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Kolumne MachtMarsch ins 19. Jahrhundert

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Daniela Schadt soll ihr Leben dem Staat weihen – unentgeltlich. Die Folge ihrer Freundschaft zu Gauck.

W er heiraten will, muss gar nicht so viele Vorschriften beachten, aber etwas ist unerlässlich: Beide müssen mit der Eheschließung einverstanden sein. Sonst ist sie in Deutschland verboten und wird Zwangsheirat genannt. Das gilt für alle Leute, außer für die Lebensgefährtin des künftigen Bundespräsidenten. Bei der wird einfach vorausgesetzt, dass sie nichts dringender wünscht, als geheiratet zu werden.

Die Anmaßung, sich mit unerbetenen Ratschlägen in das Privatleben von Frau Schadt und Herrn Gauck einzumischen, ist nur in einer einzigen Hinsicht interessant: Sie enthüllt das Bild, das öffentlich von der Frau im Schloss gezeichnet wird.

Vorwärts marsch ins 19. Jahrhundert. Bereits vor zwei Jahren hatte Joachim Gauck erwogen, seine Lebensgefährtin zu heiraten. Was diese erwog, ist nicht bekannt. So wenig, wie bekannt ist, ob Daniela Schadt eigentlich Lust auf die Rolle der First Lady hat, ob sie ihren Beruf als Journalistin – in dem sie erfolgreich ist und mit dem sie ihren Lebensunterhalt verdient – gerne aufgeben möchte und ob sie es eine gute Idee findet, aus der langjährigen Fernbeziehung eine Nahbeziehung zu machen.

taz
BETTINA GAUS

ist Autorin der taz.

Oder auch: Wie sie die Vorstellung findet, weiterhin einen Vollzeitjob zu machen, künftig aber unbezahlt und unter Verlust der Rentenansprüche, die sie bei weiterer – normaler – Anstellung erworben hätte.

Denn darauf läuft es für Daniela Schadt hinaus, will sie sich nicht entweder von ihrem Freund trennen oder sich auf eine Weise verhalten, die von Medien als ungehörig bezeichnet würde. Sie wird deshalb vermutlich – ebenso wie alle ihre Vorgängerinnen – die Schirmherrschaft über das Müttergenesungswerk übernehmen, das „Damenprogramm“ bei Staatsbesuchen begleiten und weitere protokollarische Pflichten erfüllen. Pflichten? Ich höre wohl nicht recht. Wozu ist Frau Schadt eigentlich verpflichtet?

Der Frau des Bundespräsidenten steht ein Büro zu, eine Referentin, eine Sekretärin. Bezahlt wird das von den Steuerzahlern. Das war’s dann aber auch. Kein Gehalt, ohne Ehe nicht einmal Sozialversicherungen. Wieso setzt die Öffentlichkeit eigentlich voraus, dass jemand derart unzumutbare Bedingungen akzeptiert?

Der Physiker Joachim Sauer, Ehemann von Bundeskanzlerin Angela Merkel, führt seit Jahren vor, wie man sich verweigern kann. Keine Homestory, keine privaten Interviews, äußerst sparsame Wahrnehmung öffentlicher Termine. Wunderbar. Großes Kompliment. Und trotzdem: Es ist unwahrscheinlich, dass der berufstätigen Ehefrau eines Kanzlers dasselbe Kunststück gelingen könnte.

Früher hätte man vielleicht Alice Schwarzer für dieses Thema interessieren können. Aber diese Zeit ist vorbei. Die einstige Vorkämpferin des radikalen Feminisimus hat sich von der nordrhein-westfälischen CDU als Wahlfrau für die Bundesversammlung nominieren lassen. Sie soll Joachim Gauck zum Bundespräsidenten wählen.

Schade. Man muss weder Alice Schwarzer noch die CDU mögen, um ihre historischen Verdienste anzuerkennen. Beide standen für etwas – aber eben nicht für dasselbe. Die wechselseitige Anbiederung, die jetzt stattfindet, setzt beide herab. Politik ist nur ein Spiel, alles geht, alles ist völlig beliebig, Prinzipien sind doof. Nur der Glamour zählt. Kein Wunder, dass so viele glauben, Frau Schadt müsse sich unbändig freuen, ins Schloss ziehen zu dürfen.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).

10 Kommentare

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  • F
    Falmine

    Müssen wir uns wirklich Daniela Schadts Kopf zerbrechen? Nö! Das entscheidet sie allein, wie sie es bisher ja auch offensichtlich gut hingekriegt hat. Ob mit oder ohne Versorgungsansprüche.

     

    Es ist nun einmal so, dass wir nur eine Person wählen und keine Pärchen. Sonst hätten Singles keine Chance, gewählt zu werden!

     

    Mich interessiert auch Gauck privates Arrangement nur insoweit, als ich mich frage, welche formale Rolle wohl die tatsächliche Ehefrau spielen soll. Führt ihr Tod zum Staatsakt? Lebt uns Gauck ein Steuersparmodell vor? Erbt sie seinen Ehrensold? Oder was sonst?

