Statistisches Jahrbuch veröffentlicht: Am Stadtrand wird es grau

In Marzahn und Hellersdorf steigt das Durchschnittsalter, wie ein Blick ins Statistische Jahrbuch 2011 zeigt. Ähnlich sieht es in der Brandenburger Peripherie aus.

Heißt nur so, wohnt aber in Wilmersdorf: Cindy aus Marzahn. Bild: dpa

Der Osten Berlins wird zum Rentnerparadies: Nirgends altert die Bevölkerung so rasant wie in den Bezirken Marzahn-Hellersdorf und Lichtenberg. In ersterem lag das Durchschnittsalter 2010 bei 42,7 Jahren, kurz nach der Wende waren die Menschen dort noch durchschnittlich 29,8 Jahre alt. In Lichtenberg stieg das Durchschnittsalter im selben Zeitraum von 35,4 Jahren auf 43,3 Jahre. Dies geht aus dem Jahrbuch hervor, das das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg am Dienstag vorstellte.

Aus der Zeitreihe seit Anfang der 80er Jahre wird auch deutlich, vor welcher Herausforderung Stadtplaner und Politiker stehen: In Marzahn und Hellersdorf ließ die DDR in ihren letzten Jahren zehntausende Wohnungen bauen. Zwischen 1981 und 1990 verdreifachte sich die Bevölkerung fast, zumeist zogen offensichtlich junge Familien zu. Nach der Wende wanderten die Jungen ab, zurück blieben Senioren und leerstehende Plattenbauten.

Dass die Bevölkerungsflucht aus dem Bezirk seit einiger Zeit gestoppt ist, liegt wohl auch an den erfolgreichen Rückbau-Programmen des Landes: Aus vielen Wohnblocks sind kleinere, attraktive und hübsch sanierte Anlagen geworden. Die vielen Parks und Grünflächen im Bezirk tun ihr übriges.

Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg verbessert den Service für Datenjäger und -sammler. Künftig können Tabellen individuell zusammengestellt werden; bisher waren nur vorgefertigte Datensammlungen abrufbar. Nun sind Daten zu Bevölkerung, Einwohner und Zahlen aus dem Mikrozensus so online gestellt, dass sie beliebig kombiniert werden können. Auflistungen zu Tourismus, Hochschulen und Unternehmen seien in Vorbereitung, sagte Behördenchefin Ulrike Rockmann am Dienstag. Nach ihren Worten sind Berlin und Brandenburg die ersten Bundesländer, die einen solchen Service anbieten. Die Datensicherheit sei nicht gefährdet, versicherte sie: Es würden nur Zahlen veröffentlicht, die keine Rückschlüsse auf Person, Betrieb oder Einrichtung zuließen. Wer es ausprobieren will: www.statistik-berlin-brandenburg.de PEZ

Die Arbeitslosenquote im Bezirk ist gesunken. Sie lag 2010 bei 12,2 Prozent und damit deutlich unter dem Berliner Durchschnitt. Ein Grund dafür könnte die hohe Zahl Rentner sein. Spannend wird die Entwicklung der Quote in den kommenden Jahren: Jüngst hatte der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmer mit Zahlen untermauert, dass arme Menschen zunehmend aus dem Zentrum in Randbezirke wie Marzahn-Hellersdorf vertrieben werden. Demzufolge müsste die Arbeitslosenquote dort ansteigen.

Kurz hinter den Berliner Landesgrenzen wird es wieder proppevoll, wie ein Blick auf die Entwicklung in Brandenburg zeigt: Der Speckgürtel legt zu, die Peripherie nimmt ab. In der Uckermark beispielsweise hat die Bevölkerung seit der Wende um fast ein Viertel abgenommen; knapp 130.000 Menschen leben noch im nordöstlichen Zipfel Brandenburgs. Gleichzeitig stieg das Durchschnittsalter von 36,3 auf 46,9 Jahre. Eine ähnliche Entwicklung ist in der Prignitz und in Ostprignitz-Ruppin zu beobachten: Abwanderung und Überalterung drohen, in diesen Regionen eine Spirale der Hoffnungslosigkeit in Gang zu setzen.

Die Politik steht vor der Aufgabe, die Lebensbedingungen für immer weniger Menschen erträglich zu halten - in Gegenden, in denen Wasserleitungen kaum mehr durchspült werden, Busse schlecht ausgelastet sind und die Müllabfuhr kilometerweit für eine einzige Tonne fahren muss, ist das eine echte Herausforderung. Gerade in solchen Regionen wäre bürgerschaftliches Engagement besonders gefragt. Betroffene wissen am ehesten, wo es hakt, sie könnten nach flexiblen und unkonventionellen Lösungen suchen. Aber viele in der Peripherie sind zu alt oder zu wenig mobil, um sich noch groß reinzuhängen ins Ehrenamt: Knapp ein Viertel der Uckermärker ist 65 Jahre oder älter. Und der Anteil von Kindern unter sechs liegt bei nurmehr vier Prozent.

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