die wahrheit: Schlafende Kräfte

Die CSU soll von V-Leuten des Verfassungsschutzes verschont bleiben. Die Behörden setzen lieber auf Aussteiger. Hintergrund ist ein interner Bericht des Verfassungsschutzes.

Vorsitzender einer randständigen Partei, die vom Staatsschutz beobachtet wird: Horst Seehofer. Bild: dapd

Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) hat sich dagegen ausgesprochen, Informanten des Verfassungsschutzes in die CSU einzuschleusen. "Ich halte es für wesentlich effizienter, auf Aussteiger zu setzen als auf V-Leute", sagte sie - auch um "ein mögliches Parteiverbotsverfahren" nicht zu gefährden.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) habe bereits entsprechende Maßnahmen eingeleitet, berichtete BfV-Präsident Heinz Fromm: Mit einem speziellen Programm wolle man "Menschen erreichen, die in den Einflussbereich der CSU geraten sind, sich daraus lösen wollen und aus eigener Kraft den Ausstieg nicht schaffen".

Hintergrund der Äußerungen ist ein interner Bericht des Verfassungsschutzes. Daraus geht hervor, dass der Tätigkeitsbereich der Sicherheitsbehörde offenbar noch weitreichender ist als bisher bekannt. Demnach beobachtet das BfV nicht nur die Partei Die Linke und die NPD, sondern auch die Christlich-Soziale Union (CSU).

Schon seit längerer Zeit seien ranghohe Abgeordnete mit Reden und öffentlich zugänglichen Schriften aufgefallen und hätten einen "Anfangsverdacht verfassungsfeindlicher Tendenzen" genährt, erklärte Fromm. Insbesondere die Wortwahl von Parteichef Horst Seehofer in der Debatte um Zuwanderung habe die Geheimdienstler "aufmerken lassen".

Seehofer hatte im Oktober 2010 gesagt, Deutschland dürfe nicht "zum Sozialamt für die ganze Welt" werden. Auch Generalsekretär Alexander Dobrindt sei im Visier der Verfassungsschützer, seitdem er sich öffentlich gegen "Zuwanderung in unsere Sozialsysteme" ausgesprochen hatte: "Einfach die Schleusentore hochzuziehen, kann niemand verantworten."

Ebenso zeige das CSU-Parteiprogramm "erhebliche Hinweise" auf eine "extremistische Grundhaltung" in Bezug auf Einwanderer. "Die Integrationsfähigkeit unseres Volkes hat Grenzen", zitierte Fromm daraus: "Keine Gemeinschaft kann Menschen anderer kultureller Prägung in beliebiger Zahl integrieren. Wir setzen uns dafür ein, den Personenkreis und den Umfang der Zuwanderung entsprechend den Interessen unseres Landes und der gesellschaftlichen Situation zu begrenzen und zu steuern." Und: "Wir wollen keine Zuwanderung, die unsere Sozialsysteme einseitig belastet."

All diese Zitate wiesen eine deutliche Nähe zur NPD auf, sagte Fromm. Im Programm der rechtsextremen Partei heißt es: "Der deutsche Gesetzgeber hat es verschlafen …, die Einwanderung an gewisse qualitative Standards zu binden. Er hat nicht darauf geachtet, dass die Einwanderer unserem Land nützen, sondern hat die Schleusen für alles und jeden geöffnet … Auf den Gedanken, dass ein Sozialsystem, welches sich für die ganze Welt öffnet … zum Scheitern verdammt ist, will oder besser gesagt soll niemand kommen."

Fromm erklärte, dieses offensichtlich von der CSU geteilte "Gedankengut" stehe in "fundamentalem Widerspruch" zum Grundgesetz. "Wir mussten uns entscheiden, ob wir die NPD in den Kreis der demokratischen Parteien aufnehmen oder ob wir die CSU zu den extremistischen Kräften zählen", sagte Fromm. "Da gab es allerdings keine zwei Meinungen."

Der Verfassungsschutzpräsident bestätigte, es gebe Überlegungen, V-Leute in die Partei einzuschleusen, um die Führungsriege sowie weite Teile der Abgeordneten "noch wirksamer" beobachten zu können. Die Geheimdienst-Kontrolleure des Bundestages hätten diese Vorgehensweise auch gebilligt. Der Staatsschutz handle entsprechend seiner gesetzlichen Grundlage, sagte der Vorsitzende des Parlamentarischen Gremiums zur Kontrolle der Geheimdienste, Peter Altmaier (CDU): "Extremistische Aktivitäten dürfen und müssen vom Verfassungsschutz beobachtet werden - Schwesterpartei hin oder her."

Man müsse die CSU an ihren eigenen Maßstäben messen, argumentierten SPD und Grüne im Bundestag. Im Rahmen der politischen Aufarbeitung der Neonazi-Morde habe Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich schließlich selbst der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Deutschland "eine hohe Priorität" zugeschrieben. Auf die Überwachung der eigenen Partei reagierte er nun allerdings empört. Das Amt habe "eine Meise", so Friedrich. Er forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, das BfV anzuweisen, die Beobachtung einzustellen.

Wie aus Parteikreisen zu erfahren war, halte sich die CDU-Chefin in dieser Frage aber zurück, um "keine schlafenden Hunde zu wecken" und das Augenmerk der Staatsschützer nicht auf sich zu lenken. Schließlich habe sie selbst Horst Seehofer unterstützt und gesagt, "Multikulti" sei "gescheitert", sowie von militärischer "Flüchtlingsbekämpfung" gesprochen. "Da halte ich mal lieber den Ball flach", soll Merkel an Friedrich gesimst haben.

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