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Verbilligtes Ticket für den Grünen-ChefEin bisschen gewulfft

Grünen-Parteichef Cem Özdemir hat eine Fußballkarte vom Partyveranstalter Manfred Schmidt angenommen. Er musste wenig dafür bezahlen.

Bringt private und dienstliche Termine in Einklang – Grünen-Parteichef Cem Özdemir. Bild: dapd

BERLIN/RAMALLAH taz | Nach Christian Wulff geraten auch andere Politiker in den Sog von Enthüllungen, die ihnen eine unziemliche Nähe zu dem umstrittenen Eventmanager Manfred Schmidt nachweisen. So berichtet der Stern in seiner aktuellen Ausgabe, Grünen-Chef Cem Özdemir habe sich 2011 von Schmidt zu einem Fußballspiel nach Barcelona einladen lassen.

Für ein "Premiumticket" zu dem Match Barcelona gegen Real Madrid, beides prestigeträchtige Vereine der spanischen Liga, habe Özdemir lediglich 119 Euro erstattet. Bezahlt hatte Schmidt dafür aber 615 Euro. Auf Anfrage der taz bestätigte Özdemir, dass er Schmidt bereits von anderen Veranstaltungen kannte, als dieser ihm für das Fußballspiel eine Karte anbot. Er habe aber darauf bestanden, das Ticket selbst zu bezahlen und auch eine Rechnung zu bekommen, sagte Özdemir, der zurzeit in Israel und Palästina unterwegs ist.

Dass der Eintritt ins Stadion viel teurer gewesen ist als die Summe, die Schmidt von ihm verlangt habe, habe er nicht gewusst. "Wenn sich herausstellt, dass Herr Schmidt nicht den tatsächlichen Preis in Rechnung stellen ließ, werde ich die Differenz selbstverständlich begleichen", so Özdemir. Dies lasse er gerade überprüfen.

Die Kosten für Anreise und Übernachtung in Barcelona wurden aus der Parteikasse der Grünen beglichen. Dafür soll Özdemir am Spieltag ein Treffen mit den katalanischen Grünen sowie ein Interview mit einer spanischen Zeitung arrangiert haben, schreibt der Stern. Özdemir sagte dazu, die Grünen-Veranstaltung sei lange avisiert gewesen. "Warum sollte ich es nicht zu einem Zeitpunkt machen, der den katalanischen Parteifreunden sehr gut gepasst hat und bei dem es auch möglich war, abends dann bei diesem außergewöhnlichen Fußballspiel dabei zu sein?", fragte der Grünen-Chef.

Vergünstigungen auch für Koch-Mehrin und Beck

Der 63-jährige Eventmanager Manfred Schmidt ist zuletzt ins Zentrum der Affären um Bundespräsident Wulff gerückt. Als Wulff noch Ministerpräsident in Niedersachsen war, hatte Schmidt dreimal den sogenannten Nord-Süd-Dialog organisiert, ein Wirtschaftstreffen zwischen Niedersachsen und Baden-Württemberg. Der Partyzampano spendierte Wulff nach dessen Wahl zum Bundespräsidenten eine Siegesfeier am Brandenburger Tor. Wulffs Expressesprecher Olaf Glaeseker lud er mehrmals zum Gratisurlaub auf seine Finca in Spanien ein.

Auch Exstaatssekretär Friedbert Pflüger (CDU) und die EU-Politikerin Silvana Koch-Mehrin (FDP) haben Urlaube auf Schmidts Anwesen in Spanien und Südfrankreich verbracht, weiß das Hamburger Magazin zu berichten. Rheinland-Pfalzs Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) ließ sich 2008 auf Schmidts Kosten mit einem Privatjet von Berlin nach Hamburg fliegen.

Özdemir ist in Fragen der Inanspruchnahme von Vergünstigungen ein gebranntes Kind: Im Sommer 2002 stolperte er über die sogenannte Bonusmeilenaffäre. Vor der Bundestagswahl 2002 wurde bekannt, dass er auf Dienstflügen erworbene Bonusmeilen privat verwendet und einen günstigen Privatkredit des PR-Beraters Moritz Hunzinger angenommen hatte.

