Mordanschlag auf Karikaturisten

DÄNEMARK Nur durch einen speziellen Schutzraum hat sich Kurt Westergaard vor einem Angriff eines Somaliers retten können. Der wollte „Rache“ für die Mohammed-Karikaturen

Al-Schabab-Miliz: „Wir haben Verständnis dafür, dass er versuchte, den Mann zu töten“

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Breite Empörung hat ein Mordversuch auf den dänischen Karikaturenzeichner Kurt Westergaard ausgelöst. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen sprach von einem „abscheulichen Angriff auf unsere offene Gesellschaft und Demokratie“. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ erklärte, auch wenn es Muslime gebe, die über Mohammed-Karikaturen von Westergaard schockiert gewesen seien, sei eine „derartige Gewalt und Intoleranz“ durch nichts zu rechtfertigen.

Am Freitagabend war ein 28-jähriger in Dänemark lebender Somalier in das Haus Westergaards im dänischen Århus eingedrungen, nachdem er die Glasscheibe der Eingangstür mit einer Axt zerschlagen hatte. Der 74-jährige Karikaturist flüchtete sich daraufhin in ein zum Sicherheitsraum umgebautes und mit einer Stahltür versehenes Badezimmer. Eine im ebenfalls im Hause anwesende Enkeltochter des Karikaturisten wurde von dem Täter nach Polizeiangaben nicht bedroht. Die nach wenigen Minuten am Tatort eingetroffene Polizei soll der Eindringling unter Schreien wie „Rache“ und „Blut“ mit einer Axt und einem Messer bedroht haben. Daraufhin schossen die Beamten ihm in den linken Oberschenkel und in die rechten Hand. Am Samstag ordnete ein Gericht für den Mann, dessen genaue Identität noch nicht offiziell bekannt gemacht wurde, wegen Mordversuch eine zunächst auf 25 Tage befristete Untersuchungshaft an.

Westergaard war vor vier Jahren als Zeichner einer der zwölf von der dänischen Tageszeitung Jyllands-Posten veröffentlichten Karikaturen des Propheten Mohammed bekannt geworden. Diese hatten zu Protesten und gewaltsamen Ausschreitungen in der muslimischen Welt und zu einem Boykott dänischer Waren geführt. Der Karikaturist war danach mehrfach bedroht worden. Vor zwei Jahren behauptete der dänische Verfassungsschutz PET, ein Mordkomplott gegen ihn aufgedeckt zu haben, und klagte deshalb zwei Personen tunesischer Herkunft wegen Verstoßes gegen das Antiterrorgesetz an. Statt eines Gerichtsverfahrens erfolgte aber nur eine Ausweisung der Verdächtigen, weil PET vor Gericht die Quellen seiner Erkenntnisse nicht lüften wollte.

Laut Presseangaben vom Sonntag waren zwar in den letzten fünf Jahren vier Polizeibeamte mit dem ausschließlichen Schutz von möglichen Zielen in Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit beschäftigt. Eine Rund-um-die-Uhr-Bewachung Westergaards fand aber nicht statt. Seit Samstag hat der Zeichner durchgehend Polizeischutz.

Der dänische Verfassungsschutz spricht derzeit vom Verdacht einer engen Verbindung zur radikalislamischen somalischen Al-Schabab-Miliz und Kontakten zum Terrornetzwerk al-Qaida in Ostafrika. Der Festgenommene habe zu einem dänischen Netzwerk gehört, das PET seit Herbst überwache. Verdachtsmomente, die ein Einschreiten erforderlich gemacht hätten, habe man aber nicht gehabt. Pressemeldungen aus Kenia, wonach der Mann im September 2009 unter dem Verdacht der Planung eines Anschlags auf US-Außenministerin Hillary Clinton verhaftet gewesen sein soll, stellte Dänemarks Kenia-Botschafter Bo Jensen gegenüber der Tageszeitung Berlingske Tidende infrage. Zwar sei dieser tatsächlich mehrere Wochen in Haft gewesen, aber angeblich nur, weil mit seinen Ausweispapieren etwas nicht in Ordnung gewesen sei.

Gegenüber der Kopenhagener Politiken bestritt ein Al-Schabab-Sprecher in Mogadischu jede Beziehung des Attentäters zu dieser Organisation: „Er ist nicht unser Mitglied, aber wir haben Verständnis dafür, dass er versuchte, den Mann zu töten, der unseren Propheten verhöhnt hat.“ Der Sprecher des Somalischen Netzwerks in Dänemark, Mohamed Gelle, verurteilte dagegen den Anschlagsversuch als „empörend und schockierend“.

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