Erneuter Angriff auf ARD-Reporter bei Recherchen

CHINA Schläger bedrohen deutsches TV-Team und zerschlagen die Frontscheibe seines Autos

AUS PEKING FELIX LEE

Chinas neue Führung verspricht offiziell Transparenz und mehr Rechtsstaatlichkeit. Bei lokalen Parteikadern scheint dies aber noch nicht angekommen zu sein. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von sechs Monaten hat ein Schlägertrupp ein ARD-Fernsehteam angegriffen. Der Übergriff ereignete sich am Mittwoch. Laut Augenzeugen könnte der örtliche Parteisekretär beteiligt sein. Zumindest gehöre ihm ein am Angriff beteiligtes Fahrzeug.

Wie der Verein der Auslandskorrespondeten in Peking (FCCC) berichtet, entging das deutsche Team um ARD-Leiterin Christine Adelhardt nur „knapp schweren Verletzungen“, als zwei Schläger mit Baseballkeulen auf den ARD-Wagen einschlugen.

Adelhardt war mit zwei deutschen und zwei chinesischen Mitarbeitern zu Dreharbeiten in dem Dorf Da Yan Ge Zhuang, 50 Kilometer östlich von Peking. Sie hatten zuvor Aufnahmen zur Urbanisierung gemacht – einem in China heiklen Thema, sind damit doch oft Enteignungen und Zwangsräumungen verbunden.

Schon während der Dreharbeiten seien sie von Männern beobachtet worden, die ihr „suspekt“ vorkamen, sagt Adelhardt. Darauf brach sie die Arbeiten ab.

Bei der Rückfahrt wurden sie von vier oder fünf Autos verfolgt. Die Unbekannten zwangen den ARD-Wagen zum Anhalten. Zwei Männer attackierten das Fahrzeug und zerschlugen mit Baseballschlägern die Windschutzscheibe. Weitere sechs bis acht Leute griffen den Kleinbus des Fernsehteams mit Fäusten an, berichtet Adelhardt. Dem ARD-Fahrer gelang es nur mit Mühe, den Angreifern zu entkommen.

Als das Team auf zwei Polizisten auf Motorrädern stieß und um Hilfe bat, schlugen die Angreifer erneut auf das Fahrzeug ein. Weitere Polizisten eskortierten das Team dann zur Wache der Stadt Sanhe. Vertreter der deutschen Botschaft in Peking eilten zur Hilfe. Mehr als 16 Stunden dauerte dann die Beweisaufnahme, so Adelhardt.

Im August hatte ein Schlägertrupp schon einmal das Team bei Dreharbeiten bedroht und angegriffen. Damals recherchierte die ARD vor einer Chemiefabrik in der Provinz Henan, um über die in China verbreitete Umweltverschmutzung zu berichten.

Auch damals konnte das Team nur unter Polizeischutz nach Peking zurückkehren. Später behaupteten die Behörden, Anwohner hätten das Team der Industriespionage verdächtigt. Dieses Mal, so Adelhardt, habe ein Polizist ihr zugesichert, dass sie mit den Dreharbeiten nicht gegen Chinas Pressegesetz verstoßen habe. Doch wäre es besser gewesen, vorher „eine Erlaubnis“ dafür einzuholen.

Die Behinderung ausländischer Korrespondenten hat in China offensichtlich System. In einer Umfrage des FCCC erklärten 98 Prozent der befragten Journalisten, internationale Standards seien für ihre Arbeitsmöglichkeiten nicht gewahrt. Obwohl seit den Olympischen Spielen 2008 klar ist, dass Interviews und Dreharbeiten auch ohne ausdrückliche Zustimmung der Behörden möglich sind, verwehren Lokalbeamte und Parteichefs Reportern immer wieder den Zutritt zu bestimmten Orten und schüchtern Gesprächspartner ein. Langjährige Korrespondenten sehen eine Verschlechterung der Lage.