Roma: Die geschürte Angst

ZUWANDERUNG Innenminister Friedrich (CSU) will Sanktionen für „Sozialbetrug“. Experten warnen vor Hysterie

BERLIN taz/dpa | Die Diskussion über die Migration sogenannter Armutsflüchtlinge aus Südosteuropa nach Deutschland wird schärfer. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will auf EU-Ebene „Sanktionen für versuchten Sozialbetrug verschärfen“.

Laut einer Emnid-Umfrage wollen zwei Drittel aller Deutschen die Zuwanderung aus EU-Ländern beschränken. Im Mittelpunkt der Debatte stehen Roma. Als rumänische oder bulgarische Staatsbürger können sie sich unbehindert in der Europäischen Union bewegen. Ab dem kommenden Jahr genießen alle Rumänen und Bulgaren die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit auch in Deutschland. Sie können sich dann unbeschränkt Jobs suchen.

Diese Freizügigkeit gelte aber nur für EU-Bürger, die arbeiten oder studieren, sagt Friedrich im Spiegel: „Wer nur kommt, um Sozialleistungen zu kassieren, und das Freizügigkeitsrecht missbraucht, der muss wirksam davon abgehalten werden.“

Der Migrationsforscher Bade warnte dagegen vor hysterischen Reaktionen. Die Forderung Friedrichs, Städte und Kommunen sollten ihre Kontrollen verschärfen, „schürt in der Bevölkerung fahrlässig eine Abwehrhaltung gegen unerwünschte Zuwanderung, die man aber nicht einfach verbieten kann“, so Bade.

Viele Migranten aus Bulgarien und Rumänien haben längst einen Job in Deutschland. „Die Arbeitslosigkeit bei ihnen ist deutlich geringer als im Durchschnitt der Ausländer in Deutschland“, sagte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung der taz. Der Balkan-Experte Norbert Mappes-Niediek beklagt, dass die Debatte von Klischees geprägt sei. Verbrechen oder Betteln mit Kindern seien keinesfalls die Regel, schreibt Mappes-Niediek in der taz. Und eine zusammengepuzzelte Existenz sei auch nicht die „Kultur“ der Roma, sondern eine Überlebensstrategie von Langzeitarbeitslosen, die man auch bei Nichtroma antreffe. GA

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