taz-Thema der Woche

Todesstrafe in Weißrussland

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 12

Natürlich muss man diesen Artikel kritisieren, aber die Frage ist, wie. Wozu nehmen denn die AutorInnen an dem Workshop teil? Damit die taz den ganzen UndemokratInnen die richtige Denkweise eintrichtert? Damit sie ihre falsche Sicht bloß nie mehr vertreten? Und endlich unsere einzige Wahrheit lernen? Ein solcher Workshop sollte für alle Seiten neue Erkenntnisse bringen. Und natürlich darf man diese Meinung kritisieren, aber man darf sie bitte auch vortragen.

FELIX SCHIEDLOWSKI, Halle

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 12

Es ist immer wieder unangenehm zu lesen, wie selbstgerecht die Wertschätzung des Individuums daherkommt. Am Frühstückstisch wurde ich allerdings darauf hingewiesen, wie viele JournalistInnen in den letzten Jahren in Osteuropa bedroht, schikaniert und sogar ermordet wurden. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, dass Frau Krasavtceva einen anderen Hintergrund zur Wertschätzung des Individuums hat als wir hier. Ist es das, was sie sagen wollte?

BIRGIT KÜBLER, Regensburg

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 12

Erwartet die taz allen Ernstes, dass irgendein taz-Leser die Position der Autorin dieses Artikels auch nur überlegenswert finden könnte? Soll ich ihr nun abkaufen, dass zwei in einem totalitärem Regime unmittelbar nach der Tat Festgenommene auch tatsächlich die Täter sind, denen man dann gleich noch weitere, ungelöste Fälle unterschieben konnte? Verständnis aufbringen für emotionale Wut und Rachegelüste?

Die Todesstrafe hat sich aus der ethischen Evolution ausselektiert, es gibt wahrlich eine höher entwickelte Rechtspraxis, siehe Norwegen im Fall Breivik. Norwegen hat die moralische Messlatte gesetzt für den Umgang mit Attentätern, drunter ist nichts mehr diskutabel.

LYDIA RIEDEL-TRAMSEK, Möckmühl

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 12

Als ich am Samstagmorgen den Artikel las, war ich erst sprachlos, wurde zunehmend wütend, und spätestens bei den letzten Sätzen („Ja, jeder hat das Recht auf Leben, und das muss respektiert werden. Bis zu einem gewissen Punkt: Wenn du jemanden das Leben genommen hast, dann sei bitte so gut, und gib auch deins dafür. Das ist die ganze Politik.“) musste ich fast kotzen. Ein Plädoyer für die Todesstrafe in der taz! Ich empfehle der gesamten Redaktion und der unsäglich dummen Schreiberin dieses Artikels die „Betrachtungen zur Todesstrafe“ von Albert Camus zur Lektüre und zitiere daraus nur den letzten Satz: „Weder im Herzen des Einzelnen noch in den Sitten der Gesellschaft wird es einen dauerhaften Frieden geben, solange der Tod nicht aus den Gesetzen verbannt ist.“ ECKART LÖHR, Essen

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Sagt mal, habt ihr den Artikel überhaupt gelesen, bevor ihr ihn abgedruckt habt? Das ist ein Plädoyer für die Todesstrafe, und zwar begründet mit ganz platten Rachegedanken, untermauert von Polemik wie: „Ja, hätte man sie begnadigen und ihnen im Gefängnis vielleicht noch Internet, einen Fernseher, eine weiche Matratze und drei Mahlzeiten pro Tag zur Verfügung stellen sollen?“ Ich bin für Meinungsvielfalt, aber so ein Artikel sollte in einer aufgeklärten Tageszeitung keinen Platz haben. INGRID BUCK, Hamburg

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Der Artikel hat mich erschreckt, weil er immer noch die Todesstrafe bei Mord fordert. Seit 1948 ist aber das Recht auf Leben für wirklich jeden Menschen ein universelles Menschenrecht. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges mit den unvorstellbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit hat sich die Weltgemeinschaft auf die allgemeine Geltung der Menschenrechte verpflichtet.

Das gilt besonders auch für Europa, wo sich Weißrussland als letztes europäisches Land mit Todesstrafe noch immer um Aufnahme in den Europarat bemüht. Und in Weißrussland hatten sich 50.000 Menschen in einer Petition gegen die Hinrichtung der beiden Angeklagten ausgesprochen. Hinzu kommen offenbar gravierende Mängel im Verfahren, die internationale Proteste beklagt haben. Amnesty International hat in seinen aktuellen Berichten zu Belarus immer wieder Verstöße gegen Grundsätze fairer Prozessführung festgestellt. Gegen die Todesstrafe ist bei einem immer möglichen Fehlurteil aber kein Rechtsmittel mehr möglich!

