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Bekennervideo der Zwickauer Zelle15 Minuten Menschenhass

Einblicke in den Propagandaclip der Rechtsterroristen: "Von jeher Leidenschaft erweckt die Jagd aufs lebende Objekt", witzelt die Paulchen-Panther-Stimme aus dem Off.

Paulchen Panther wird in dem Clip als Sprachrohr für rassistische Hetze missbraucht. Bild: screenshot: NSU

Wochenlang müssen die rechtsextremen Terroristen an ihrem Bekennervideo herumgebastelt haben, vielleicht sogar monatelang. Aber Zeit hatten Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Z. ja genug. 13 Jahre im Untergrund, in denen sie offenbar nicht nur unerkannt morden und rauben, sondern auch einen verstörenden Clip über ihre Bluttaten zusammenschneiden konnten. 15.02 Minuten purer Menschenhass.

"Der Nationalsozialistische Untergrund ist ein Netzwerk von Kameraden mit dem Grundsatz ,Taten statt Worte'", heißt es am Anfang des Films, der der taz inzwischen vollständig vorliegt. Was dann folgt, ist eine völlig neue Form terroristischer Bekennervideos. Nicht nur, dass Paulchen Panther aus dem "Rosaroten Panther" durch den Film führt; die Terroristen haben offenbar Stunden und Tage darauf verwendet, Sätze aus der Zeichentrickserie zu finden, die ihre Morde kommentieren und ihre Opfer verhöhnen.

"Von jeher Leidenschaft erweckt die Jagd aufs lebende Objekt", witzelt die Paulchen-Panther-Stimme an einer Stelle aus dem Off. Zwischen diese Comicszenen haben die Neonazis Fernsehbilder und Zeitungsausschnitte über ihre ganz reale Menschenjagd auf Migranten geschnitten.

Fotos der Opfer am Tatort

In drei Fällen haben sie offenbar sogar selbst Fotos ihrer Opfer am Tatort gemacht, die der rosarote Panther wie Trophäen präsentiert. Eines dieser Fotos zeigt, wie dem türkischstämmigen Nürnberger Änderungsschneider Abdurrahim Ö., von tödlichen Schüssen getroffen, das Blut aus Mund und Nase läuft. Er war am 13. Juni 2001 als zweites von insgesamt mindestens neun Opfern einer jahrelang nicht aufgeklärten Mord-Serie erschossen worden. Der "Nationalsozialistische Untergrund", kurz NSU, feiert die Bluttaten als "Deutschlandtour". Nürnberg, Hamburg, München, Rostock, Dortmund, Kassel. Mord um Mord um Mord.

Es ist ein zutiefst erschreckendes Video, auch weil die Täter sich keine Mühe geben, ihre Taten ideologisch zu rechtfertigen, wie es Linksterroristen einst in ihren endlosen Traktaten taten oder Dschihadisten es heute in ihren theologisch verbrämten Videobotschaften tun. "Steh zu deinem Volk, steh zu deinem Land", heißt es knapp im Video der NSU. Viel mehr an Botschaften haben die Neonazis nicht.

Im Vordergrund steht der Spaß am Mord an Migranten. Und die Freude über gelungene blutige Anschläge wie den in der belebten Keupstraße im Kölner Stadtteil Mülheim am 9. Juni 2004. Eine mit Nägeln gefüllte Bombe hatte damals 22 Menschen türkischer Herkunft verletzt, vier davon schwer. "Heute Aktion Dönerspieß", lautet der Kommentar im Bekennervideo des NSU dazu. Dazu die Stimme von Paulchen Panther, der davon spricht, "den fremden Dreck wegzukehren".

Wann genau das Video des "Nationalsozialistischen Untergrunds" erstellt wurde, ist noch nicht zweifelsfrei geklärt, angeblich soll es schon Ende 2007 fertig geworden sein. Noch weniger weiß man, wer den Hass-Clip zusammengeschnitten hat: Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos oder Beate Z.? Oder doch jemand ganz anderes?

"Paulchen's neue Streiche"

Verschickt haben könnte den Film am Ende Beate Z., die nach dem Selbstmord von Böhnhardt und Mundlos das Wohnhaus des Trios in Zwickau mutmaßlich in die Luft gesprengt hat. Inzwischen sind DVDs mit dem Clip an mehreren Stellen aufgetaucht, weitere wurden in den Trümmern des Hauses in Sachsen gefunden, zusammen mit einer Waffe, mit der im April 2007 in Heilbronn die Polizistin Michele K. erschossen worden sein soll.