Daraufhin verließ er den Bundestag, verbrachte eine Auszeit in den USA und ging dann ins EU-Parlament, bevor er im November 2008 neben Claudia Roth zum neuen Parteivorsitzenden gewählt wurde.

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19 Kommentare

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  • C
    Cassandra

    Wo man hinschaut in der bunten Bananenrepublik: neurömische Dekadenz durch alle Farben. Wahlen ändern nichts, sonst bräuchte die Staatspyramide keine Korruption. Die taz hat vergessen, den grünen Wulff nach den Gefälligkeiten für den Partykönig zu fragen. Denn umsonst schmiert der Schmidt doch nicht seine Günstlinge.

  • K
    kroete

    Es darf nicht funktionieren, ein Unrecht gegen ein anderes Unrecht aufzuwiegen, um schlimmstenfalls bei gleichgewichtigen Vergehen Neutralität herzustellen bzw. kriminelles Handeln qua "Gewohnheitsrecht" gar als rechtens zu deklarieren.

    Die Diskussion zeigt, daß der politischen Klasse das Unrechtsbewußtsein gänzlich abhanden gekommen zu sein scheint, was bei einem Bobby - Car anfängt und Up-Grade-Flügen längst nicht zu Ende ist.

    Allein die Dreistigkeit dieser Selbstbedienungsmentalität zahlreicher Volksvertreter entlarvt deren Kleinkrämergeist und scheinbare politische Machtlosigkeit in einer Oligarchie der Unternehmen, was sie in keinster Weise entlastet.

    Es ist an der Zeit, daß diese Vergehen auch Konsequenzen für diese "Wulffs" an der Macht haben, um das Ansehen unserer Demokratie nicht dem freien Fall zu überlassen.

  • R
    Ralle

    Da haben wir also jemanden, der angeblich intelligent genug ist, um unsere Grünen im Ausland zu vertreten aber dann nicht in der Lage ist, den Ticketpreis für ein bekanntermaßen absolutes Topspiel zu erfragen.

    Und was es doch für Zufälle gibt: Treffen mit spanischen Kollegen, Interview und Spiel am gleichen Tag.

    Absahnen und dann die ahnungslose Unschuld geben; das übliche Muster halt!

  • HS
    Honi soit...

    Bleiben Sie bitte weiter im Amt, Herr Wulff! Denn je länger sie an ihrem ehrenwerten Sessel kleben bleiben, desto mehr schmutzige Wäsche wird auf allen Seiten gewaschen, und desto detailreicher wird das Lehrstück darüber, wie korrupt und verseilschaftet unsere gesamte politische Klasse in Wirklichkeit ist.

     

    Jetzt wäre es doch endlich an der Zeit, eine schon etwas angestaubte Diskussion wieder in Gang zu bringen: woher die mysteriöse Wahl- und Politikmüdigkeit in unserer Gesellschaft denn herrührt, und was man gegen sie unternehmen kann. Aber wenn man da jetzt weiter denkt, kommt man am Ende noch auf die Beobachtungsliste des Verfassungsschutzes ...

  • H
    Hernando

    Die Katze lässt das Mausen nicht.

  • T
    Tomate

    Es ist ja sehr erfreulich, dass die politische Rechte ihre monatelange Schreckstarre überwunden hat und jetzt kräftig auf SPD und Grüne zurückschießt (Beck hat ja offenbar auch "gewulfft"). Jeder zieht jeden in den Schmutz, und Recht haben sie alle.

     

    Denn jetzt haben wir nicht nur einen Bundespräsidenten, der weiter am Sessel klebt und auf diese Weise zu einem bleibenden Mahnmal dafür geworden ist, wie tief unsere politische Klasse mittlerweile gesunken ist. Nein, jetzt bekommen wir auch noch eingetrichtert, dass diese Seilschafterei, diese legale, nicht-justitiable Korruption auch tatsächlich die ganze politische Klasse, quer durch alle Parteien, umfasst. Das ist ein glänzendes Stück politischer Pädagogik, da kann man sich doch nur zurücklehnen und genießen. Nur bei der Linken bin ich mir nicht so sicher, was die Verfilztheit angeht, aber das mag auch nur daran liegen, dass sie derzeit noch alle ausbuhen und noch keiner mit ihr spielen will.

