Japan setzt auf grünes Wachstum

KONJUNKTUR Regierung will in den nächsten zehn Jahren 750 Milliarden Euro zur Modernisierung der Wirtschaft ausgeben und die Stagnation überwinden. Die Bereiche Umwelt, Gesundheit und Tourismus stehen im Fokus

Frauen erhalten einen Rechtsanspruch auf Rückkehr in den Job nach einer Geburt

AUS TOKIO MARTIN FRITZ

Die japanische Regierung will durch eine grüne Wirtschaftspolitik in den nächsten zehn Jahren bis zu 4,8 Millionen neue Jobs schaffen und durch höhere Ausgaben für Umwelt, Gesundheit und Tourismus die Dauerstagnation der letzten zwanzig Jahre überwinden. Der Staat soll bis 2020 eine zusätzliche Nachfrage von 100 Billionen Yen, das sind rund 750 Milliarden Euro, erzeugen und dadurch die nominale Wirtschaftsleistung von derzeit 3,5 Billionen Euro jährlich um mehr als ein Viertel auf 4,9 Billionen Euro steigern. Die Arbeitslosenquote würde dabei von aktuell rund fünf auf drei Prozent fallen. Die Regierung von Yukio Hatoyama will zudem einen Glücksindikator einführen, der die Zufriedenheit der Bevölkerung widerspiegelt. „Früher dachten die Menschen, sie müssten der Wirtschaft dienen. Aber die Wirtschaft ist für die Menschen da“, sagte der Premierminister.

Ein großer Schwerpunkt der vom Kabinett am Silvestertag gebilligten Wachstumsstrategie liegt auf der Förderung von umweltschützenden, grünen Technologien. Dazu gehörten aufladbare Batterien, energiesparende Häuser und intelligente Stromnetze, hieß es. Erneuerbare Energien würden durch Einspeisvergütungen gefördert. Allein in solchen Industrien sollen rund 1,4 Millionen neue Stellen entstehen.

Die alternde Gesellschaft soll ebenfalls zum Wachstumsmotor werden. Im Gesundheits- und Pflegebereich will die Regierung 2,8 Millionen Jobs schaffen, indem sie unter anderem den Ausbau von barrierefreien Wegen und Gebäuden unterstützt. Die Geburtenrate soll steigen, indem alle Frauen nach einem geburtsbedingten Ausstieg aus dem Job ein Recht auf Rückkehr an ihren alten Arbeitsplatz erhalten.

Zur dritten Wachstumssäule wird der Tourismus ausgebaut. Durch eine Neuordnung der Feiertage sowie vereinfache Visumerteilung vor allem für Chinesen soll die Besucherzahl in zehn Jahren um das Dreifache auf 25 Millionen jährlich steigen. Premierminister Yukio Hatoyama setzt zudem auf den wachstumsfördernden Effekt einer asiatischen Freihandelszone, die bis 2020 entstehen soll.

Die neue Langfriststrategie wurde in Tokio mit Skepsis aufgenommen. „Hatoyama verspricht eine brüderliche Wirtschaft, aber Wachstum braucht mehr als ein Motto“, meinte die Finanzzeitung Nihon Keizai. Denn die Wirtschaftsleistung müsste dafür im Schnitt real mehr als zwei Prozent und nominal, also preisbereinigt, mehr als drei Prozent jährlich zunehmen. Doch die Bank von Japan schätzt das Potenzial nur auf ein halbes Prozent. In den nächsten Jahren dürfte auch die Deflation von zuletzt rund einem Prozent das Wachstum bremsen.

In ihrem ersten eigenen Haushalt baut die neue Regierung den Sozialstaat aus und kürzt die Bauinvestitionen. „Menschen statt Beton“ stünden im Fokus, erklärte der Premierminister sein Konzept. Allein ein neues Kindergeld von 100 Euro monatlich lässt sich die Regierung 13 Milliarden Euro kosten. Der Haushalt wird erneut fast zur Hälfte über neue Schulden finanziert.