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Soziale VerdrängungVermieter denken zu kurzfristig

Kommentar von Kristina Pezzei

Obwohl längst bekannt ist, dass bezahlbarer Wohnraum knapp wird, leugnet dies die Chefin vom Wohnungsunternehmerverband unverdrossen.

P ressekonferenzen beim Wohnungsunternehmerverband sind traditionell ein großer Spaß: Obwohl längst bekannt ist, dass bezahlbarer Wohnraum knapp wird, leugnet dies die Verbandschefin unverdrossen. Das Spiel aus Frage und Antworten wird so zum beherzten Boxkampf. "Verdrängung" ist für den Verband ein politisch verbrämter Begriff - schließlich betrachtet sich das Bündnis als die "Guten" am Markt. Viele ehemals städtische und landeseigene Gesellschaften sind dort organisiert. Auch sie profitieren von den steigenden Mieten und der Bereitschaft von Zuzüglern, viel Geld für eine Wohnung im Trendkiez hinzulegen. Verdrängung einzugestehen hieße, sich als Mitspieler zu bekennen.

Doch der Verband zeigt damit, dass seine Mitglieder genau so kurz denken wie private Immobilienhaie: Wer Verdrängung leugnet, kann nicht gegen sie angehen. Wer nicht gegen Segregation angeht, wird dies teuer bezahlen. Mischung und Vielfalt in einem Viertel sind der beste Garant für gleiche Bildungschancen und das wirksamste Mittel gegen Kriminalität und Verwahrlosung.

Segregation ist teuer

Soziale Brennpunkte hingegen schmälern die Gewinne von Wohnungsunternehmen. Konkret in den betreffenden Vierteln, letztlich indes für alle Akteure in der Stadt: Die Gesamtfolgekosten einer verfehlten Stadtentwicklung kommen Staat und Unternehmen teuer zu stehen. Wer langfristig und strategisch denkt, wird sich hinstellen und sagen: Ja, es gibt Verdrängung. Ja, wir gehen jetzt gemeinsam dagegen vor - solange wir es noch können.

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5 Kommentare

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  • O
    OccupyYourBrain

    Boah, was sind denn das für Kommentare hier... - da fällt es mir ja schwer, verbal nicht ausfallend zu werden...

     

    1) Die Mieten steigen, meistens alle 3 Jahre um 20% !!! - Verdienen Sie alle 3 Jahre 20% mehr ???

     

    2) Die Baukosten der Wohnung in der ich lebe (und die auf dem Planeten Erde steht - der übrigens seinen Bewohnern gehört - und zwar allen, nicht nur einigen wenigen die diesen Raum als den Ihren beanspruchen) - wurde - durch Miete schon mehr als 100 mal bezahlt !!!

     

    - Was ist denn so schwer daran zu verstehen, daß das Universum niemanden gehört !!!??? - Sicherlich hat jeder Mensch einen Anspruch auf Fläche und Lebensraum - aber dieser Lebensraum kann Ihm niemals gehören - oder kann mir bitte jemand einen Vertrag zwischen sich und einem Erschaffer des Universums zeigen ??? - Man kann Dinge, die einem nicht gehören - auch nicht verkaufen ! - Sicherlich kann man sagen, das wenn jemand ein Haus (auf dem Ihm als Lebewesen zustehenden Lebensraum) baut - das er für investierte Arbeitkraft, Zeit, Geld, etc... auch Belohnt wird - aber die Belohnung kann nicht sein das ewiger Gewinn eingefahren wird... - und anderen Menschen Lebensraum verwehrt wird...

     

    Dieses Monopoly-spiel in das man geboren wird, - und indem alle Straßen schon an andere Spieler vergeben sind - macht echt keinen spaß...

     

    Leute wacht auf ! Das geht doch so nicht... - wir könnten ein Paradies haben - statt Sklaverei, Egoismus, Ausbeutung, Kinderarbeit, Artensterben, Umweltzerstörung... - Lasst das endlich und fangt an zu denken !

  • MK
    markus k

    ja, warum gibt es keine vertretung, bzw. lobby für die mieter, die stark genug ist, etwas zu bewegen?

  • C
    Claudi

    Verelendung ist so ein schöner ideologiebeladener Begriff, der im Zusammenhang mit dieser Diskussion immer wieder gerne hervorgeholt wird. Er zeigt eigentlich nur, dass diejenigen, die ihn benutzen, wohl selten ihren Trendkiez verlassen, um sich mal in den Randbezirken umzuschauen.

     

    Die Stadt ist doch nicht statisch. Sie ist im ständigen Wandel. Was heute als "Elendsviertel" gilt, ist morgen plötzlich total hip und umgekehrt.

