Weltmeister David Storl übers Kugelstoßen: "Ballett habe ich noch nie getanzt"
Weltmeister David Storl erzählt von den ewig wiederkehrenden Anfängen, dem eigenen Wunschgewicht und warum in London im Sommer auch Platz 5 zufriedenstellend wäre.
taz: Herr Storl, was macht das Gewicht?
David Storl: Ganz normal. Zurzeit wiege ich 120 Kilo.
Wie viel mehr ist das im Vergleich zum Vorjahr?
Das müssten zwei Kilo sein, aber so genau weiß ich das gar nicht.
Mit Ihren nun 120 Kilo verteilt auf 1,98 Meter Körpergröße zählen Sie nach wie vor zu den Schmächtigen in der Welt der meist doch recht dickbäuchigen Kugelstoßer. Was wäre Ihr Wunschgewicht?
ist mit 21 Jahren der bislang jüngste Kugelstoßweltmeister. Den Titel gewann er bei der WM 2011 im südkoreanischen Daegu. Zuvor stand der in der Nähe von Chemnitz geborene Athlet bereits bei zwei Juniorenweltmeisterschaften ganz oben auf dem Siegerpodest. Der 1,97 Meter große Storl startet für den LAC Erdgas Chemnitz und wird von Sven Lang trainiert.
Das ist schwer zu sagen. Ich muss einfach so viel wiegen, dass ich noch gut bin. Wenn ich plötzlich viel mehr wiege, könnte es ja auch sein, dass ich zu langsam werde. Die Relationen müssen da schon stimmen. Es muss einfach passen.
Prinzipiell ist es aber schon so, dass mehr Masse im Kugelstoßen mehr Kraft bedeutet. Ist das der Faktor, den Sie noch am meisten verbessern können?
Na ja, ich glaube nicht, dass ein dicker Bauch was mit Kraft zu tun hat. Man muss da schon schauen, dass die Kraftleistung hoch geht - und nicht nur der Bauchumfang. Das soll ja nicht träge Masse sein, sondern aktive Kraft. Sonst bringt das nichts beim Beschleunigen der Kugel. Insgesamt, da haben Sie recht, gibt es bezüglich Maximalkraft und Körpergewicht bei mir noch Spielraum nach oben. Aber mit zunehmendem Alter kommt das noch.
Wie schwer fällt es Ihnen, Kilos draufzupacken?
Also leicht fällt es mir nicht. Durch das Training, das ich täglich betreibe, verbrauche ich ja eine Menge Kalorien. Wenn man dabei noch zunehmen will, muss man schon eine Menge essen.
Was Technik und Dynamik anbelangt, gelten Sie bereits als weitgehend ausgereift.
Nein, mit 21 wäre es vermessen zu sagen, dass man schon ausgereift ist. Ohnehin fängt man zu Saisonbeginn immer ein Stückchen weiter hinten an, als man am Saisonende aufgehört hat. Es ist immer wieder schwer, in der Technik richtig gut zu sein.
Festhalten kann man dennoch, dass Ihre Technik als vorzüglich gilt. Die FAZ hat Ihnen unlängst gar die "Fußarbeit einer Balletteuse" bescheinigt.
Also Ballett habe ich noch nie getanzt. Aber ich muss natürlich etwas haben, womit ich die Defizite, die ich derzeit noch in der Maximalkraft und im Körpergewicht habe, ausgleichen kann. Ich muss das eben über die Technik wettmachen.
Herr Storl, letzten Sommer sind Sie in Daegu mit 21 Jahren der erste deutsche Kugelstoß-Weltmeister geworden - und der jüngste aller Zeiten. Wie fühlt es sich an, Weltbester zu sein?
Wie Sie gesagt haben: Das war letztes Jahr und sicherlich ein toller Jahreshöhepunkt. Aber dieses Jahr muss ich wieder von vorne anfangen, um diesen Erfolg bestätigen zu können.
Den Titel haben Sie mit Ihrem letzten Stoß auf 21,78 Meter gewonnen. Um das hinzukriegen, muss man wohl eine ziemlich coole Socke sein, oder?
Na ja, ich war schon aufgeregt. Aber ich hatte ja schon Silber. Da wäre es nicht der Weltuntergang gewesen, wenn ich nicht Gold gewonnen hätte. Von daher war ich trotz aller Aufregung doch ziemlich locker und hatte meinen Spaß.
Stimmt es, dass die Menschen Sie seitdem bei den Meetings schon beim Einstoßen, also beim Warmmachen bejubeln?
Das hat vielleicht damit zu tun, dass ich beim Einstoßen meist weiter stoße als im Wettkampf. Außerdem muss man beim Einstoßen nicht immer gültig stoßen und kann auch mal ein bisschen Risiko gehen. Für die Zuschauer ist das natürlich eine Show.
Warum wird ein junger Mann überhaupt Kugelstoßer?
Ich bin da eher durch Zufall reingerutscht. Ursprünglich habe ich Mehrkampf gemacht. Als dann mein Trainer gestorben ist, war keiner da, der das weitermachen konnte. Weil ich der beste Werfer war, wurde ich Kugelstoßer.
Sie wurden 2007 U18-Weltmeister, haben 2009 einen U20-Weltrekord aufgestellt und waren bereits 2010 EM-Fünfter bei den Männern. Das hört sich nach einer Karriere nach Plan an. Ist dem so?
Nein, so würde ich das nicht sagen. In der Jugend kann man gerade im Kugelstoßen über viel Krafttraining zum Erfolg kommen. Oft ist es dann aber so, dass diese Jugendlichen einbrechen, sobald sie in den Männerbereich kommen. Bei mir hingegen war schon immer das große Ziel, irgendwann mal bei den Männern gut zu sein. Das habe ich jetzt erreicht.
Was könnte der nächste Karriereschritt sein?
Das weiß ich doch nicht. Jetzt steht erst mal die Hallen-WM im Vordergrund. Das ist schwer genug. Die Spitze im Kugelstoßen ist so dicht geworden, da kann man auch mit einer richtig guten Leistung nur Fünfter werden.
Bei den Olympischen Spielen im Sommer in London sind Sie als Weltmeister wohl automatisch einer der Goldfavoriten. Wie gehen Sie damit um?
Indem ich den Druck senke und die Dinge realistisch sehe.
Nämlich?
Ich war Ende letzten Jahres Sechster der Weltrang-Bestenliste und nicht Erster. Die Jungs sind alle richtig gut. Da sind welche dabei, die haben schon fünfmal über 22 Meter gestoßen. Das heißt, dass man mit einer Leistung wie der meinen bei der WM bei Olympia auch nur Fünfter oder Sechster werden kann.
Beim Saisonauftakt haben Sie Ihre Hallenbestleistung um fast einen halben Meter auf 21,14 Meter verbessert. Packt man diesen halben Meter auf die 21,78 Meter vom Sommer, wäre man bei 22,28 Meter und dem recht sicheren Olympiasieg angelangt. Das hört sich gut an, oder?
Das hört sich sogar sehr gut an. Aber wenn es so einfach wäre, dann müsste ich mich ja nicht jeden Tag im Training schinden.
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