     

    Kommen Sie schon, Herr Özdemir. Jeder, der Geld und Einfluss hat in unserem Land, weiß doch, dass Sie zu den Grünen gehören, mit denen man Staat machen kann. Dass Sie kein verbohrter Idealist, kein Grüner vom Typ Ströbele sind, sondern ein umgänglicher und vernünftiger Pragmatiker, den man auch gerne mal zu einem Treffen der Machtelite wie etwa zur Bilderberg-Konferenz einlädt. Herzlichen Glückwunsch und willkommen in der Famiglia! Sie sind angekommen in unserer Gesellschaft, und mit ihnen Ihre wunderbare Grüne Partei. Ganz entzückend.

  • HE
    Heike Ebstein

    Oh oh der Herr Özdemir,

    war das nicht der Politiker, der am lautesten den Rücktritt von Herrm Wulff forderte?

    Herzlichen Glückwunsch! Manche merken es echt nicht mehr...

  • TS
    Thomas Schulte-Ladage

    Wie kann ein Parteivositzender der schon vorgeschädigt ist so unsensibel sein? Wenn man ein Ticket von einem möglichen Gönner kauft, sollte der er in der Lage sein zu rechercheiren was ein solches Ticket real kostet, und sich nicht auf eine Proforma Rechnung verlassen. Sonst verkauft ein Versicherungschef demnächst Dortmund Tickets für einen Euro. Natürlich mit Rechnung.

  • G
    G.Nau

    Wer mit Hunzinger mit von ihm gesponzerten und/oder geliehenem Geld einkaufen geht, mit M.Schmidt billig Fußball guckt, sich in den dubiosen transatlantischen Kaderschmieden mit Guttenberg und Co. rumtreibt, bzw. "ausbilden" lässt, zu Protestveranstaltungen wie Stuttgart21 mit dem Hubschrauber einfliegt, und ansonsten immer und überall den Schwiegermutterliebling mimt usw., vor dem sollte man sicht in Acht nehmen, am Ende stellt sich heraus, er ist ein ganz gewöhnlicher...Politiker.

  • G
    G.Nau.

    Wer mit Hunzinger mit von ihm gesponzerten und/oder geliehenem Geld einkaufen geht, mit M.Schmidt billig Fußball guckt, sich in den dubiosen transatlantischen Kaderschmieden mit Guttenberg und Co. rumtreibt, bzw. "ausbilden" lässt, zu Protestveranstaltungen wie Stuttgart21 mit dem Hubschrauber einfliegt, und ansonsten immer und überall den Schwiegermutterliebling mimt usw., vor dem sollte man sicht in Acht nehmen, am Ende stellt sich heraus, er ist ein ganz gewöhnlicher...Politiker.

  • B
    Boris

    Historisch betrachtet, hat nicht Özdemir ein bisschen gewulfft, sondern Wulff ein bisschen geözdemirt. Richtig ist allerdings, dass diese Ministory lediglich ein Abfallprodukt der großen Wulff-Jagd darstellt. Wenn man so will, eine Ersatzbefriedigung, weil der kapitale Präsi-Hirsch nicht fallen will.

  • JK
    Juergen K.

    Die Einzigen, die NICHTS annehmen dürfen,

     

    sind Hartz4 Empfänger.

     

    Und das durch Gesetz.

  • V
    vic

    Özdemir, seines Zeichen Mitglied der honorigen Atlantikbrücke, ist durchaus offen für derartige Zuwendungen, aber Bundespräsident ist er nicht.

    Also bitte Wulff nicht bagatellisieren.

  • Y
    york

    zitat: "Warum sollte ich es nicht zu einem Zeitpunkt machen, der den katalanischen Parteifreunden sehr gut gepasst hat und bei dem es auch möglich war, abends dann bei diesem außergewöhnlichen Fußballspiel dabei zu sein?", fragte der Grünen-Chef.