     

    Die Diskussion ist völlig einseitig und verlogen. Einerseits wird ständig der Verlust an sozialer Vermischung kritisiert. Andererseits wird das, was zu solcher Vermischung führt, angegriffen. Der positive Beitrag zur sozialen Vermischung durch die Mittelstandsfamilie, die sich in Lichtenberg zwischen Plattenbauten ein Reihenhäuschen baut, ist dann plötzlich nicht interessant, weil die ja eine böse Aufwertung des Bezirkes betreiben und angeblich die Mieter aus ihren Plattenbauten vertreiben.

     

    Dieser Denkweise liegt ein Nichtverständnis ökonomischer Zusammenhänge zugrunde. Nicht das schicke Nachbarhaus sorgt für Mietsteigerungen sondern die hohe Nachfrage nach Wohnraum bei gleichzeitig zu geringem Angebot. Verschwiegen wird auch immer gern, dass die massiven Mietsteigerungen die Zugezogenen bei Neuvermietung aber nicht im gleichen Maß die Bestandsmieter trifft.

     

    Und selbst in den gern benutzten Musterbeispielen sozialer Verelendung muss man sich wohl keine allzugroßen Sorgen vor Unruhen a la Paris oder London machen. Solange vor den Plattenbauten in Hellersdorf noch Neuwagen der Marken BMW oder Mercedes parken, gibt es noch keinen Grund zur Panik. Und wenn erst die ersten "Yuppies" dort ein paar nette Grundstücke für ihre Townhäuser finden, wird die soziale Vermischung noch größer. Ach nee, ich vergaß, das ist ja dann wieder Aufwertung und Gentrifizierung.

  • M
    M.Schmitz

    Nun wollen wir aber nicht das moralisch Wünschenswerte mit der Realität verwechseln, zugespitzt: VWL mit BWL. Oder gar: die eigenen normativen Vorstellungen mit denen der anderen.

    Für die Unternehmen sind die begrenzten Wahrnehmungen der BWL handlungsleitend, das möglichst in absehbaren Zeiträumen sichere realisieren von Gewinnen. Häußermann/Kapphan hielten bereits 2002 fest (Berlin: Von der geteilten zur gespaltenen Stadt? 2.Auflage), daß Segregation zu sowohl benachteiligenden als benachteiligten Quartieren führt, jedoch das Drohpotential der Exkludierten für den Rest der Stadt eher gering ist, ihnen wird Apathie bescheinigt. Das wird durch die Unruhen in London nicht erschüttert, denn die Unruhen waren lokal begrenzt und konzentrierten sich auf nahräumliche Konsumeinrichtungen, nicht auf die Banken-City oder politische Institutionen. Auch in Paris rumpelte es weiland etwas in der Banlieue, zündeten die Kids die Autos ihrer Nachbarn an und gut war.

    Insofern kann es den Wohnungsunternehmen ziemlich egal sein, was an Randwanderung der Armen geschieht, vielmehr mehren sich durch sozial homogene Nachbarschaften ihre zeitnah realisierbaren Gewinne. Uns gehts dann doch quasi Gold.

    Und in Anbetracht gesellschaftlichen Kohäsionsverlustes (vgl. Heitmeyers "Deutsche Zustände") werden die Habenden ihre Pfründe gegen die sie Begehrenden ganz klassisch verteidigen. Im zweifelsfall wird wie in einem Meerbuscher Mittelschichtsquartier ein privater Wachdienst engagiert (und finanziert), der die Siedlung bzw. die Autos und Häuser der ihn Beauftragenden nächtes überwacht.

    Der Rest darf sich dann beom vergnüglichen Klatschen der schwächeren Randgruppen in den vorgelagerten Ghettos vergnügen: Gesellschaftliche Arbeitsteilung differenziert sich so erneut aus.

    Grundlegender Defekt an dem Ganzen ist neben dem Rückzug des Staates aus dem sozialen Wohnungsbau (der aber auch gerade die Randverlagerung der Armen per Plattenbaughettos westlicher Provenienz beförderte) die so erreichte, mit Blic auf die Geschichte: erneut rein marktlich geregelte Wohnungsfrage. Die Teilhabefähigkeit am Marktprinzip reguliert die Teilhabe am Gut Wohnen. Insofern, und das ist nu nix Neues, kann daher nur der Zusammenschluß engagierter privater Akteure mit der Herausnahme von Objekten aus dem Marktsystem die Situation ändern. In Anbetracht der nicht wenigen Betroffenen frage ich mich ndes (nicht nur mit Blick auf Bwerlin), warum das keiner begreift und nicht mehr Leute in die Puschen kommen, sowas umzusetzen. Das WIE füllt langsam Regalmeter - die Apathie oder Attraktivität anderer Themen, die sollte eigentlich auch großes Interesse wecken.

     

    Gruß aus der Stadtsoziologie

    dat schmitz

  • E
    EnzoAduro

    Nun bei aller Liebe, man kann von niemandem Erwarten gegen die eigenen Interessen zu handeln. Und die Interessen von Vermietern sind nun mal hohe Mieten.