Die Dienstwaffe der Polizistin, eine P2000 von Heckler & Koch, wird am Ende des 15.02-minütigen Clips eingeblendet, dazu Fernsehbilder von der Trauerfeier der jungen Frau.

Dann wird eine zweite DVD mit "Paulchen's neuen Streichen" angekündigt. "Heute ist nicht alle Tage, ich komm wieder, keine Frage", dröhnt es fröhlich aus den Lautsprechern.

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17 Kommentare

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  • Das Video ist inzwischen als Ganzes im Netz auffindbar, ich habe es mir heute erstmalig angesehen. Folgendes Zitat bleibt hängen (ab Minute 10:

     

    "Bei diesem Anblick fragt man sich: Was soll denn das bedeuten? Ist das tatsächlich eine Stadt von kultivierten Leuten? Wahrscheinlich wirft hier jeder, was er nicht mehr braucht, ganz einfach auf die Straße. Nicht immer landet sowas Weggeworfenes auf eines Polizisten Nase. Und weil jetzt Schluss sein soll mit dieser Ferkelei, muss Paulchen auf die Bürgermeisterei. Dort wird ihm, eh er sich's gedacht, ein sehr kurzer Prozess gemacht. Und nach dem rasch herbeigeführten Ende drückt man ihm einen Besen in die Hände. So hofft man, am schnellsten ihn zu belehren und lässt den eigenen und den fremden Dreck ihn kehren."

    Zu sehen ist am Anschluss ein weißes Männchen, das Paulchen 2 der Anschläge erklärt. Das gleiche Männchen taucht später in Polizeiuniform auf und lässt sich gemeinsam mit Paulchen feiern..

     

    Sehr bedenklich.

  • A
    abby_thur

    Das ganze ist so widerwärtig. Die vergreifen sich an Menschen, die ihnen nichts getan haben.

    Was für erbärmliche Gestalten die rechten doch sind.

  • W
    Webmarxist

    Der Sozialfaschismusthese zufolge stellte die Sozialdemokratie den „linken Flügel des Faschismus“ dar und war daher vorrangig zu bekämpfen.Diese These wurde zwischen 1938 und 1934 von der Kommunistischen Internationalen vertreten.

     

     

    Quelle.Wikipedia

     

    Der Begriff ist nur auf die die Sozialdemokratie bezogen,nicht auf den Kommunismus oder Sozialismus, ist bei deren Anhängern aber auch umstritten. Ich bin demokratischer Sozialist.

     

    Faschismus ist keine Meinung sondern, ein Verbrechen.

  • W
    wiejetzt?

    Anekdote zum Thema Rechts & ungebildet:

    Friz Freleng, einer der beiden Produzenten von Paulchen Panther ist jüdischer Abstammung…

  • N
    noribori

    Da das Video, wie berichtet, Fotos der Opfer zeigt und diese verhöhnt ist eine Freigabe undenkbar.

  • WK
    Werner K.

    Gewalt ist aber immer auch ein Hilfeschrei.

  • B
    broxx

    @Webmarxist

    Marxismus ist auch nur roter Faschismus und somit auch ein Verbrechen

  • MN
    Mein Name ist Lenz

    ,,auch weil die Täter sich keine Mühe geben, ihre Taten ideologisch zu rechtfertigen, wie es Linksterroristen einst in ihren endlosen Traktaten taten oder Dschihadisten es heute in ihren theologisch verbrämten Videobotschaften tun"

     

    Dafür sind sie doch zu ungebildet. Um den Zusammenhang zwischen Denken, Handeln und der eigenen Ideologie analytisch erklären zu können, müsste man Zusammenhänge erstmal auch erkennen und reflektieren können. Um die eigenen Handlungen und Überzeugungen begründen zu können, bedarf es aber vorallem an Bildung. Dass die Neonazi-Szene hauptsächlich (ich schätze mal zu 80%) aus gescheiterten praktisch-bildbaren Existenzen ohne Schulabschluss besteht, dürfte ja kein Geheimnis sein. Die Linksradikalen haben dagegen auch z.B in der Studentenszene nicht gerade wenige Anhänger. Auch andere Bildungsbürger sind in der linken Szene nicht gerade rar. Ich nehme mal an auf einen Rechtsgesinnten Abiturienten kommen 20 Linksgesinnte mit Abitur. Natürlich befassen die sich viel mehr mit Ideologien, Philosophien, Theorien, vorallem der eigenen, können sie im Kontext zur Gesellschaft setzen und solche Zusammenhänge vorallem auch sprachlich souveräner darstellen. Nicht alle, aber denoch sehr Viele.

