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Kommentar LinksparteiDie Angst vor der Basis

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Der Parteivorstand der Linkspartei weist den Antrag auf einen Mitgliederentscheid zurück. Und entlarvt damit seine eigene Angst und Hybris.

S o was nennt man dann wohl eine schlecht getarnte Notlösung. Mit seiner Entscheidung, den Antrag auf einen Mitgliederentscheid zurückzuweisen, zeigt der Parteivorstand der Linkspartei, wie weit er sich von der Basis entfernt hat. Wie wenig die Führung den eigenen Genossen inzwischen vertraut. Und wie sehr sie noch immer unter dem Einfluss ihres Exvorsitzenden Lafontaine steht.

Erinnern wir uns. Vier Landesvorstände und zwölf Kreisverbände haben den Antrag gestellt, die Basis möge gefragt werden, wem sie zutraut, ihre seit mehr als zwei Jahren schlingernde Partei künftig zu führen und inhaltlich neu auszurichten. Sogar die Kandidaten wollten sich dem Votum stellen.

Eine kurze Phase lang sah es so aus, als würde die Linkspartei umsetzen, was sie für DAX-Vorstände und kommunale Haushalte vehement fordert: aktive Mitbestimmung. Also etwas, was sich selbst die sterbenskranken Liberalen leisten und was die Piraten gerade so attraktiv für junge Wählerinnen und Wähler macht. Doch am Ende reichte schon, dass der heimliche Vorsitzende Lafontaine gegen den Mitgliederentscheid war.

taz
ANJA MAIER

ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.

Hinzu kam das Gutachten eines Parteienforschers, um den Linken den eigenen Schneid abzukaufen. Mit "§ 2 Abs. 1 der Ordnung für Mitgliederentscheide" begründet der Vorstand seine Entscheidung - das klingt nach Recht und Gesetz statt nach Einknicken.

Hinter dem ganzen Vorgang stehen die Angst vor den eigenen Genossen und die damit einhergehende Hybris einiger selbst ernannter und hofierter Meinungsmacher. Viereinhalb Jahre gibt es die Linkspartei mittlerweile. Im Moment der Schwäche zeigt sich nun, wie tief gespalten sie ist, wie sehr Ost- und Westlandesverbände einander misstrauen. Und wie weit die Inhalte im Zeitalter der Globalisierung in den Hintergrund gerückt sind.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.

10 Kommentare

 / 
  • T
    Tom

    "Angst vor" und "damit einhergehende Hybris" gleichzeitig -- wie soll das denn gehen? *Lach*

  • M
    MeinName

    "Mit "§ 2 Abs. 1 der Ordnung für Mitgliederentscheide" begründet der Vorstand seine Entscheidung - das klingt nach Recht und Gesetz statt nach Einknicken."

     

    Ich bin nun wirklich kein Befürworter dieser Entscheidung aber was ist denn bitte so unfassbar daran, dass sich die LINKE an ihre Satzung hält? Ich fände es ehrlich gesagt bedenklicher wenn sie diese einfach mal so ignorieren würde und ich wäre ja auf den entsprechenden Kommentar von Frau Maier gespannt.

     

    Natürlich ist ein Gutachten eben nur ein Gutachten und nicht der Stein der Weisen aber solange es kein fundiertes Gegengutachten gibt, das die Option eines Mitgliederentscheids stützt, wirkt der Kommentar eben wie der altbekannte Beißreflex der taz wenn es um die LINKE geht. Ich wage mal die Prognose, dass eine ähnliche Entscheidung der Grünen als politischer Realismus und ein Zeichen von Reife & Ernsthaftigkeit gedeutet wäre.

  • M
    Michel

    Als Realo blutet mir das Herz! Diese Partei ist schon lange nicht mehr der Vertreter der Linken. Gysi, Lafontaine, Wagenknecht, Lötzsch und Ernst sind die Totengräber der Partei! Gehen wollen sie aber nicht, denn die Diäten im Bundestag oder in der Parteizentrale kann man nicht so einfach aufgeben. Schließlich muss ja von was leben. Und von HartzIV geht nicht. Nicht bei den Genossen!

  • TA
    Thomas A. Bolle

    an Nils: Eine Partei kann einen Mitgliederbefragung zur Meinungs- und Kandidatenfindung durchführen. Das Parteiengesetz untersagt nur das ein/e Vorsitzende/r dadurch gewählt werden dürfen. Das darf nur eine Versammlung.

    Aber um Basisdemokratie, von der immer so viele in der Linken erzählen hätte man sich dem Mitgliedervotum beugen können. Auf einer Versammlung könnte dieses Ergebnis formal bestägigt werden. Damit wäre der Wille der Basis und dem Gesetz genüge getan. Nur die jetzige Spitze will das nicht. Insofern ist das ein Führungsproblem.

  • A
    anke

    Was genau verstehst Du daran nicht, Nils? Das ist der schlecht getarnte Versuch, mittels Boulevard-Polemik Arbeit zu vermeiden und Geld zu sparen. Mit ihren nicht ansatzweise argumentativ untersetzten Unterstellungen zeigt Anja Maier nur, wie weit sich mittlerweile selbst die taz vom sogenannten seriösen Journalismus entfernt hat.

     

    Wenn ich auch mal was unterstellen sollte, würde ich behaupten: Frau Maier hat bei Herrn Dieckmann oder einem seiner besten Schüler gelernt. Aber nehmen Sie mich bloß nicht all zu ernst. Ich bin gewiss nur so etwas wie eines dieser gealterten Nachkriegskinder, die es nicht ertragen können, wenn sie jemanden mit Essen spielen sehen.

