Ein Forum für den parteiinternen Streit ist beispielsweise das neue NPD-Internetportal DS-Aktuell. Dort ließ Pastörs unlängst seine Parteigenossen wissen, dass "die Partei" endlich wieder "Führung!" bräuchte. Voigt könne das aber nicht leisten. Bundesvorstandsmitglied Thorsten Heise, Rechtsrockunternehmer und Kameradschaftskader, hält dagegen: Er kenne Apfels Stärken und Schwächen, "die ihn für das Amt unbrauchbar machen" und wettert gegen eine "verwässerten Kurs" des "Apfel-Pragmatismus".
Innerhalb der rechtsextremen Szene wird beim Schlagabtausch über die Kandidatenfrage selbst vor intimen Outings nicht zurückgeschreckt. Der Voigt-Befürworter Uwe Meenen, Berliner NPD-Chef, hält Ricarda Riefling, Bundessprecherin der NPD-Frauenorganisation "Ring Nationaler Frauen", eine Affäre mit Apfel vor, nachdem sie zusagte, unter dem sächsischen Landtagsfraktionschef für den Vorstand zu kandidieren.
Dennoch: "Einen knappen Vorsprung scheint Apfel zu haben", sagt Fabian Virchow, Leiter der Forschungsstelle Rechtsextremismus an der Fachhochschule Düsseldorf. Aufgrund der gewachsenen Unfriedenheit herrscht in der NPD eine Wechselstimmung. "Aber Voigt ist ein erfahrende Stratege", fügt Virchow hinzu.
Der Ziehsohn als Kontrahent
Dass insbesondere Udo Pastörs so vehement Front gegen Voigt macht ist keine Überraschung: 2009 war er selbst gegen den amtierenden NPD-Chef angetreten. Und vor zwei Jahren hatte Pastörs vergeblich gehofft, dass Voigt wegen der Betrugsaffäre um Erwin Kemna das Amt verlieren würde. Kemna, der langjährige Bundesschatzmeister und enge Voigt-Vertraute, hatte rund 740.000 Euro aus der Parteikasse privat abgezweigt. "Wie von mir vorausgesagt", so Pastörs, "haben wir seitdem weder politisch, personell noch organisatorisch Fortschritte gemacht". Nun unterstützt er den Gegenkandidaten Apfel und bewirbt sich mit dessen Wohlwollen um das Parteivizeamt.
Apfel hatte nach der Berlin-Wahl, bei der Voigt auf Platz 1 der NPD-Liste stand, seine Kandidatur angekündigt und - ohne Voigt direkt zu nennen - erklärt, dass dieser sich viel zu wenig für eine "seriöse Radikalität" stark machen würde. Schließlich würde nur eine NPD, die gegenwartsbezogen und volksnah auftrete, die Wähler erreichen.
Dabei war Apfel einst Voigts politischer Ziehsohn. Und lange arbeiteten sie eng zusammen. Als Voigt 1996 die Parteiführung übernahm, begann er zusammen mit Apfel die NPD für aktuelle Themen zu öffnen, um potenzielle WählerInnen mit ihren alltäglichen Sorgen und finanziellen Ängsten zu erreichen. Unter Voigt suchte die NPD auch den Anschluss an die personellen Netzwerke der rechtsextremen Subkultur. Jener Kurswechsel brachte der NPD Mitglieder, bescherte ihr nach über 30 Jahren den Einzug in Landtage und sicherte ihr die staatliche Parteinfinanzierung.
Auf DS-Aktuell wettert Voigt über die "seriöse Radikalität", mit der Apfel sich gegen ihn in Stellung bringen will: "Ich bin sehr darauf gespannt auf dem Parteitag zu hören, was er denn nun wirklich inhaltlich anders machen will, oder ob er nationale Politik nur in einer anderen Verpackung will". Und frotzelt: "Die Überschriften der Systemmedien kenn ich dann schon jetzt: 'Apfel verkauft alten Wein in neuen Schläuchen!". Die Vorhaltung des 40-jährigen Apfel, ihm würde der "nötige Schwung" fehlen und er würde "rückwärtsgewandte Klischees" bedienen, hält der 59-jährige Voigt für "Unsinn". Sein Gegenkandidat wüsste das selbst, so Voigt, "aber er muss ja versuchen, Gründe zu finden, wenn er gegen mich antritt".
Nicht das Sein, nur der Schein
Dass das Jahr 2011 "nicht zum Jahr der NPD geworden" sei, räumt Voigt aber ein. In der Partei sind der knapp verpasste Einzug in den Landtag von Sachsen-Anhalt, das sichtbare Ausbleiben eines Achtungserfolgs in Bremen und die deutlichen Verluste in Berlin nicht vergessen. Vor allem dass im Westen der Parteiaufbau kaum vorankommt, sorgt führende Kader.
Apfel verspricht auf DS-Aktuell prompt, auch dieses "strukturelle Defizit" aufheben zu wollen. Und er wehrt sich gegen den Vorwurf, eine "weichgespülte NPD" anzustreben. "Für Träger einer Weltanschauung versteht es sich von selbst", betont Apfel, "dass es bei der 'seriösen Radikalität' nicht um inhaltliche Anpassung und die Aufweichung unserer Grundsätze geht".
Den Schein und nicht das Sein will Apfel neu entwickeln, sagt Miro Jennerjahn. Der Rechtsextremismusexperte der Grünen-Landtagsfraktion in Sachsen kennt Apfels Taktiken. "Seine Fassade ist ein bürgerliches Image, um wählbar zu erscheinen. Hinter der ist er eng mit der militanten Szene verbunden", so Jennerjahn. Anfang der Woche offenbarte das interne Internetforum des "Freien Netzes" diese Nähe. "Herr Apfel ist kein moderater Neonazi", sagt auch Vichow. "Er ist sich aber sehr bewusst, dass die Themen, die der Szene etwas bedeuten, für die Wähler unerheblich sind".
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