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Porträt Newton GingrichFür jeden Skandal gut

Er ist die neue Seifenblase der Republikaner in ihrer Suche nach einem Präsidentschaftskandidaten. Beim Werben um die Ahnungslosen ist er spitze. Obama ist begeistert.

Drei Religionen und drei Ehefrauen hat er schon hinter sich: Newton Gingrich. Bild: reuters

WASHINGTON taz | "Newt" nennen sie ihn in Washington, sowohl rechts wie links. Der 68-jährige Newton Gingrich war bei allen Intrigen der letzten 30 Jahre dabei: Als Mitarbeiter von Ronald Reagan, als Anführer der republikanischen "Revolution" der 90er Jahre, als Berater der Immobilienbank Freddie Mac, die wesentlich zur Entstehung der 2008 geplatzten Immobilienblase beitrug.

Doch niemand hatte geahnt, dass Gingrich eines Tages der Umfragefavorit der Republikaner-Basis für die Präsidentschaftskandidatur werden würde. Denn der Politiker ist nicht nur stark in der Produktion von brillanten und provozierenden Ideen, Reden und Angriffen, sondern zugleich berüchtigt als unberechenbarer und chaotischer Chef, dessen Führungsfähigkeiten und Disziplin im eigenen Lager am umstrittensten sind und dessen beste Gegner seine eigenen Mitarbeiter sind.

Im vergangenen Sommer, als die Kampagne anderer republikanischer Bewerber auf Hochtouren lief, warfen Gingrichs Wahlkampfberater als Gruppe das Handtuch. Sie waren ernüchtert von den miserablen Umfrageergebnissen ihres Kandidaten und entsetzt über dessen Eskapaden. Nach einem ersten Skandal über eine mehrere hunderttausend Dollar schwere Kreditlinie beim Juwelier Tiffany hatte sich Gingrich mit Gattin auf Kreuzfahrt nach Griechenland abgesetzt, während seine Konkurrenten um die Basis warben.

Schon früher hat Gingrich es geschafft, seine engsten Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass er nicht für eine Spitzenrolle taugt. Seine eigenen allerersten Versuche, in den Kongress zu kommen, machte er als umweltsensibler Republikaner und scheiterte damit zweimal.

Monatelang auf allen Wellen

Seither bewarb er sich als Wirtschaftsliberaler. Mit zwei zentralen Programmpunkten: Kampf gegen "Big Government" und für tiefe Einschnitte im Staatshaushalt. Damit verschaffte er den Republikanern 1994 eine Mehrheit im Repräsentantenhaus. Zur Belohnung wählten sie Gingrich zum "Speaker". Der Posten des Parlamentspräsidenten ist eine der prominentesten Stellen im Washingtoner Politbusiness.

Gingrich, der an keinem Mikrofon vorbeigehen kann, ohne hineinzusprechen, war monatelang auf allen Wellen. Doch er ging sehr schnell viel zu weit: Aus Protest gegen die Haushaltspolitik von Präsident Bill Clinton sorgte er für den allerersten "Shutdown" der US-Geschichte. Damit fiel er nicht nur in den Meinungsumfragen, sondern auch bei der großen Mehrheit seiner republikanischen Kollegen in Ungnade.

Wenige Jahre später stimmte 1998 ein Ethik-Ausschuss aus Vertretern beider Parteien dafür, Gingrich wegen Missbrauchs von Wahlkampfgeldern zu bestrafen. Er musste 300.000 Dollar zahlen. So tief war vor ihm kein "Speaker" gestürzt.

Nachdem Bachmann, Perry und Cain in den vergangenen Monaten aufgestiegen waren und abgestürzt sind, ist nun Gingrich an der Reihe. Er sammelt die radikalsten Stimmen der ohnehin radikalen republikanischen Basis ein. Besonders aggressiv wirbt er um die Tea Party und die christliche Rechte.

Allen möglichen Ballast

Er sagt, dass er ein Verbot von Kinderarbeit für unnötig hält und dass er Schulkinder in Armengegenden zu Hilfshausmeisterarbeiten rekrutieren will, damit sie lernen, was Arbeit und Disziplin und Geldverdienen sind. Und er sagt - und wiederholt - dass die Palästinenser ein "erfundenes Volk" seien.

Aber Gingrich schleppt allen möglichen Ballast mit sich herum. 1,6 Millionen Dollar, die er bei Freddie Mac als Honorar kassierte, kurz bevor die Immobilienblase platzte. Und drei Ehefrauen hintereinander (Jackie, Marianne, Callista). Und drei Religionen hintereinander (lutheranisch, baptistisch, katholisch).

Und es zählt zu seinen Handicaps, dass die Spitze der Demokraten auf ihn setzt. Denn alle Umfragen zeigen, dass Barack Obama gegen Gingrich mit links gewinnen könnte, während er es gegen den zweiten republikanischen Spitzenmann Mitt Romney sehr schwer hätte.

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16 Kommentare

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  • S
    Stryker

    wie sagte doch einst Napoleon? "Störe deinen Feind nicht wenn er gerade Fehler macht."

    Da aber die Amis Reagan und Bush jeweils ZWEIMAL gewählt haben, beinahe die Böse Hexe des Nordens zur Vizemieze gemacht hätten und bei den Midterms 2010 ihrer Regierung eine Querschnittslähmung verpassten, weil ein paar im US-Duden under C wie "change" nachschlugen, würde ich mich als BHO nicht entspannt zurücklehnen! Dies verblendete Wahlvolk in der kaputtesten Demokratie der Welt ist zu allem fähig.

