Spielfilmdebüt von Richard Ayoades: Vom eigenen Leben ausgeschlossen
Der Film "Submarine" erzählt von den Wirren der Pubertät. Dazu fährt der Regisseur Richard Ayoades seine ganz persönliche popkulturelle Smartness auf.
Coming of Age: das Herannahen von Alter und Erwachsensein. Manche stürmen darauf los, als wärs ein Schlussverkauf. Andere stehen erstarrt und hoffen, das anstehende Unwetter wenigstens nicht allein überstehen zu müssen. Doch die Mühen der Paarbildung können einen auf ziemliche Abwege bringen.
Flehend blickt der Junge in der dunkelblauen Schuluniform hoch zu dem Mädchen, das ihn von der Mauer herab mustert. Er hat sie aus Feigheit verletzt. Jetzt sitzt sie neben einem anderen, großspurig grinsenden Jungen. Er: "Das ist der Moment, an dem du ihn verlässt und mit mir kommst." Sie: "Ist das so?"
In Richard Ayoades "Submarine" stolpert der 15-jährige Oliver Tate (Craig Roberts) eigentlich andauernd darüber, dass er seine Wünsche und Ängste in Filmklischees verpackt, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. "Was für eine Art von Mensch bin ich?", lautet das Thema für einen Aufsatz im Englisch-Unterricht.
"Submarine": Regie: Richard Ayoade. Mit Craig Roberts, Yasmin Paige, Sally Hawkins u. a. Großbritannien/USA 2010, 97 Min.
Hackordnung des Schulhofes
Oliver beantwortet sie, indem er vor seinem inneren Auge eine Reportage in flackerndem 16-mm-Format abspulen lässt über die schockierte Trauer, die unter seinen Mitschülern (vor allem seinen Mitschülerinnen) ausbricht, als sie von seinem Tod erfahren. Viel mehr als ein verheultes "Er war … es ist so ein Verlust" bekommen die ausgedachten Freunde allerdings nicht zustande. Tatsächlich steht Oliver ohnehin am unteren Ende der Hackordnung des Schulhofs.
Seine Eltern hatten seit zu vielen Monaten keinen Sex mehr (was Oliver gewissenhaft notiert), er hat noch nie welchen gehabt. Beides soll sich ändern, möglichst noch vor seinem nächsten Geburtstag. Leider interessieren sich die Mädchen in seiner Klasse nicht für einen, der Fremdwörter sammelt, französische Chansons hört und gerade eine Hut-Phase hinter sich hat.
Wie die meisten Zwischen-Teenager-und-Erwachsenen-Filme handelt "Submarine" vor allem vom Missverhältnis zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung in der Pubertät: Man weiß ganz sicher, dass man der Mittelpunkt einer aufregenden und glamourösen Welt ist. Nur den Schlüssel zu dieser Welt hat man gerade irgendwie verlegt. Dass man von seinem eigenen Leben ausgeschlossen ist, macht man durch Selbstgerechtigkeit, Besserwissertum und gezielte Überforderung wieder wett. Das kann nach hinten losgehen.
Oliver versucht zugleich, das einzige Mädchen seiner Klasse, das ebenso unbeliebt ist wie er selbst, ins Bett zu kriegen und die Ehe seiner Eltern zu retten. Diese sind ähnlich verschroben wie er selbst, aber noch lange nicht dermaßen neben der Spur wie der neue Nachbar, ein New-Wave-Guru (Paddy Considine), der sich zu allem Überfluss als ehemalige Jugendliebe von Olivers Mutter herausstellt.
Ausgestellte Gewieftheit
Vor seinem Spielfilmdebüt hat Ayoade vor allem als Schauspieler, Comedian und Regisseur von Musikvideos für die Brit-Rocker Arctic Monkeys von sich reden gemacht. Monkeys-Frontmann Alex Turner hat denn auch den Soundtrack zum Film eingespielt. Derart popkulturelle Smartness hat im Film deutliche Spuren hinterlassen: Hier ein Verweis auf Godard, dort auf Nicolas Roeg, darüber eine Prise "Harold and Maude".
"Submarine", und das bereitet einiges Vergnügen, ist ein Film, der in jedem Moment genau weiß, wie er seine Zuschauer mit seinen nicht immer exakt liebenswürdigen Figuren versöhnen kann. Aber ausgestellte Gewieftheit allein kann einen etwas ratlos zurücklassen, vor allem, wenn der Film die potenziell existenziellen Dramen (Hirntumor, Depressionen, Ehebruch) letzten Endes im Blick übers Meer am fernen Horizont watteweich abfedert.
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