HENNING VON HOERNER, Hannover

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Mir ist es ein Rätsel, wie ihr eine derartige mittelalterliche Brandrede für die Todesstrafe abdrucken könnt! Niemand darf einen Mord, was staatliches Töten ebenfalls ist – es ist ebenso planvoll, hinterhältig und mit dem niedrigen Beweggrund der Rache verbunden – derart rechtfertigen! Die Frage der Autorin, ob man einem Mörder eine weiche Matratze, drei Mahlzeiten, Fernsehen und Internet zur Verfügung stellen sollte, ist klar mit einem Ja zu beantworten. Um in Unfreiheit über die Tat nachzudenken, ob es das wert war. Man kann einen Mord nicht mit einem anderen Mord sühnen. Der Staat hat die Täter zu bestrafen, das ist seine Aufgabe. Das hat aber nichts mit Opferhilfe zu tun. Mit der Todesstrafe machen sich der Staat und die Gesellschaft selbst zu gemeinen Mördern. Die Abschaffung der Todesstrafe, diese allgemeine zivilisatorische Errungenschaft mit diesem Hetzartikel zur Disposition zu stellen, ausgerechnet in der taz, das ist schon starker Tobak! R. DETTMANN, Ludwigshafen

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Nach dem Lesen des Artikels bin ich, gelinde gesagt, verstört: Eine Rechtfertigung der Todesstrafe meinte ich allenfalls in rechtspopulistisch geprägten Medien zu finden, nicht jedoch in der taz! Dabei liegen doch die Gründe, weswegen die Todesstrafe abzulehnen ist, auf der Hand: Zum Ersten ist da die Möglichkeit eines Justizirrtums zu nennen. Menschen, und damit auch die Gerichte, machen Fehler. Einen fälschlicherweise zur Gefängnisstrafe Verurteilten kann man freilassen und entschädigen. Nimmt man einem Menschen das Leben, ist dies jedoch unumkehrbar. Zum Zweiten sollte eine Verurteilung idealerweise einen Täter zur Reue seiner Tat bewegen und seine Resozialisierung in die Gesellschaft zur Folge haben. Ob das in der Praxis gelingt, ist diskutabel, aber der Ansatz dahinter jedenfalls wünschenswert.

Zum Dritten halte ich es für fragwürdig, wenn die Autorin meint, dass ein Mörder automatisch sein eigenes Leben durch seine Tat verwirkt habe. Genauso wenig, wie es einem Mörder zusteht, Leben zu nehmen, steht es der Justiz zu, dies nun ihrerseits beim Mörder zu tun. Diverse Studien haben belegt, dass Angehörige von Opfern von Gewalttaten keinesfalls ihre Traumata und psychischen Verletzungen durch den Akt der Tötung des Täters bewältigen können. Eine psychologische Begleitung oder Therapie ist hierbei sehr viel hilfreicher. Ich kann nur hoffen, dass ich nicht wieder solche populistischen und irrationalen Aufsätze zur Verteidigung der Todesstrafe in der taz lesen muss! CHRISTINE HALISCH, Kiel

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

In der Überschrift zu Andreas Rüttenauers Artikel zur Bahnrad-WM in Weißrussland („Radeln im Tunnel“) wird noch bedauert, dass über Todesurteile und Folter keiner spricht. Dabei muss man nur in derselben Ausgabe der taz vier Seiten zurückblättern und findet eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Todesstrafe in Weißrussland. Allerdings nicht so, wie man sich das als Leser der taz vorstellt.

Das hätte ich nicht für möglich gehalten: dass eine Befürworterin der Todesstrafe eine ganze Seite in der taz zur Verfügung bekommt, um mit hanebüchenen Begründungen die Todesstrafe zu rechtfertigen! Freunde, so geht das nicht; das ist völlig falsch verstandene Meinungsvielfalt. Ich hoffe, dass nicht demnächst ein rechtsradikaler Praktikant in der taz ein Forum für neonazistische Parolen erhält. FERDINAND ROTZINGER, München

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Was motiviert unterschwellig die Veröffentlichung dieses Artikels? Stellen wir uns mal vor, der Workshop wäre mit deutschen oder westeuropäischen Praktikanten erfolgt. Ist es vorstellbar, dass ein deutscher Praktikant einen solchen oder ähnlichen Artikel in der taz hätte platzieren können? Wohl kaum. Ein solcher Angriff auf unsere humanistische Werte wäre sicher abgewehrt werden.

Warum ist es dann bei den osteuropäischen Praktikanten möglich? Weil man ihnen keine Diskussion über allgemeine Menschenrechte und humanistische Werte zumuten kann? Weil es in der unterschwelligen Wahrnehmung der taz-Redakteure zurückgebliebene Halbaffen sind, denen man halt eine eine gewisse Narrenfreiheit geben muss? Weil diese Leute aus dem Mittelalter kommen und spezielle Rücksicht benötigen? Weil sie lernen sollen, dass Meinungsfreiheit gleich Narrenfreiheit ist? Was wabert da durch die Redaktionsräume? Unterschwelliger Rassismus? Unterschwelliger Chauvinismus? Unterschwelliger Paternalismus? ULRICH STÄHLE, Stuttgart

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Eine Rechtsprechung, die auf durch Folter zustande gekommene Geständnissen fußt, ist zu verurteilen. Gerichte, die sich dem Diktat von Regierungen unterwerfen und Urteile ohne Beweisführung fällen, sind ein Skandal. Staaten, die Menschenrechte mit Füßen treten und sich ihre Täter selbst aussuchen, begehen ein Verbrechen.

