MIT WAZE, DEM ISRAELISCHEN GPS, UNTERWEGS IM WESTJORDANLAND
: Vom praktischen Vorteil der Schwarmintelligenz

VON SUSANNE KNAUL

NEBENSACHEN AUS JERUSALEM

„Warum lädst du dir nicht endlich einen Navigator auf dein Handy?“, fragt die Fotografin genervt, als ich zu spät zum Termin komme, weil ich den Treffpunkt nicht gleich gefunden habe. Orientierungssinn gehört nicht zu meinen Stärken, und Google Maps hilft nur bedingt weiter, wenn man durch Palästina fährt. Gerade einmal zu den Städten führt die Routenberechnung im Internet. Bei Straßennamen im Westjordanland muss Google Maps passen.

Waze ist die israelische Antwort auf GPS. Eine Navigationsapp, passend auch für das einfachste Smartphonemodell, kostenfrei und auf Wunsch auf Deutsch. „Los geht’s!“, ermuntert eine warme weibliche Stimme. Mit Waze sind die Zeiten des leidigen Verfahrens vorbei. Die wegkundige Frau geleitet mich zuverlässig von einem Ziel zum anderen, allerdings hält sich auch Waze bei Routenbeschreibungen im Westjordanland lieber ans Allgemeine als an Details. Während man in fast jeder israelischen Siedlung fast jede Straße finden kann, bleiben GPS wie Google Maps im palästinensischen Palästina vage.

Aber Waze ist lernfähig und wird von den Benutzern mitgestaltet. Je mehr Palästinenser die Applikation aktiv nutzen, desto schneller wird auch Palästina erschlossen sein. Hier zeigt sich der praktische Vorteil der Schwarmintelligenz, die im Übrigen nicht nur bei der Wegbeschreibung zur Geltung kommt. Waze warnt vor Blitzern und Verkehrsstaus. Welche Tankstelle ist die billigste in der Gegend? Waze weiß die Antwort, und, wer will, kann Waze mit seiner Facebook-Seite verbinden, damit die „friends“ immer wissen, wo man sich gerade aufhält.

Wenn das so gut klappt, denke ich, könnte man doch mal einen neuen Trimmpfad im Wald ausprobieren. „Los geht’s!“ Zu dumm, dass Waze auf Autofahrer programmiert ist. Fußwege sind nicht vorgesehen. Als ich nach einer halbe Stunde zum ersten Mal hilfesuchend auf die „Nach Hause“-Taste drücke, zeigt mir Waze einen Rückweg von 22 Kilometern an. Nur nicht nervös werden, denke ich, während sich schlagartig der Himmel verdunkelt. Es schüttet. Hätte ich mich nur mit Facebook verbunden, dann würde mich früher oder später vielleicht jemand finden. Irgendwo in der Ferne geht ein Licht an, und ich renne los. Zehn Minuten später bin ich zu Hause. Da meldet sich mein Handy: „Sie haben Ihr Ziel erreicht.“