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Kolumne Die rätselhafte Welt des SportsSeltsame Schanzen-Spezies

Kolumne
von Achim Bogdahn

Mit einer Eiseskälte erfüllen Skispringer ihren Job als Vielflieger. Hinter der vermeintlichen Professionalität steckt ein Hang zum Exzess: es wird gesoffen, gekokst und gestrippt.

E s ist wieder mal Murmeltiertag, in anderen Worten: Vierschanzentournee. Jedes Jahr um diese Zeit stürzen sich Sportler von vier Schanzen und versuchen dabei auch noch wie ein V auszusehen. Männer mit bizarren Namen wie Ronny Hornschuh (aus Zella-Mehlis, dem Holmenkollen der Ex-DDR), Vegard Sklett aus Norwegen (der gerade mal 59 Kilo wiegt, nomen est omen), der Pole Majiej Kot (sein Trainer: "Was war das für ein Scheiß-Sprung, Kot?!"), Roar Ljøkelsøy (der seinen Sohn Sokrates genannt hat! Sokrates Ljøkelsøy - da haben manche Leute schon von der bloßen Aussprache eine Mandelentzündung bekommen), die Finnen Heikki Ylipulli (muss eine Woll-Outdoor-Marke aus Suomi sein) oder Artuu Eemeli Lappi (der dann logischerweise auch an der Lappland-Universität/Rovaniemi studiert hat), der Japaner Taku Takeuchi (der immer so schnell außer Atem ist).

Seltsam nur, dass Felix Magath in der Winterpause keinen einzigen dieser Herren für den VfL Wolfsburg verpflichtet hat … Was all diese Männer eint, ist die Eiseskälte, mit der sie ihren Beruf ausüben. Nehmen wir mal Janne Ahonen, den humorlosen Finnen. Der war so nüchtern, so perfekt, dass manche Kritiker in ihm ein XXXL-Handy von Nokia mit besonders guten Flugeigenschaften vermuteten.

Doch in seiner Autobiografie (für die sein Manager Jukka Härkönen den Co-Autor Pekka Holopainen engagierte, das mit den Namen hat also Methode) deckt Ahonen bzw. Holopainen auf: Bei der Skiflug-WM in Planica habe er zusammen mit seinem Teamkollegen Risto Jussilainen 24 Dosen Bier geleert und war am folgenden Tag dennoch 240 Meter weit gesprungen.

Angst vor Alkoholtest

DER AUTOR

Achim Bogdan schreibt für das Sportressort der taz.

Das hätte Weltrekord bedeutet, wenn er bei der Landung nicht gestürzt wäre. Aus Angst vor einem Alkoholtest habe er sich anschließend aber strikt geweigert, ins Krankenhaus gebracht zu werden. An sein großes Vorbild wird er dennoch nie hinkommen: Matti Nykänen, die Skisprunglegende der 80er Jahre. Nach dem Karriereende startete der zunächst recht erfolgreich als Popsänger durch, für sein erstes Album "Yllätysten yö" ("Nacht der Überraschungen") mit der Single "V-Tylli" ("V-Stil") bekam er sogar die Goldene Schallplatte.

Unvergessen sein Schlager "Yy kaa koo nee - vauhti kovenee" ("Eins, zwei, drei, vier - das Tempo erhöht sich"), vielleicht antizipierte er hier schon seine kommenden vier Scheidungen und seine Tätigkeit als Stripper. Autobiografisch wurde es in der Comeback-Nummer "Ehkä otin, ehkä en" ("Vielleicht hatte ich einen Drink, vielleicht nicht").

Da hatte er schon zweieinhalb Jahre im Gefängnis verbracht, weil er einen Freund im Alkoholrausch nach einem Streit ums Fingerhakeln (!) in einer Waldhütte in Nokia (!) niedergestochen hatte. Seine Autobiografie heißt übrigens "Grüße aus der Hölle".

Mischung aus Barockpuppe und Boskop-Apfel

Dort befand sich auch ganz kurzfristig Andi Goldberger, der österreichische Skispringer. Der Bauernbub, der mit seinen gelockten blonden Haaren und roten Backen immer wie eine Mischung aus Barockputte und Boskop-Apfel aussah, war im Wiener Nachtleben mit Kokain "angezuckert" worden (oder wie man in Wien sagt: Geh, Burli, ziag da des a amol eini"). Angeblich nur ein einziges Mal, weswegen ihm ganz Sport-Österreich seinen Ausflug in den Schnee tränenreich verzieh.

Der Norweger Lars Bystøl dagegen stürzte im Vollrausch 2003 ins Osloer Hafenbecken, gewann dann 2006 die Goldmedaille in Turin, um 2008 wegen Cannabis-Konsums gesperrt zu werden. Skispringer haben auf Gras auch nichts verloren. Und dann war da ja noch der englische Bauarbeiter Michael Edwards, der erste britische Skispringer, kurzsichtig wie eine Spitzmaus, übergewichtig, mutig, aber untalentiert, er wurde immer Letzter und fiel vom Schanzentisch wie ein nasser Boxsack. Oder Harri Olli aus Rovaniemi, der das volle Programm abzog: Alkoholexzesse, Vizeweltmeister, Gruppensex, suspendiert, Stinkefinger.

Fest steht: Dieser Sport ist etwas für Exzentriker und Ausgestoßene unserer Gesellschaft: Alkoholiker, Kurzsichtige, Österreicher, Stripper. Auch morgen werden wieder - wie immer - die Österreicher gewinnen, da half selbst eine telefonische Intervention von Bundespräsident Christian Wulff bei den Veranstaltern für das deutsche Team nichts. Das war jetzt übrigens frei erfunden (nicht dass Wulff gleich wutentbrannt bei der taz anruft).

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