Und ganz unabhängig davon, ob schuldig oder nicht schuldig, gilt für mich universell: Der Staat darf nicht töten.

GABRIELE MEIER-SESKE, Berlin

■ betr.: „Begnadigung oder Genickschuss?“, taz vom 23. 2. 13

Liza Krasavtceva verteidigt auf einer kompletten Seite der Samstagsausgabe in der taz nicht nur die Todesstrafe, sondern auch den Umstand, dass zwei Angeklagte ohne echte Beweise verurteilt werden, und letztlich – indirekt – sogar die Diktatur in ihrem Land. Klar, was soll sie auch anderes sagen, denn sie muss ja wieder nach Weißrussland zurück. Dass ihr ausgerechnet ihren Text zum Abdruck ausgewählt habt, finde ich leichtsinnig und pädagogisch fragwürdig!

DETLEF SCHEFFEN, Berlin

Der Bericht „Begnadigung oder Genickschuss?“ von Liza Krasavtceva in der Sonderbeilage der taz vom 23./24. Februar 2013 hat zu einer großen Kontroverse geführt – nicht nur unter unseren Lesern, sondern auch in der Redaktion. Keine Frage: Es gehört zum Selbstverständnis der taz, dass wir auch Gedanken und Argumentationslinien abbilden, mit denen wir überhaupt nicht übereinstimmen. Mehr noch, es ist unser aufklärerischer Auftrag, zu dokumentieren, mit welch menschenverachtender Propaganda Gewaltregime agieren. Darüber besteht in der taz kein Zweifel.

Die Kontroverse beginnt bei der Frage des Wie. Ist es die richtige Form, es einer weißrussischen, regimetreuen Befürworterin der Todesstrafe zu ermöglichen, einen eigenen Text in der taz zu veröffentlichen? Oder wäre nicht ein Interview angebrachter, in dem man zwar einen Einblick in ihre Gedankenwelt bekommt, aber ihr hetzerisches Anliegen durch kritisches Nachfragen stört. Wo verlaufen die Grenzen, gibt es Dinge, die in der taz gar nicht stattfinden dürfen, wer entscheidet darüber, was sind die Kriterien, an denen wir uns orientieren? Eine Diskussion, die wir intern sehr heftig führen und führen müssen, um uns immer wieder zu verorten. Die wir aber natürlich auch mit unseren Leserinnen und Lesern führen wollen. Deshalb heute diese Seite. INES POHL, CHEFREDAKTEURIN

Der Beitrag „Begnadigung oder Genickschuss?“ von Liza Krasavtceva ist ein Skandal. Dieser besteht nicht nur darin, dass die Autorin sich für die Höchststrafe ausspricht, sondern dass die taz dieses Plädoyer auch noch abdruckt – eine Zeitung, die sich in ihrer sonstigen Berichterstattung klar gegen die Todesstrafe positioniert.

Warum die Veröffentlichung? Der Beitrag entstand im Rahmen eines Osteuropaworkshops der taz Panter Stiftung mit 13 jungen Journalisten aus Russland, Weißrussland, der Ukraine und der Republik Moldau. Das Ziel solcher Seminare ist es, die Teilnehmer mit hiesigen journalistischen Standards und der Rolle von Medien vertraut zu machen, sich über zivilgesellschaftliches Engagement zu verständigen sowie sich über aktuelle Entwicklungen in den einzelnen Ländern auszutauschen. Mit Ausnahme der Republik Moldau sind in den anderen Ländern der ehemaligen Sowjetunion zunehmend autoritäre Tendenzen zu beobachten. In Weißrussland herrscht das repressivste Regime in der Region.

Grundsätzlich stellt sich bei Unternehmungen wie dem Osteuropaworkshop die Frage, an wen sich dieses Angebot richtet: nur an diejenigen, die sich in unabhängigen Medien für einen Wandel der undemokratischen Verhältnisse einsetzen? Oder auch an Vertreter staatlicher Medien, die Sprachrohr der Regierungspropaganda sind, mit der Idee, auch hier einen Lernprozess in Gang zu setzen. Bei dem Osteuropaworkshop fiel die Entscheidung in einem Fall zugunsten einer Teilnehmerin, die in einem staatlichen Medium in Weißrussland arbeitet – also der Verfasserin des Beitrages über die Todesstrafe.

An die erste Frage schließt sich eine zweite an: Sollen derartige Beiträge veröffentlicht werden? Die Antwort, über die man streiten kann, lautet Ja. Denn es wäre unglaubwürdig, über Pressefreiheit zu dozieren, aber gleichzeitig Meinungen zu deckeln. Zudem geben derartige Ansichten auch Aufschluss darüber, warum es heute in dem Land immer noch so aussieht, wie es aussieht. Und sie zeigen, warum die Arbeit der taz Panter Stiftung mit Journalisten in diesen Ländern auch weiter von großer Bedeutung ist. BARBARA OERTEL, LEITUNG DER AUSLANDSREDAKTION