Krisengipfel zu rechter Terrorbande: Zentrum soll Nazi-Gewalt abwehren

Die Regierung entschuldigt sich bei Opfern und Angehörigen. Nun sollen ein "Abwehrzentrum" und ein Register gegen Neonazis eingerichtet werden.

Der Chef des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Fromm, verfolgt die PK der Bundesminister Friedrich (CSU) und Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). : dpa

BERLIN taz | Jetzt soll alles ganz schnell gehen. Mit einem "Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts" will die Regierung auf die beispiellose Serie an Morden von rechtsextremen Terroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) reagieren.

Außerdem soll es eine "Verbunddatei für gefährliche Neonazis" geben, in die Polizeien und Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern ihre jeweiligen Daten einspeisen. Bisher gibt es nur für den militanten Islamismus eine ähnliche zentrale Datensammlung, die "Anti-Terror-Datei".

Selten hat man Innen- und Justizminister geknickter gesehen als Hans-Peter Friedrich (CSU) und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Freitag nach dem Krisengipfel im Kanzleramt in Berlin. Hinter ihnen saßen aschfahl die Chefs des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Verfassungsschutz. "Wir empfinden Scham", sagte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Sie sprach von einer "Serie von Defiziten und Fehlern". Diese führten dazu, dass die Zwickauer Zelle um Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt 13 Jahre lang unerkannt zehn Menschen ermorden konnten. Die Angehörigen seien zusätzlich zu ihrem Leid zum Teil auch noch selber krimineller Machenschaften verdächtigt worden. Nun sollen sie mit Mitteln aus einem Opferfonds unterstützt werden.

"Es hat Pannen gegeben, gar keine Frage", sagte auch Innenminister Friedrich. "Wir müssen uns für all diejenigen entschuldigen, die einen Fehler gemacht haben. Es tut uns leid." Wer bei den Ermittlungen konkret welche Fehler begangen habe, wollte Friedrich noch nicht sagen.

Man fühlt sich in diesen Tagen manchmal um zehn Jahre zurückversetzt. Genauer: Zum 12. September 2001. An diesem Tag stieß ein Sonderkommando der Polizei auf die Wohngemeinschaft der Todespiloten um Mohammed Atta in der Hamburger Marienstraße 54. Bald wusste die ganze Welt: Die 9/11-Attentäter lebten über Jahre hinweg unbehelligt in Deutschland.

Welche Nazis sollen abgespeichert werden?

Zehn Jahre später, am 4. November 2011, explodiert in Zwickau in der Frühlingsstraße 26 eine Wohnhaushälfte. In der Ruine finden die Ermittler Tatwaffen und ein Video, in dem sich die bis dahin völlig unbekannte Gruppe namens "Nationalsozialistischer Untergrund" unter anderem zu den Morden an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern und zu Attentaten in Köln 2001 und 2004 bekannte.

Nach dem 11. September hat die deutsche Politik die Befugnisse der Sicherheitsbehörden im Kampf gegen den islamistischen Terror ausgeweitet. 2004 wurde das "Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum" (GTAZ) in Berlin-Treptow geschaffen, in dem sich Vertreter von knapp 40 Behörden täglich treffen. 2007 wurde außerdem die "Anti-Terror-Datei" eingerichtet, um Informationen von Polizei und Geheimdiensten über Terrorverdächtige zusammenzuführen. Ähnliche Konsequenzen sollen nun auch aus dem Schock über die Taten der "Zwickauer Zelle" gezogen werden.

Die Details blieben aber am Freitag noch vage. So blieb unklar, welche Behörden neben dem Bundeskriminalamt und dem Bundesamt für Verfassungsschutz an einem "Gemeinsamen Abwehrzentrum Rechts" beteiligt wären - und wo dieses eingerichtet werden soll. Unklar ist auch, wie weit der Kreis der Personen sein soll, die in der neu zu schaffenden "Verbunddatei für gefährliche Neonazis" gespeichert werden sollen.

Innenminister Friedrich machte aber deutlich, dass die Datei sich nicht nur auf Terrorverdächtige beschränken wird, sondern weiter im Vorfeld des Rechtsextremismus ansetzen wird. Details soll eine Arbeitsgruppe klären. "Die Antworten, die auf die Gefahren des islamistischen Terrorismus gegeben wurden, sind nicht eins zu eins übertragbar", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Oppositionspolitiker warfen der Regierung Aktionismus vor.

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