Gipfel mit Hängen und Würgen gerettet

Auf dem Treffen der EU-Staaten mit den Mittelmeeranrainern in Barcelona werden vage Absichtserklärungen verabschiedet. Hauptstreitpunkte waren die Definition des Terrors und der Nahostkonflikt. Die Teilnahme aus dem Süden war schwach

AUS BARCELONAREINER WANDLER

„Wir müssen das zu Ende bringen, egal wie“, ließ der spanische Regierungspräsident José Luis Rodríguez Zapatero seiner Frustration neben einem versehentlich noch offenen Fernsehmikrofon freien Lauf. Nicht nur ihm, auch den meisten europäischen Teilnehmern auf dem EU-Mittelmeergipfel in Barcelona war gestern die Enttäuschung im Gesicht geschrieben.

Die EU hatte zehn Jahre nach Beginn der Kooperation im Rahmen des Barcelona-Prozesses zum Jubiläumsgipfel geladen. Doch die Staats- und Regierungschefs aus dem Süden blieben, bis auf den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, dem Treffen fern. Sie ließen sich von Ministern vertreten. Über die Abschlusserklärungen wurde bis zum Schluss in ermüdenden Sitzungen hart verhandelt.

„Zwei starke Erklärungen, ein Verhaltenskodex im Kampf gegen den Terrorismus und ein Fünf-Jahres-Arbeitsplan“ seien zum Schluss dennoch herausgekommen, versuchte der britische Premierminister Tony Blair, dessen Regierung den turnusmäßigen EU-Vorsitz innehat, den Gipfel doch noch als Erfolg zu verkaufen. Ein drittes Abschlussdokument, das ursprünglich vorgesehen war, konnte Blair nicht vorstellen. Darin sollte eine gemeinsame Bilanz der vergangenen zehn Jahre gezogen werden, die in eine „Gemeinsame Vision“ des Barcelona-Prozesses münden sollte. Bei dem Streitpunkt, an dem das Dokument scheiterte, soll es sich um einen Abschnitt zum Konflikt zwischen Israel und Palästina gehandelt haben.

Doch auch Blairs „starke Dokumente“ erweisen sich bei näherer Lektüre eher als oberflächlich und schwach. Zwar verpflichten sich im Verhaltenskodex alle 38 Teilnehmerländer auf eine gemeinsame Verurteilung sowie die Bekämpfung des Terrorismus. Doch die Antwort auf die Frage, was Terror sei, bliebt das Dokument schuldig. Bis zuletzt hätten die arabischen Länder verlangt, ein Recht auf Widerstand gegen Besatzung festzuschreiben, hieß es auf den Gängen. Israel lehnte dies zusammen mit den Europäern ab.

Auch der Fünfjahresplan ist in vielen Punkten nicht mehr als eine allgemeine Willensbekundung. So soll das Wohlstandsgefälle zwischen Nord und Süd verringert und eine Demokratisierung und eine nachhaltige Entwicklung in Gang gesetzt werden. Außerdem sollen legale Wege der Einwanderung nach Europa gestärkt und illegale Einwanderung mehr als bisher bekämpft werden.

Die EU-Finanzhilfe für die Nachbarn im Süden soll in den nächsten fünf Jahren deutlich aufgestockt werden. Die Rede ist von bis zu 15 Milliarden Euro. In den letzten zehn Jahren sind 20 Milliarden geflossen. Neun Milliarden waren direkte Hilfe, 11 Milliarden weiche Darlehen. Doch umsonst gibt es die Hilfsgelder nicht. So soll der Mittelmeerraum bis 2010 zu einer Freihandelszone werden. Der Süden soll seine Märkte nicht nur für Industriegüter aus Europa öffnen, sondern auch für Agrarprodukte und Dienstleistungen.

„Wir finden es demütigend, dass die Europäer von uns im Gegenzug für ein paar Euro Reformen verlangen“, schimpfte der algerische Staatsminister Abdelasis Belkhadem am Rande des Gipfels und drückte damit das Unbehagen aus, das sicher einer der Gründe für die schwache Beteiligung der arabischen Länder war. Die Reformen müssten vom Willen der jeweiligen Bevölkerung ausgehen. Der algerische Minister befürchtet, dass der euromediterrane Raum mehr und mehr auf einen Marktplatz für europäische Produkte reduziert wird. Er forderte stattdessen Raum für eine wirkliche Partnerschaft, in dem sich die Menschen frei bewegen könnten.