piwik no script img

Kommentar TurkmenistanRohstoffpolitik für Diktatoren

Marcus Bensmann
Kommentar von Marcus Bensmann

Die Präsidentenwahl in Turkmenistan ist die größte Demokratieverhöhnung überhaupt. Die EU-Rohstoffpolitik zeigt, dass aus Fehlern nicht gelernt wurde.

T urkmenistan lässt den Präsidenten wählen. Der Urnengang im erdgasreichen Land am Kaspischen Meer ist die größte Demokratieverhöhnung überhaupt. Und die ehemalige Sowjetunion ist ja nicht eben arm an Despoten. Selbst die OSZE weigerte sich, Beobachter zur Wahl in dem zentralasiatischen Land zu entsenden. Aus gutem Grund. Dann könnte man auch gleich Leute in Nordkorea nach Anzeichen von Demokratie suchen lassen.

Der Unterschied ist aber: Während die Herrscherclique in Pjöngjang weitgehend isoliert ist, umwirbt die EU den turkmenischen Diktator Gurbanguly Berdymuchammedow. Turkmenisches Gas soll über das Kaspische Meer gebracht werden und helfen, die geplante Nabuccopipeline von Baku über die Türkei nach Europa zu füllen.

So will die EU und allen voran Deutschland das russische Gasmonopol unterlaufen. Daher lud Kanzlerin Angela Merkel 2008 den turkmenischen Tyrannen nach Berlin ein und 2010 traf sie ihn zu einem Gespräch während des OSZE-Gipfeltreffens in Kasachstan. Auch Guido Westerwelle eilte 2011 in die turkmenische Hauptstadt, um sich vor Berdymuchammedows goldenen Thron zu setzen.

Markus Bensmann

berichtet für die taz aus Zentralasien.

Natürlich kennt auch die deutsche Industrie keine Hemmungen. Der Energiekonzern RWE sucht im Kaspischen Meer nach Rohstoffen und gehört zum Konsortium der Nabuccopipeline. Auch Siemens und Daimler machen im Wüstenland dicke Geschäfte. Der Autobauer akzeptierte 2010 eine dreistellige Millionenstrafe wegen weltweiter Korruption. In Turkmenistan hatte er nachweislich drei Millionen US-Dollar für Bestechung aufgewandt.

Die EU-Rohstoffpolitik zeigt, dass nichts aus Fehlern im Umgang mit arabischen Diktatoren gelernt wurde. So lange das Geschäft stabil ist, sind Menschenrechte nachrangig.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Marcus Bensmann
Auslandskorrespondent Zentralasien
„Das liegt doch irgendwo in Russland“ oder „Samarkand?  Seidenstrasse?“ sind zwei häufige Antworten, wenn ich in Deutschland von meiner Arbeit in Zentralasien erzähle. Die Region zwischen dem Kaspischen Meer und chinesischer Grenze tut sich auch 20 Jahre nach der Unabhängigkeit schwer, einen Platz in der Wahrnehmung der deutschen Öffentlichkeit zu erobern.Mich aber faszinieren Turkmenistan, Usbekistan, Kasachstan, Kirgistan und Tadschikistan seit vielen Jahren, obwohl in den Redaktionen das ungeschriebene Gesetz gilt,dass Veröffentlichungschancen sinken, je mehr Stans in einem Satz vorkommen. Ich berichte aus dem Hinterland des Natokrieges in Afghanistan über Aufstände, Revolutionen,Wasserkriege und wie deutsche Politiker mit dem usbekischen DespotenIslam Karimow kungeln, um sich die Bundeswehrbasis in dessen düsteren Reich an der afghanischen Grenze zu sichern.Ich nehme die Ereignisse selbst in Augenschein und berichte in Zentralasien oft als einer der ersten, manchmal sogar als einziger, vom Ort des Geschehens. Sei es bei den zwei Machtumstürzen (2005 und 2010), und dem ethnischen Konflikt in Kirgistan (2010), dem Massaker in der usbekischen Provinzstadt Andischan (2005), den Ölarbeiterstreiks in der westkasachischen Steppenstadt Schanaozen und dessen blutigem Ende (2011), und den Gefechten in der tadschikischen Pamirprovinz Badachschan (2012). Ich, Jahrgang 1969, arbeite seit 1994 aus Zentralasien für Schweizer und deutsche Medien. Seit 2006 bin ich zudem dort als taz-Korrespondent tätig. Ich halte Vorträge zu Zentralasien und beteilige mich an Podiumsdiskussionen. Deutschland:+491795057442 Kirgistan:+996777565575

3 Kommentare

 / 
  • V
    vic

    Und Merkels Schleimspur von Nasarbajew in Kasachstan glänzt noch.

    Rohstoffe vor Recht und Humanismus.

  • H
    hauseingang

    Wenn der Kleine Prinz Turkmenistan besucht hätte, hätte er bestimmt nach der Lieblingsfarbe des Diktators gefragt. Die ist nämlich weiß, wie seine Zähne vielleicht. Denn der Herr war in seinem früheren Job der Zahnarzt seines Vorgängers, der ihn wegen der hervorragenden Dienste wohl zu seinem Ex ernannt hat. Soll wohl ziemlich unblutig gewesen sein. Wie viele Menschen hat dieser grausame Mensch eigentlich schon dahin gemetzelt, weil sie ihre Meinung nicht frei äußern können? Steht leider nicht im Artikel drin. Wie viele Menschen er an der Grenze einfach abgeknallt hat, weil die nach Russland reisen wollten, um sich dort einmal ein Bild zu machen, wie es mit der Diktatur steht? Steht im Artikel auch nicht drin. Was der Diktatur mit dem Geld macht, was er aus dem Gasgeschäft mit der EU abkassiert, steht auch nicht im Artikel. Was steht eigentlich in diesem Artikel drin? Eine theoretische Abhandlung über Diktaturen? Eigentlich steht in diesem Artikel nichts handfestes drin. Er ist Handkäs ohne Musik und fängt schon etwas an zu riechen. Solche schlechten Artikel kann jeder beim Kaffee zwischen Berlinale Film und Käsekuchen schreiben, wenn er einen WLAN-Anschluss hat. Mit Journalismus hat dies nichts zu tun. Da müsste man schließlich recherchieren und Fakten auf den Tisch legen. Aber das ist so unglaublich teuer, dass man damit keine Online-Ausgabe mehr gestalten kann. Vielleicht sollte man vorher das Geld einsammeln, das für gut Artikel notwendig ist. Spenden Sie für den noch zu schreibenden Artikel über von mir aus Turkmenistan. Mit der entsprechenden Arbeitshypothese, die der Autor dieses Artikels, für den ich eher Geld verlangen als zahlen würde, vertritt. Wenn es einen Preis für schlechten Journalismus gäbe, dann wäre dieser Artikel eine Nominierung Wert.

  • M
    Marvin

    Welche Fehler?

    Es handelt sich doch nicht um Versehen. Genau das IST die Taktik: Diktaturen hofieren, so lange sie (für das Kapital) nützlich sind & sie im richtigen Moment fallen lassen, in dem sie (für das Kapital) gefährlich werden könnten.

     

    Da darf man, denke ich, keine große Einsicht erwarten!

    Der Schah von Persien hat sich "dem Westen" genehm verhalten, der Herr Lumumba eben nicht. So ist das.

     

    Zu weiteren Hintergrundinformationen lesen Sie die Kolumnen von Ulrike Marie Meinhof & Fidel Castro oder befragen Sie Evo Morales & Hugo Chavez. Ist doch alles kein großes Geheimnis.