  • M
    Marius

    @Kstn:

    Welches Volk hat denn eigentlich schon immer existiert? Letztlich sind alle Völker erfunden. Die "Amerikaner" sind ja auch noch nicht so alt... und wenn man von einer "Volkshypothese" ausgehen möchte, dann dürfte sich in den letzten Jahrzehnten durchaus eine spezielle palästinensische Identität ausgebildet haben, dass man von einem palästinensischen Volk sprechen kann.

  • MS
    Matthias Schossig

    Die Deutschen sind auch ein erfundenes Volk. Die Amerikaner sowieso. Was heißt denn das? Mehrere ethnische Zugehörige auf einem gemeinsamen Staatsterritorium? Was der gemeint hat ist, dass sie keine Daseinsberechtigung haben.

  • F
    Franz

    Wenn die Palästinenser ein erfundenes Volk sind, dann können sie doch problemlos im Staat Israel als gleichberechtigte Staatsbürger integriert werden.

  • C
    Claus

    Man sollte vielleicht auch erwähnen, dass "Newt" nicht nur die Abkürzung von "Newton" ist, sondern auch als "Molch", "Salamander" oder "Schwanzlurch" übersetzt erden kann :).

  • M
    Max

    Zitat Wikipedia:

    [...] Mit Vernunft als philosophischem Fachbegriff wird die Fähigkeit des menschlichen Geistes bezeichnet, von einzelnen Beobachtungen und Erfahrungen auf universelle Zusammenhänge in der Welt zu schließen, deren Bedeutung zu erkennen und danach zu handeln [...]

     

    Da fehlen also noch drei Schritte:

    1) von einzelnen Beobachtungen auf universelle Zusammenhänge zu schließen

    2) deren Bedeutung zu erkennen

    3) danach handeln

     

    Bush - Obama - Gingrich ?

    Oh my god !

  • Z
    zweifelhaft

    @Kstn:

     

    Naja, genauer betrachtet ist jedes Volk erfunden. Deutsche? Gab's so erst Mitte des 19. Jahrhunderts, davor waren es Bayern, Preussen etc. pp. - und sich teils spinnefeind.

    Israelis? Gibt's halt erst, seit es Israel gibt, davor waren es jüdische Migranten aus aller Welt.

    Amerikaner? Großer Mix aus allen möglichen Europäern, Asiaten und, eher neu, Latinos.

     

    Insofern hat er irgendwie recht.

  • M
    Marvin

    Kein Volk, kein Reich, kein Führer!

    ONE LOVE!

  • AJ
    Andreas J

    Wo kommen diese Mutanten eigendlich immer her? Unglaublich was da für Typen Präsident werden wollen. Und vor allem, wie dumm sind die Leute die sowas wählen?

  • I
    ilmtalkelly

    Mal abwarten, ob Ginrich seine Chance nicht doch noch bekommt. Die Amis mögen Cameleons.

    @ Kstn

    Er ist nicht der einzige ,der die Palästinenser für eine Erfindung hält.Was sind dann Deutsche oder Juden, als eine Erfindung. Es ist unerheblich, seit wann und welchen Namens. Sie identifizieren sich mit Palästina und das muss die Welt anerkennen. Genauso, wie die Tatsache, dass eine Volk arab. Abstammung nach Jahrhunderten der Landbewohnung sich nicht mehr als Fremde fühlen sollten.

     

    Hitler sagte, das alle Deutschen Arbeit brauchen. Wollen wir ihn dafür auch loben ? Habens Populisten bei Ihnen so leicht ?

  • W
    Weinberg

    Gott (wenn es ihn gäbe) schütze die US-Amerikaner vor Newton Gingrich und Konsorten!

  • M
    manni.baum

    "die Ahnungslosen" sind in allen Ländern die Mehrheit der Wähler, daher sollte Obama nicht so begeistert sein.

  • SI
    seid ihr gaga?

    @ Kstn: Achtung der Zug der Erkenntnis erreicht nun Gleis 1: JEDES VOLK IST EIN ERFUNDENES VOLK! Wie definieren Sie denn Volk?

  • KK
    @ Kstn

    Welches Volk ist denn Ihrer Auffassung nach nicht erfunden? Die Amerikaner etwa?

  • JZ
    jan z. volens

    Ginrich betreibt wie hunderte Washington-Politicos eine "Beraterkanzlei". Fuer "strategische Beratung" der halbstaatlichen Hypothekenmaklerinstitute "Ginnie Mae" und "Freddy Mac" bekam er $ 1.6 Millionen. Heute stehen die Direktoren dieser Washington-Institutionen vor einem Bundesgericht wegen Finanzbetrug. Die "strategische Beratung" von Ginrich bestand in Hinweise wie diese Direktoren die Senatoren und Abgeordneten entsprechend "beeinflussen" konnten... ("Welcome to the REAL America!")

  • K
    Kstn

    Das mag alles stimmen, aber eine vernünftige Sache hat er gesagt: Dass die Palästinenser ein erfundenes Volk seien. Stimmt leider! Dass das der latent antizionistische deutsche Mainstream nicht hören mag, ist klar, aber vor 1967 hat kein Mensch von "den Palästinensern" gesprochen, das war ein Marketingtrick der PLO zur Legitimierung des eigenen Terrors. Für den Mut zu dieser Wahrheit muss man Gingrich loben.