Doppelte Siedler-Moral

Abseits von Holocaust und Nahostkonflikt. Die jüdische Gemeinde in Düsseldorf stellt aktuelle Lebenssituationen in Israel vor. Zum ersten Mal organisiert sie einen zeitgenössischen Filmzyklus

VON HOLGER ELFES

Nichts ist im heutigen Israel einfach, wenn man eine Frau und Witwerin ist. Nicht einmal ein schnöder Autoverkauf. Die 42-jährige Rachel Gerlik versucht es dennoch einmal mit einer Kleinanzeige. Doch keiner der Interessenten will mit ihr reden, alle verlangen nach ihrem Gatten. Alltag in einem männerdominierten Land. Verloren in der Machogesellschaft schließt sich Rachel mit ihren beiden Töchtern im Teenager-Alter einer religiösen Siedlung an. Wärme und Anerkennung sucht sie aber auch dort vergebens.

Der Film “Campfire“ (Israel 2004) von Joseph Cedar erlaubt Einblicke in die merkwürdige Welt der Siedler auf der West Bank. Am Beispiel der Witwe und ihrer Kinder wird die Doppelmoral der für sich höchste moralische Ansprüche reklamierenden Siedler-Gemeinde sichtbar und an den Pranger gestellt. Der Film ist Samstag im Rahmen der Filmreihe „Jüdische Welten“ als Deutschlandpremiere im Düsseldorfer Programmkino Blackbox zu sehen. Mit sechs zeitgenössischen Streifen soll das heutige Leben in Israel auch dem deutschen Publikum näher gebracht werden soll. Bis Januar lädt die Jüdische Gemeinde der Stadt – mit 7.400 Mitgliedern nach Berlin und Frankfurt die drittgrößte Deutschlands – erstmals zu einem solchen öffentlichen Zyklus ein.

Kuratiert wird die, von der jüdisch-amerikanischen Chais Family Foundation gesponsorte Filmreihe, von Erika Rubinstein. Die Filmwissenschaftlerin wanderte Anfang der 1990er Jahre aus Estland in die Bundesrepublik ein. „Wir möchten mit der Reihe auf jüdische Themen abseits von Holocaust und Nahostkonflikt aufmerksam machen“, sagt sie. Nach wie vor dominierten diese Fragen den politischen Diskurs und auch das kulturelle Schaffen in Deutschland.

Keiner der sechs Filme hat deshalb diese Themen im Mittelpunkt seiner Handlung. Stattdessen sollen Aspekte jüdischer Kultur, jüdischer Traditionen und jüdischer Mentalität für das breite Publikum entdeckbar gemacht werden. Einige der Regisseure, Drehbuchautoren und Schauspieler sind dafür auch zu Diskussionsrunden in die „Blackbox“ im Filmmuseum eingeladen worden. Da kommt beispielsweise eine Äthiopistin von der Universität Hamburg mit Spezialisierung auf die jüdisch-äthiopische Minderheit, der „Walk on Water“ Hauptdarsteller Knut Berger aus Berlin, die Regisseure Teresa de Pelegri und Dominic Harari aus Madrid und der jüdisch-argentinische Drehbuchautor Marcelo Birmajer.

Bis 18. Januar 2006Blackbox, DüsseldorfInfos: 0211-8994210