Die Rückkehrbereitschaft von Ausländern

MULTIKULTURELL Die Filmreihe des Zeughauskinos im Deutschen Historischen Museum „Ich sehe dich an! Migrantische Selbstbilder im deutschen und französischen Film“ arbeitet mit dem transnationalen Vergleich

Vor allem die türkische Gastarbeiterzuwanderung brachte Deutschland Erfahrung mit Andersheit

VON BERT REBHANDL

Wenn man etwas über das Verhältnis der Politik zur sogenannten Wirklichkeit erfahren will, muss man manchmal nur die Überschriften von Gesetzestexten ansehen. So wurde zum Beispiel 1983 ein „Gesetz zur Förderung der Rückkehrbereitschaft von Ausländern“ verabschiedet, das im Prinzip auf Subventionierung von Abschiebung hinauslief. Natürlich war die Abschiebung in diesem Fall freiwillig, so freiwillig, wie Menschen in der Wirtschaft manchmal einen „goldenen Handschlag“ annehmen, weil sie wissen, dass es dazu keine praktikable Alternative gibt.

Wir hätten das entsprechende Gesetz vermutlich längst vergessen, wenn es nicht in einem Film eine Rolle spielen würde, der trotz seines eingängigen Titels selbst schon beinahe vergessen ist: In „Die Kümmeltürkin geht“ von Jeanine Meerapfel wird die Türkin Melek porträtiert, die 1985 die entsprechende Förderung von 10.500 D-Mark in Anspruch nahm, obwohl sie eigentlich gern geblieben wäre.

Aber ein Gemeinwesen kann den ausländischen Mitbürgerinnen und -bürgern eben auch durch Gesetzestexte klarmachen, welchen Status sie tatsächlich haben – ganz abgesehen von den alltäglichen Erfahrungen der Differenz, die sich in einem Wort wie „Kümmeltürkin“ niederschlagen, das Melek so polemisch für sich übernimmt, wie Afroamerikaner sich irgendwann „Niggers“ zu nennen begannen. Was und wie Melek von sich selbst spricht, das ist nur eines von vielen „migrantischen Selbstbildern“, die im Januar in einer sehr interessanten Filmreihe im Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums zu sehen sein werden: „Ich sehe dich an! Migrantische Selbstbilder im deutschen und französischen Film“ erlaubt dabei nicht nur einen transnationalen Vergleich zwischen zwei ökonomischen Großmächten in Zentraleuropa, sondern gibt auch historische Tiefenschärfe dort, wo auf Vorbedingungen im Kolonialismus (Frankreich) und in der Besatzungszeit (Deutschland) verwiesen wird.

So läuft zum Beispiel „Voyage au Congo“ von André Gide und Marc Allégret aus dem Jahr 1927, in dem noch einmal das ganze Staunen der weißen Zivilisation angesichts der eingeborenen Kulturen Zentralafrikas zum Ausdruck kommt – wenig später wurden Afrikaner schon als Soldaten im Weltkrieg gebraucht, und mit der Entkolonialisierung entwickelten sich vollends neue Formen des Austauschs von Menschen und Gütern zwischen Frankreich und dem frankophonen Afrika (wovon im Programm der Film „Moi et mon Blanc“ / „Ich und mein Weißer“ von S. Pierre Yameogo erzählt wird).

Deutschland, dessen Kolonialgeschichte weniger imperial war, machte wichtige Erfahrungen mit Ethnizität jenseits des Antisemitismus erst nach dem Krieg, wovon im Zeughauskino ein überraschender Filmfund erzählt: „Toxi“ (1952) von R. A. Stemmle widmet sich dem Sachverhalt, dass viele „Besatzungskinder“ ohne Väter aufwachsen mussten und nicht wenige zudem durch eine sichtbare Differenz auffielen: Sie waren, wie das Mädchen Toxi, dunkelhäutig durch einen afroamerikanischen Vater, der meist nach Ende der Dienstzeit in die USA zurückkehrte. Von den Schwierigkeiten einer Integration dieser Kinder in die Gesellschaft der Bundesrepublik erzählt „Toxi“ auf eine bezeichnend pädagogische Weise, wobei die guten Absichten des Films gerade den impliziten Rassismus noch verstärken.

Es war aber vor allem die türkische Gastarbeiterzuwanderung, die für Deutschland die nach wie vor prägende Erfahrung mit Andersheit mit sich brachte – und für die türkischen Menschen Erfahrungen von Ausgrenzung oder Anpassung, die häufig konflikthaft innerhalb von Familien ausagiert werden mussten, wie es der Eröffnungsfilm „Gölge – Zukunft der Liebe“ (1980) von Sema Poyraz und Sofoklis Adamidis zeigt oder wie es Thomas Arslans „Geschwister“ (1997) als Raum des Übergangs zwischen den Gesellschaften auch topografisch sehr konkret am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg erschließt.

Dass die Rückkehrbereitschaft von Ausländern auch eine Kehrseite hat, zeigt Aysun Bademsoy schließlich in ihrem Dokumentarfilm „Am Rande der Städte“, in dem sie Menschen in den mediterranen Trabantenstädten der Türkei filmt, die ein Arbeitsleben in Deutschland hinter sich haben und nun, unweit der Strände, ein seltsam dauertouristisches Leben in einem Land führen, das eigentlich das Ihre ist, wären da nicht auch noch die anderen Erfahrungen aus Deutschland.

In kultureller Perspektive wird Migration fast durchweg als Bereicherung gesehen. Die Filmreihe im Zeughauskino blickt dahinter und entdeckt, welche Konflikte dort entstehen, wo Menschen gerade nicht ständig „migrieren“, sondern so sesshaft werden möchten, dass sie irgendwann auch eine Förderung der Rückkehrbereitschaft ausschlagen würden.

■ Migrantische Selbstbilder im deutschen und französischen Film, 2. bis 29. Januar im Zeughauskino, www.zeughauskino.de