  • S
    Steffi

    Na der Druck auf die beiden scheint sich doch in Grenzen zu halten.

    Unmittelbar nach Gaucks Nominierung meinte Norbert Geis fordern zu müssen, dieser habe schleunigst "seine persönlichen Verhältnisse zu ordnern", aber nachdem der feststellen musste, auf wieviel Granit man mit sowas auch innerhalb der Koalition beißt, ist es um solche Stimmen doch sofort wieder ganz still geworden.

    Solche Töne können sich im heutigen Deutschland nicht mal mehr CSU-Politiker erlauben und das ist fantastisch so.

     

    Das Kernproblem ist wahrscheinlich viel mehr der konkrete Beruf von Scheidt : Journalistin.

    Sie könnte keiine Zeile mehr schreiben ohne dass alle Welt die Frage aufwerfen würde, ob der oder die PartnerIn des Bundespräsidenten das darf oder nicht viel mehr neutral zu sein hätte.

    Ich glaube nicht dass dass dem Mann einer Präsidentin, dem Mann eines Präsidenten oder der Frau einer Präsidentin anders ginge.

    Journalist kommt in diesem Zusammenhang nun mal übler als Elektroingenieur, wobei ich mal dahin gestellt sein lasse, ob das richtig so ist.

     

    Trotzdem denke ich, wenn sie aus einer langjährigen Fernbeziehung keine Nahbeziehung machen möchte dann braucht sie doch nur dort wohnen zu bleiben wo sie schon immer wohnt, egal, ob ihr Freund umzieht. (wobei das durch die Berufsproblematik zugegeben erschwert wird)

     

    Aber auch hier: welcher Druck?

    Die Patchworkfamilie wurde bejubelt, die wilde Ehe wurde zumindest sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen, ich glaube nicht, dass den beiden ausgerechnet wegen einer Fernbeziehung von der Öffentlichkeit ein Fahrschein zur Hölle ausgestellt würde.

  • AC
    Anjetta Christner

    Liebe Frau Gaus,

    ich lese Ihre Kommentare immer wieder gern, weil ihnen stets anzumerken ist, daß Sie selbst denken und nicht einfach die jeweils herrschende Medienstimmung nachplappern (was auch in der taz nicht selbstverständlich ist).

     

    Es war mir auch übel aufgestoßen, daß Herr Gauck jetzt aufgefordert wird zu heiraten, nur weil er Bundespräsident wird. In welchem Gesetz steht das denn bitte, daß der Bundespräsident verheiratet sein muß? Und mal angenommen, er wäre schwul, müßte er sich dann erst verpartnern? (Oder gerade nicht?)

    Ich stelle immer wieder mal schockartig fest, daß wir an manchen Punkten doch noch sehr viel rückständiger sind, als ich gedacht hätte. Ich meine, die Frau des zukünftigen norwegischen Königs hat ein uneheliches Kind von einem ehemaligen Drogendealer (oder so ähnlich), und das geht offenbar prima (obwohl Monarchien doch gemeinhin als konservativ gelten). Aber der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland darf nicht in wilder Ehe leben? Erstaunlich.

     

    So weit hatte ich schon selbst gedacht, aber Sie denken verdienstvollerweise noch weiter. Die ganzen Regelungen in bezug auf die Lebensgefährtin des Bundespräsidenten sind sehr passend für die Lebenswirklichkeit der fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Aber heutzutage stimmen sie tatsächlich hinten und vorne nicht mehr.

     

    Ich hoffe, daß Frau Schadt es fertig bringt, trotz des äußeren Drucks die Entscheidung zu treffen, die sie wirklich treffen will. Falls es ihr Spaß macht, vorübergehend eine Zeitreise in die Vergangenheit anzutreten, und wenn sie bereit ist, den Preis dafür zu zahlen, dann nur zu. Aber eigentlich muß ich sagen, daß ich es schäbig finde, daß wir von der Frau des Bundespräsidenten erwarten, unbezahlt und unabgesichert für das Staatswohl zu arbeiten. Wenn wir es uns leisten können, einem 52jährigen Ex-Bundespräsidenten für nicht mal zwei Jahre Dienst eine Lebensrente zu zahlen, dann sollten wir ja wohl auch in der Lage sein, die Arbeit seiner Partnerin anständig zu vergüten und keine Almosen von ihr anzunehmen. Ich finde, das wäre tatsächlich Ehrensache. (Nur weil in der letzten Zeit so viel von Ehre die Rede war...)

     

    Ich hoffe, Sie schreiben noch viele so kluge Kommentare. Ich freu mich drauf.

    Anjetta Christner

  • RH
    Renate Holz

    Danke für diesen Artikel. Durch ihn fiel mir wieder einmal auf, dass Menschen, die es selbstverständlich finden, daß frau auch dann gern an ihrem - meist erkämpften - selbständigen Leben festhalten möchte, wenn woanders scheinbar mehr Glanz und / oder Geld lockt, leider keine Mehrheit sind. Ich bin selbständige Handwerkerin und wünsche Frau Schadt, daß sie ihre zweifellos vorhandene Kraft in diesem Sinn richtig einsetzen kann.

