Kleine Wortkunde: Zapfenstreich: Ab ins Bett, Wulff!
Jetzt wird Christian Wulff der Zapfen gestrichen – ist das sprachlich korrekt: jemandem den Zapfen streichen? Und: Hat Wulff nach der Zeremonie den Zapfen gestrichen voll?
Das Wort "Zapfenstreich" gehört in jenen ritterlich-antiquierten Kosmos der Fackeln und Stahlhelme, in den auch der "Ehrensold" und Karl-Theodor zu Guttenberg einzuordnen sind.
Hatte diese Veranstaltung, der Zapfenstreich, schon immer etwas aus der Zeit gefallenes, bildet sich an Christian Wulff ein besonderer Kontrast ab: Der Freund der Neurreichen im Fackellicht, der Mallorca-Urlauber und die defilierenden Stahlhelme, der Patckwork-Papa und die Bajonette. Aber er will es so.
Woher kommt der "Zapfenstreich"? In grauer Vorzeit, als noch Ritter durch die Lüneburger Heide stapften und eine Burg auf jedem zweiten Hügel stand, da signalisierte der Schlag (Streich) auf den Zapfen des Fasses das Ende des Ausschanks. So wankten die Ritter trunken auf ihre Pritsche.
Im Militärjargon entwickelte sich der "Zapfenstreich" über die Jahrhunderte zu einem besseren "Jetzt aber ab ins Bett mit euch Männer!".
Noch heute gibt es in jeder Kaserne der Bundeswehr jeden Abend einen Zapfenstreich, um 23.00 Uhr müssen alle ins Bett - in der Grundausbildung gar eine Stunde früher.
Dann kommt der Unteroffizier ins Zimmer und überzeugt sich, ob alle im Bett liegen und löscht das Licht. Wenn die Jungs noch alert durchs Zimmer hüpfen, dann schreit er: "Jetzt ist aber Zapfenstreich!" Für Christian Wulff gibt es den großen Zapfenstreich, ab ins Bett!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“