     

    Erinnern wir uns bitte: Im Osten Deutschlands gab es bis 1989 gar keine freie Presse. Polemik hingegen gab es schon. Jede Menge sogar. Wie tief gespalten die Ost- und die Westlandesverbände der Linkspartei wirklich sind, wie sehr Ossis und Wessis einander misstrauen, brauche ICH mir nicht erzählen zu lassen von Anja Maier. Und wie weit eventuelle Inhalte im Zeitalter der Globalisierung in den Hintergrund gerückt sind, kann auch ganz allein erkennen, wer diesen Kommentar mit meinen Augen liest.

     

    Wenn schon Sparsamkeit, dann bitte gleich richtig!

  • BB
    Bernhard Bartsch

    Das ist doch lächerlich. Wieso soll eine _Befragung_ - von einer verbindlichen Entscheidung traut man sich ja nichtmal zu träumen - denn gegen die Satzung verstoßen?

     

    Steht da drin, man dürfe die Mitglieder nix fragen?

  • E
    elbraun

    @ nils

     

    tja, das ist die taz. was gerade opportun gegen die linke spricht, wird ihr vorgehalten - auch wenn es dazu gar keine wirkliche veranlassung gibt. frau maier versteht offenbar nicht, was es bedeuten würde gegen die satzung etwas durchzuführen - dann kommen, egal, was als ergebnis dabei rumkommt, mal ganz schnell 20 klagen zusammen. das wäre ein öffentlicher super-gau für die partei und es würde ihr unprofessionalität vorgeworfen werden etc... ich erwarte von einer journalistin so weit mitdenken zu können.

     

    Dass Klaus Ernst eine Abstimmugn ins SPiel gebracht hat, ist schon mal mehr, glaube ich, als die grünen vorzuweisen haben. Niemand leugnet, für die Zukunft eine Abstimmungsstruktur der Mitglieder erarbeiten zu wollen, aber man muss dabei korrekt bleiben. über das knie brechen lassen sich solche dinge wie satzungsänderungen zur vorsitzendenwahl nunmal nicht. doch das ist der taz ja oft leider gar nicht wichtig - und leider auch Genossen wie Bartsch, die das Thema so einbringen, dass die LInke jetzt als unemanzipatorisch dasteht. der taz geht es leider stets darum eine message rüber zu bringen - und die lautet: die linke ist nicht modern (was laut taz struktur oder meist auch forderungen angeht).

     

    dumm nur, dass KEINE partei bislang ihre vorsitzeden so gewhlt hat. auch piratInnen haben einen parteitag (bei denen zugegeben jedes Mitlied wählen darf). die verbalen schläge für die linke sind hier also sehr hochgekocht und werden auf den selben Argumentationshaufen wie immer abgelegt

     

    im übrigen ist die kürzliche mitgliederbefragung der fdp in keiner weise mit der wahl der vorsitzden der linken verglechbar (und fußt auf eienr anderen satzung!!!).

     

    liebe taz, wenn ihr die linke schon doof findet, lernt bitte wenigstens etwas zu differenzieren.

  • A
    Arne

    Ich halte es für wesentlich wichtiger, dass die Parteibasis über inhaltliche Fragen abgestimmt hat und es einen Mitgliederentscheid zum Parteiprogramm gab, als dass über personelle Sachen per Mitgliederentscheid abgestimmt wird.

    Wenn die LINKE das demnächst auch noch per Mitgliedsentscheid festlegen will, muss eben die Satzung geändert werden. Und das scheint ja wohl das nächste zu sein, was man verändern will, damit das möglich wird.

  • W
    Wolfgang

    Da lachen ja die Hühner;

    Der DLF berichtet: "Gysi bedauert Nein des Linke-Vorstands zum Mitgliederentscheid über Parteispitze".

     

    links um des links-sein Willen;

     

    Klar wissen die Parteibonzen (Pardon, Parteioberen), dass ihre Stammwähler "die linke" wählen weil die Partei zu erst einmal gegen Rechts, Kapitalismus, "angepasstes Bürgertum" etc. steht. Wofür die Partei ist sei dahin gestellt, wesentlich ist gegen das" bürgerliche Herrschaftssystem" zu sein.

    Dieses Credo wird von der Parteispitze wirklich gut umgesetzt, zumindest solange keine Machtbeteiligungsoption besteht. Nicht nur da ist die Linke wie die Rechte doch recht ähnlich. Für eine Machtoption wird so ziemlich alles im Zeichen der Demokratieerhaltung geopfert, zumindest ist die Schmerzschwelle sehr hoch.

    Links darf jedoch bei den jüngeren Wählern nicht mit Unfreiheit gleich gesetzt werden, obwohl dies historisch betrachtet natürlich nahe liegen würde, da dies vermutlich recht zügig das Erreichen der fünf Prozent Hürde in Gefahr brächte.

    Jedoch genau aus der Nach DDR Zeit rekrutiert die Linke doch wohl immer noch die Hauptmasse ihrer Mitglieder; sozusagen die Spezies der "Parteigläubigen wie zu Zeiten der SED" .

    Wer kann verdenken, dass Oskar und Konsorten im Rahmen eines Zukunftblickes diesen Parteisoldaten die Mitbestimmung nicht zugestehen will?

  • N
    Nils

    Versteh ich nicht. Wenn es so in der Satzung steht und ein Mitgliederentscheid rechtlich nicht durchführbar wäre, was hat denn dann die Parteispitez verbrochen, weil sie sich an die Satzung hält? Ich finde es auch schade, die Satzung soll ja auch auf dem nächsten parteitag zur Diskussion gestellt werden.

     

    Hier nun aber ein Führungsproblem draus zu machen, ist genau so albern, als würde man Angela Merkel dafür die Schuld in die Schuhe schieben, dass man den Bundespräsidenten nicht direkt wählen kann.