     

    tja, warum? vielleicht weil das spaeter scheisse aussieht, wenn es in der zeitung steht? das ungerechte an der ganzen sache ist, dass viele langsam den eindruck kriegen, "die da" seien alle gleich. das sind sie naemlich nicht.

  • Y
    yberg

    lafontaine behauptet in der SÜDDEUTSCHEN,daß BMW den parteien kostenlos fahrzeuge stellt und bis auf DIE LINKE alle parteien dieses angebot nutzen.

     

    wär doch lustig,wenn der OBERGRÜNE imressario ÖZDEMIR damit durch die gegend geschaukelt wird und ooch CLAUDI

    ROTH in so ner BMW scheese den diskreten scharm det kapitals erfahren läßt.

     

    am besten isses,wir schließen jetzt das kapitel WULFF,sonst gelangt noch breiten bevölkerungskreisen zur kenntnis,daß es sich bei den parteien um unselbständige konzernniederlassungen der DAX 30 unternehmen handelt und viele abgeordnete große probleme damit hätten der BBAAZZOOOOKKAA und dem GESCHENKE_und BENEFITHAGEL einer agressiven GESCHENKEWIRTSCHAFT auszuweichen und zu entkommen.

     

    ick hab imn meiner aktiven zeit meinen einkäufern immer gesacht,sie sollten mir bestechungsversuche melden,ich würde mehr zahlen,was ich ooch gemacht habe,denn schlußendlich haben dies dann die lieferanten doppelt und dreifach über rabatte bezahlt,weil sie plötzlich erpressbar waren.

     

    ich bin auch zwischenzeitlich der meinung wir sollten abgeordneten mandate meistbietend versteigern,dann wärn die öffentlichen kasssen nicht so leer.

     

    nicht nur die hoffnung stirbt zuletzt,ab und an auch mein ZYnismus

  • G
    Gruner

    Warum ist das eigentlich für jemanden, der doch ordentlich bezahlt wird, so schwer, da zu widerstehen? Und er hat doch schon seine Lektion gehabt. Ich versteh's einfach nicht.

  • W
    Wolf

    Das was öffentlich wird, ist doch nur die Spitze

    vom Eisberg.

     

    Solange es für Politiker/Politik immer noch Sonderrechte, wie

     

    Immunität

    Nebenjobs, wie Aufsichtsratstätigkeiten (legalisierte Bestechung)

    Überversorgung

     

    und das wichtigste

     

    keine Möglichkeit des Volksentscheides

     

    gibt, solange werden die Masse der Politiker

    absolute Nehmerqualtiäten, vielfach auch unversteuert genießen können.

     

    Politik + die meisten Politikschwätzer sind zum

    Selbstbedienungsladen verkommen.

    Eine Steigerung der Nehmerqualtiäten ist bei dem annonymen und unnötigen Haufen der meisten EU-Politschwätzer gegeben!

     

    Das ganze wirkt dann in dem sozialen gesellschaftlichen Körper wie das schmutzigste Brechmittel !

  • L
    leudoc

    Liebe taz,

    wenn der Anschein gewahrt werden soll, daß jetzt in alle Richtungen objektiv berichtet wird, dann bitte auch die bekannten Tatsachen nennen. Soweit ich mich erinnere hat Herr Özdemir keinen Privatkredit erhalten, sondern ein zinsloses (!) Darlehen. Und er hat es auch nicht für den Bau/Kauf eines Hauses erhalten (was ja einen gewissen Gegenwert und damit eine Kreditsicherung darstellt), sondern ohne Sicherheit in finanziell angeschlagener Lage. Man kann solche Vorteilsnahmen nicht gegeneinander aufrechnen, aber jeder sollte sich ein Bild machen können, wer sich in welcher Weise angreifbar gemacht hat und wen man daher für mehr oder weniger glaubwürdig hält.

  • T
    Tino

    Cem Özdemir ist der Grüne Wulff!

     

    Er hat ebenfalls einen Kredit stark verbilligt bekommen, Bonusmeilen privat unterschlagen und nun auch noch Tickets verbilligt. Rücktritt!