Lobby für Dauerpflege

Weil sie die Investitionsförderung für Dauerpflegeheime streichen will, bekommt die Sozialsenatorin Gegenwind von vielen Seiten

Bremen taz ■ Kritik von allen Seiten bekommt das Sozialressort für seine Idee, bei den Investitionskosten für Pflegeheime zu sparen. Nach einer Vorlage, die heute den Senat passieren soll, müssen Bewohner von Altenpflegeheimen künftig mehr Geld für ihren Heimplatz selber zahlen – oder, wenn sie das nicht können, zusätzlich Sozialhilfe beantragen. Die Schätzungen liegen zwischen 120 und 340 Euro, die ein alter Mensch in einem Pflegeheim künftig mehr zahlen soll.

Statt 9,3 Millionen Euro wie in diesem sind für 2006 nur noch fünf Millionen für die Investitionsförderung von Pflegeeinrichtungen vorgesehen. Sozialsenatorin Karin Röpke (SPD) hat nun mit Verweis auf andere Bundesländer vorgeschlagen, die Förderung für die rund 5.000 Plätze in klassischen Pflegeheimen komplett zu streichen, was eine Mehrbelastung für deren Bewohner bedeutet. Weil das nicht jeder aus der eigenen Tasche zahlen kann, werden zu den 40 Prozent aller Heimbewohner, die derzeit ergänzende Sozialhilfe bekommen, weitere zehn Prozent diese Leistung beantragen müssen. Was so gespart wird, muss woanders also wieder ausgegeben werden – dennoch bliebe unterm Strich eine Ersparnis von vier Millionen Euro, heißt es.

Das Ressort plant zudem eine „Neuausrichtung der Investitionsförderung“ und will künftig nur noch Kurzzeit- und Tagespflegeeinrichtungen fördern sowie „Innovationsprojekte“ wie Mehrgenerationenhäuser oder -wohngemeinschaften, weil die Stärkung der Pflege im häuslichen Umfeld ohnehin geboten sei. All das ist mit drei Millionen Euro veranschlagt.

Fachleute kritisieren diese „Neuausrichtung“ in ihrer Einseitigkeit. So richtig die Förderung von Tages- und Kurzzeitpflege sei, so wichtig sei das Aufrechterhalten des stationären Pflegesystems, sagte gestern Werner Fühner-Walbelder von der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege (LAG), die die Träger von Pflegeheimen vertritt. Denn ambulant sei oft nicht ausreichend: „Viele schwer- und schwerstpflegebedürftige Menschen, die oft ohne ausreichendes häusliches Umfeld leben, können kaum durch noch so gut gemeinte vorgelagerte Systeme adäquat gepflegt werden.“ Moderne Dauerpflege aktiviere die Ressourcen Pflegebedürftiger „zuweilen entscheidend besser“, als das ambulant möglich wäre.

Für die LAG ist die „Neuausrichtung“ allenfalls ein Sparschwein und „fachlich unhaltbar“: Innovatives fördern zu wollen, bedeute noch lang nicht, auf Qualität zu setzen, so die LAG, und warnt ausdrücklich vor einer Privatisierung von Pflege.

Mögliche Folgen einer Verteuerung der stationären Pflege: Menschen zögern den Umzug ins Pflegeheim so lange wie möglich heraus und wurschteln sich irgendwie durch, auch wenn sie im Heim besser versorgt würden. Oder sie gehen in Heime im niedersächsischen Umland, die auch ohne Investitionsförderung billiger sind als Bremer Heime. Die Kommune werde dadurch wenig entlastet: Bremen muss für seine Heimbewohner umzu weiter Sozialhilfe zahlen, aber die 3.000 Euro pro Nase aus dem Länderfinanzausgleich würden für jeden Ex-Bremer Pflegefall im Umland wegfallen.

Dass die Senatorin vor drei Jahren alte Menschen noch als Wirtschaftsfaktor für Bremen bezeichnete, ist lang her. Seitdem habe man „einen gewissen Vertrauensverlust“ erlitten, so Fühner-Walbelder. Dass das zuständige Gremium, der Landespflegeausschuss, von den Plänen nichts wisse, sei zudem „vermessen“, so Sylvia Gerking von der LAG.

Nach SPD (siehe taz von gestern) und LAG hat gestern auch die CDU ihre Kritik an den Ideen bekundet und die Vorlage einen „Schnellschuss“ auf Kosten Pflegebedürftiger und ihrer Familien genannt. Die Vorlage wurde gestern in der Staatsräterunde kontrovers diskutiert. Das dürfte heute fortgesetzt werden. sgi