Frühchen-Sterben: "Vertrauen wiedergewinnen"

Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) kündigt an, Hygiene-Vorsorge zu verbessern und Neu-Eröffnung von Neonatologie Links der Weser zu prüfen.

Braucht Bremen doch zwei Frühchenstationen? Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper will darüber nachdenken. Bild: dpa

taz: Frau Jürgens-Pieper, nun stellt sich die alte Frage: Was tun?

Renate Jürgens-Pieper: Wir wollen die Krankenhaushygiene-Verordnung novellieren. Wir waren 1990 eines der ersten Bundesländer, die eine solche Verordnung eingeführt haben. Das soeben novellierte Infektionsschutzgesetz macht da neue Vorgaben. Das muss parallel zum Untersuchungsausschuss laufen, da das Infektionsschutzgesetz den 31. März 2012 als Termin vorgibt.

Was muss in Bremen anders werden nach dem neuen Gesetz?

Wir werden Ärzte und zusätzliches Fachpersonal für diese Aufgabe benötigen, aber es gibt bisher zu wenig Mediziner, die als Facharzt für Hygiene ausgebildet werden.

Im Klinikum Mitte gab es eine zuständige Hygiene-Fachkraft. Die war aber krank, und es gab keine Vertretung …

… solche Details kenne ich nicht. Das klären wir auf. Wir brauchen nach dem Infektionsschutzgesetz künftig einen ausgebildeten Facharzt, ein Arzt, der nur eine Weiterbildung gemacht hat, reicht nicht mehr.

Solche Verordnungen schweben über der Wirklichkeit. Die Frage ist doch, warum sich nicht irgendeine Krankenschwester oder Oberärztin im Juli erinnert hat: Wir hatten doch schon im April einen ESBL-Fall. Oder eine Liste, in der identifizierte Keime eingetragen werden müssen, in der man die Vorgeschichte auf einen Blick sieht.

Auch diese Fragen werden im Untersuchungsausschuss eine Rolle spielen. Da soll vorgetragen werden, wie das Warnsystem bisher organisiert wurde.

Haben Sie darüber inzwischen Erkenntnisse?

Nein. Nach der Entscheidung der Geschäftsführung der Gesundheit Nord, den Chefarzt der Kinderklinik fristlos zu entlassen, scheint es ja Hinweise auf schwere Mängel zu geben.

Wurde der Rauswurf von Professor Hans-Iko Huppertz, der als erfahrener Chefarzt gilt, durch Klinikverbund-Chef Diethelm Hansen denn intern näher begründet?

Herr Hansen hat ihn mir mit schweren Mängeln begründet. Wir erwarten im Aufsichtsrat einen Bericht dazu. Wir wollen uns aber im Aufsichtsrat vor allem mit der Frage beschäftigen, wie wir für den Klinikverbund wieder Vertrauen gewinnen. Ich denke, wir benötigen einen besonders qualifizierten Experten von außen, der unabhängig ist und sagen kann, was wir an den Standorten der Gesundheit Nord machen können. Natürlich gibt es in jedem Krankenhaus auch resistente Keime. Das muss jeder wissen. Je mehr man Sensibilität entwickelt dafür, desto besser kann man solche Keime unter Kontrolle bekommen. Diese Keime übertragen sich über Schmierinfektionen - unter anderem über die Hände.

Der Klinikverbund hat zwei Stationen für Frühchen geschlossen und alles im Klinikum Mitte konzentriert. War das richtig?

Wir haben diese Konzentration auch deshalb vorgenommen, weil nach den im Jahr 2010 beschlossenen Richtlinien des "Gemeinsamen Bundesausschusses", der laut Krankenhausgesetz zuständig ist, solche Level-1-Frühchen-Stationen mindestens 30 Fälle pro Jahr behandeln sollten. Bisher waren das 14. Damit sollte die Qualität der Versorgung verbessert werden. Die Richtlinie ist im Januar 2011 im Hinblick auf die Fallzahl nach einer gerichtlichen Entscheidung vorläufig wieder außer Kraft gesetzt worden. Die Frage, die mich umtreibt, ist: Bekommen wir das Vertrauen für den Neuaufbau dieser Station zurück …?

… auch der Tipp für Bremer Frauen mit Risikoschwangerschaften, vorsichtshalber nach Hannover zu gehen, mutet den Betroffenen viel zu.

Insofern hoffe ich, dass wir Akzeptanz zurückgewinnen: Da geht es um die Fürsorge für die Patientinnen und auch um wirtschaftliche Aspekte. In der Deputation ist sofort angesprochen worden: Was ist denn mit dem Klinikum Links der Weser? Natürlich hatte die Konzentration auch wirtschaftliche Gründe. Andererseits gab es im Klinikum Links der Weser die Kombination mit den Kinderherz-Spezialisten. Das will ich mir genau ansehen - auch unter dem Gesichtspunkt: Braucht man nicht jetzt ein zweites Angebot?

Wären unter Hygiene-Gesichtspunkten kleine Stationen nicht von Vorteil?

Ohne den wirtschaftlichen Sanierungskurs zu gefährden, muss man über solche Fragen reden. Es geht jetzt um die Vertrauensbildung. Wir müssen den Schwangeren sagen können: Es gibt in Bremen Alternativen, wenn man da Sorgen hat.

Vertrauen ist auch eine Frage von Kommunikation. Wenn jetzt der renommierte Chefarzt gefeuert wird, darf man spekulieren, ob er nur ein Bauernopfer ist, oder von der Spitze der Kinderklinik verantwortungslos gehandelt wurde - beides wäre keine vertrauensbildende Nachricht.

Ich glaube, dass man im Klinikverbund eine neue Kommunikationsstrategie braucht. Es geht auch um Transparenz. Die braucht man, wenn man den Patienten die Situation so erklären will, dass wieder Vertrauen entsteht.

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