  • W
    Webmarxist

    Dieses Video ist fremdenfeindlich.

     

     

    Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbbrechen.

  • S
    sprachlos ...

    macht soviel hass, zynismus und grausamkeit. eins ist sicher: vom himmel sind einstellung und menschenbild der täter nicht gefallen. aus welchen zutaten besteht der nährboden für ihre unglaublichen taten? in was für einer umgebung/atmosphäre wurden sie zu menschenhassern hin sozialisiert? relativierungen und schönrederei helfen jetzt nicht mehr weiter. alles muss auf den tisch. was ist los in jena/thüringen???

  • AF
    Anti Faschist

    Am kommenden Samstag findet in der Grugahalle in Essen ein Treffen der türkischen Rechtsextremen, den so genannten "Grauen Wölfen", statt. Ein großer medialer Aufschrei zeichnet derzeit jedoch nicht ab, obwohl der Rechtextremismus derzeit im Focus der Berichterstattung steht.

    Gesicht zeigen ist keine Einbahnstraße Freunde!

  • NK
    nazis klauen alles

    Der rosarote Panther wird oft von Kinder benutzt, die keine eigene "rassische" Identität finden wollen. "Du Schwarz, Du Weiss, Ich Rosa"

  • AG
    Anton Gorodezky

    Mhm, genau wie schon bei Breivik erhält man das Video nur scheibchenweise und kommentiert. Ich möchte gerne Zugriff auf die Originalquelle haben.

     

    Breiviks Manifest tauchte im Internet auf. Das Internetblog eines Schulamokläufers wurde vor der Sperrung durch die Polizei gespiegelt und man konnte es im Internet herunterladen.

    Tjoa, dann muss ich wohl auch in diesem Fall wieder warten, bis ich was im Internet finde. Bisher war jedenfalls keine Zeitung bereit, das Video vollständig und ungekürzt zu zeigen.

  • IB
    Interessierter Bürger

    Ich würde das Video gerne mal ganz sehen, bei SPON gab es bereits Auschnitte! Hoffentlcih wird es bald geleakt.

     

    P.s. Was erwartet man denn von Neonazis, große Philosophie? Vernichtungslust und Menschenverachtung sind Kern dieser "Ideologie".

  • T
    Toby

    Ich wünsche mir, das Bild unter der Rubrik "Schwerpunkt Rechter Terror" würde nicht den Täter in einer Pose zeigen, die von manchen als kämpferisch und damit heroisch verstanden werden kann. Ich würde mir wünschen, daß sein Bild generell an einer Stelle, wo es keinen Informationsgehalt hat, verschwindet. Es wird genug geben, die ihn zum Helden stilisieren werden. Man muß sein Gesicht nicht als Markenzeichen führen.

  • P
    Produster

    Genauso traurig wie die Story selbst ist der Umgang der Medien mit ihr. Die TAZ macht da keine Ausnahme. Angefangen mit den abstrusen Selbstmorden, die in der Presse weithin unkommentiert als Tatsache verkauft werden, bis hin zu diesem lächerlichen Video, das die Täter nicht nur als versierte Killer, sondern auch als Animationsfilm- Spezialisten präsentiert.

     

    Diese ganze Story stinkt doch an allen Ecken und Enden. Und die Presse? Nickt alles ab. Die gröbsten Ungereimtheiten werden als facts verkauft, von vereinzelten schüchternen Zweifeln abgesehen.

     

    Vielleicht ist die Wahrheit hinter dieser Affäre ja tatsächlich so schrecklich, dass nicht mal die Medien sie wirklich wissen wollen.

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die Taten der rechtsextremen Mörder aus Zwickau zeugen von einem verstörten Weltbild. Besonders deutlich wird das in ihrer Verwendung von Cartoon-Bildern zur Illustration ihrer Ideologie:

    http://bit.ly/v7ovUG