  • U
    Ulli

    Cooler Artikel, so habe ich das noch gar nicht gesehen! Klasse wie immer, Frau Gaus, groooßes Dankeschön!!!

  • IF
    Iaxel f. westphal

    im Zusammenhang mit diesen ausfuehrungen stellen sich noch weitere fragen.

    Mit dem Einzug ins Schloss, zoege per Gesetz eine Fremde ins Haus.

    Diese muesste dann Unterkunft und das Fruehstuek als Geldwerten Vorteil versteuern, von einem Einkommen, das sie ja nicht mehr hat, weil sie da eingezogen ist.

    Und wenn dem alten Herren etwas passiert? Dann steht sie ohne ALG II auf der Strasse, weil sie vielleicht schon zu lange im Schloss war. Auch nach dem Ablauf einer gesamten Amtszeit, sowas soll ja vorkomen, hab ich mal irgendwo gelesen steht Frau Schadt ohne Job, ohne Ehrensold da und muss bis zur Rente noch 10 Hahre ueberbruecken und von den Rentenpunkten ihres Partners, die der alte Mann in seiner Schlosszeit noch dazu gesammelt hat, kriegt sie auch nichts ab, da s. o. sie nicht verheiratet ist....und so schliesst sich der Kreis.

  • F
    fridi.g

    Und wer redet eigentlich davon, dassa Herr Gauck sich von seiner langjährigen Ehefrau scheiden lassen müsste?

    Die beiden werden doch einen Grund gehabt haben die Ehe formal aufrecht zu erhalten.

     

    Eine Scheidung würde der jetzigen Ehefrau Rechte nehmen die sie jetzt noch hat.

    Rentenansprüche nur unter anderem.

     

     

    Es ist mir völlig unverständlich, das sich niemand DARÜBER aufregt.

     

    Dass GAuck als getrennt lebender mit neuer PArtnerin Präsident wird, bildet doch genau die Lebenswirklichkeit ab, die sich in unserer (und seiner!) Republik als gängig und normal herausgebildet hat.

     

     

    Friderike Graebert

  • V
    vic

    In der Tat, das ist eine seltsame Vorstellung von "moderner Demokratie", die der neue Bundespräsident doch vermitteln soll.

  • NG
    [Name Gelöscht]

    Für mich gibt es keinerlei Grund, sich schützend vor Frau Schadt zu werfen. Wo bitte schön steht geschrieben, dass die Frau des Bundespräsidenten ihr Leben dem Staat weihen MUSS, wie es hier unterstellt wird? Mag ja sein, dass die Öffentlichkeit diese Erwartungshaltung hat, aber sollen die Leute doch erwarten, was sie wollen, Frau Schadt muss sich dem doch nicht automatisch beugen. Der Ehemann Frau Merkels (der übrigens Chemiker ist und nicht Physiker)macht es vor. Wie Frau Gaus zu der Ansicht kommt, einer Frau könne dies nicht gelingen, kann ich nicht nachvollziehen.

     

    Jeder ist für sein Leben selbst verantwortlich, auch Frau Schadt. Wenn sie meint, ihren Job aufgeben zu wollen, dann soll sie es tun, dann ist es aber auch ihre Entscheidung. Wenn nicht, dann eben nicht, niemand zwingt sie dazu. Womöglich ist es ja tatsächlich ihre freie Entscheidung, weil sie den Mann, den sie liebt, unterstützen möchte? Für den völlig übertriebenen Feminismus, der hier schon wieder so unerträglich heraushängt, natürlich eine völlig abwegiger Gedanke ...

  • MW
    Mr. Whittington

    Werte Frau Gaus, Sie haben ein seltsames Frauenbild. Einerseits fordern sie den radikalen feminismus, andererseits bezweifeln Sie die Fähigkeit der Frauen, ihren Willen in den Belangen der eigenen Lebensführung durchzusetzen.

     

    Da hat Ihnen Frau Schwarzer einiges voraus: Was sie als Anbiederei an die CDU (und damit den "Klassenfeind" des Feminismus)ansehen, versteht Frau Schwarzer einfach als die Willkommene Möglichkeit, ihren Einfluß an prominenter Stelle (nämlich bei der Wahl des Staatsoberhauptes) geltend zu machen. So wie ich die Alice S. kenne, wählt die am Ende noch die Nazi-Jägerin ...

     

    Als Mann bin ich tatsächlich für Frauen-Power, aber dann bitte richtig und geradeaus, und nicht so ein verbitterter "Frauen-müssen-für-ihre-Rechte-kämpfen-haben-aber-sowieso-keine-Chance"-Feminismus wie der Ihre ...

     

    Mit freundlichem Gruß von

    Mr. Whittington

     

    (der um den Verlust der "Mademoiselle" wie des "Fräulein" trauert, weil die Feministinnen aber auch alles falsch verstehen...)