NRW droht Klagewelle

Studierende in NRW demonstrieren heute gegen Studiengebühren. Aktionsbündnis: Neues Rechtsgutachten zeigt, dass Gebühren verfassungswidrig sind. Opposition will notfalls klagen

VON GESA SCHÖLGENS

Parteien und Studierende wollen das Land mit Klagewellen gegen Studiengebühren überziehen. Auslöser ist ein gestern vom Aktionsbündnis gegen Studiengebühren (ABS) in Düsseldorf vorgestelltes Rechtsgutachten. „Der NRW-Gesetzesentwurf zu Studiengebühren weist verfassungs- und europarechtliche Mängel auf“, sagt der Münsteraner Verwaltungsjurist Wilhelm Achelpöhler, der das Gutachten erstellt hat. Sollte die Landesregierung ihren Entwurf nicht zurückziehen, will das Aktionsbündnis Musterklagen starten. „Das können die Studierenden aber erst, wenn sie Gebührenbescheide erhalten haben“, sagt Achelpöhler.

Der schwarz-gelbe Gesetzesentwurf sieht vor, dass NRW-Hochschulen zum Wintersemester 2006/2007 Studienbeiträge bis zu 500 Euro pro Semester erheben dürfen. Dafür sollen Studierende Kredite erhalten, was ebenfalls heftig umstritten ist.

Die Opposition unterstützt den Protest des ABS. SPD und Grüne forderten Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) auf, seine Novelle wegen „massiver handwerklicher und juristischer Fehler“ zurückzuziehen. „Klagen können wir aber erst, wenn der Entwurf auf dem Tisch liegt“, so Ruth Seidl, hochschulpolitische Sprecherin der Grünen. Zunächst wolle man versuchen, das Gesetz im Parlament zu Fall zu bringen. Scheitert die Opposition, könnte sie eine so genannte „Normenkontrollklage“ vor dem Verfassungsgericht einreichen. „Das schließen wir nicht aus“, so Marc Jan Eumann, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion. Laut Achelpöhler sei eine Klage durchaus erfolgsversprechend.

Der Jurist hatte geprüft, ob die Gesetzesentwürfe in NRW, Bayern und Baden-Württemberg den Vertrauensschutz für bereits eingeschriebene Studierende wahrt. Sein Ergebnis: Immatrikulierte werden genauso zur Kasse gebeten wie neue Studis. „Dabei haben sie sich in der Überzeugung immatrikuliert, ein Regelstudium kostenlos abschließen zu können“, so der Jurist. Dies habe die rot-grüne Vorgängerregierung im Studienkontengesetz zugesichert.

Die Einführung von Studiengebühren sei zudem eine staatliche Aufgabe, die nicht einzelnen Unis überlassen werde dürfe. Einige Studis müssten künftig zahlen, während andere weiterhin gebührenfrei studieren, so Achelpöhler. Außerdem sieht er die Rechte ausländischer Studis verletzt. „Nur Bafög-Empfänger bekommen ein Darlehen – ein Verstoß gegen die Gleichbehandlung von EU-Bürgern“, so ABS-Geschäftsführer Jochen Dahm.

Die CDU-Fraktion wies den Vorwurf zurück, der Gesetzesentwurf sei verfassungswidrig und diskriminierend. Die FDP-Fraktion zweifelte Achelpöhlers juristische Unabhängigkeit an, da er selbst Parteimitglied der Grünen ist. Man werde das Gutachten „einer kritischen Prüfung unterziehen“.

Heute wollen Studierende und Gewerkschaften in mehreren Städten gegen Studiengebühren demonstrieren. In Düsseldorf startet die Demo um 12 Uhr am Hauptbahnhof.