IN DER S-BAHN
: Kampfmittel

Kennste einen, kennste alle

Die S-Bahn fällt aus. Als Grund steht auf der Anzeigetafel: „Kampfmittelbeseitigung“. Jedes Mal, wenn das Wort Weiß auf Blau über die Anzeige läuft, holt jemand das Smartphone raus und macht ein Foto. Leute kichern. Niemand versteht, was das soll. Rechts neben mir sagt jemand was über Laserschwerter. Leute rufen Leute an und sagen, dass sie später kommen. Es ist kalt. Jemand flucht.

Links neben mir klingelt der Arsch einer Frau, aber sie merkt es nicht, weil sie dicke Kopfhörer auf den Ohren hat. „Der nächste Panzer kommt bestimmt“, sagt eine Frau. Und er kommt, aber nur als normale S-Bahn. Sie ist gar nicht so voll, aber es ist auch 13 Uhr, eher so Rentnerzeit. Zwei Frauen sitzen mir gegenüber und reden über Filme. „Ich gucke ja nur noch Dreiergeschichten“, sagt die eine. Ihr Arm ist eingegipst. „Das sind die besten“, sagt die andere. „Wirklich“, sagt die Erste. „Das gibt mir irgendwas. Ist doch gut.“ Sie sieht aus, als wenn sie darüber reden will. „Hast du schon ein Geschenk für Bernd?“, fragt die andere Frau. „Ja, dieses T-Shirt-Faltgerät. Damit hab ich mir doch den Arm gebrochen.“ Beide lachen. Sie reden über Serien und darüber, dass sogar die Mutter der einen gerne „Big Bang Theory“ guckt, obwohl sie schon 76 ist.

Nebenan haben sich zwei Männer hingesetzt, die sich damit übertrumpfen, wer beim Flaschensammeln den höheren Tagessatz macht. „Fümmunzwanzig“, sagt der Erste. „Fummundreißig locker“, sagt der Zweite. „Aber ick bin da nicht so versessen“, sagt der Erste, „ich nehme nur, was echt so rumliegt und so.“ Die Frau mit dem Gipsarm guckt rüber. Purer Unglaube in ihren Augen. „Von dem, was rumliegt, kommt man doch nicht auf fünfundzwanzig Euro!“, flüstert sie zu ihrer Nebenfrau. „Männer!“, flüstert die zurück. Die Erste schüttelt den Kopf. „Kennste einen, kennste alle“, sagt sie. „Kennste“, sagt die andere.

MARGARETE STOKOWSKI