Frau Chefin kommt zur Schule

Seit 25 Jahren gibt es eine Gleichstellungsbeauftragte in Bremen. Gestern war sie zu Gast in einer Schule

Bremen taz ■ Jungen beginnen früher mit dem Sprechen als Mädchen – stimmt das? „Neeeeiiiiin!!!“, brüllt es aus 61 Mädchenmündern im Schulzentrum Pestalozzistraße in Gröpelingen, und sie haben recht. „Buuuh“, tönt es aus 57 Jungenkehlen, der Rest geht unter in Gekreisch. Vorne steht Ulrike Hauffe, die von „dieser Behörde mit dem langen Namen“ kommt: von der Zentralstelle zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau. Die feiert heute ihr 25-jähriges Jubiläum, und als Geburtstagsgeschenk an Bremen sind gestern Frauenbeauftragte Hauffe und ihre Mitarbeiterinnen durch Bremer Schulen gezogen und haben den Kids Fragen der Gleichstellung nahe gebracht – auch das gehört zur Arbeit einer Frauenbeauftragten im 21. Jahrhundert.

Und die sieht so aus: Als Ulrike Hauffe die brüllende Meute, alias das Jahrgangstreffen aller sechsten Klassen am Schulzentrum, wieder halbwegs beruhigt hat, erklärt sie: „Später oder früher sprechen zu lernen, heißt nicht, es besser oder schlechter zu können.“ Es geht darum, „dass wir merken, was verschieden ist zwischen Jungen und Mädchen, und das heißt nicht: besser oder schlechter. Okay?“ Ein Knirps fragt, warum denn ausgerechnet Hauffe hier in der Pestalozzistraße sei und nicht eine ihrer Mitarbeiterinnen. Hauffes Antwort geht in Gejohle unter: „Ich bin die Chefin, und die Chefin kommt zur Top-Schule in der Stadt.“

Die Mädchen sitzen rechts in dieser Stunde, die Jungen links. Bei den zahlreichen Fragen von Hauffe, wie viel Hausarbeit Männer übernehmen, wann Frauen zum ersten Mal an Universitäten zugelassen waren oder warum es einen Girls‘ Day gibt, aber keinen Boys‘ Day, geraten vor allem die Kinder, aber auch die Geschlechter immer wieder aneinander. „Weil die Jungs viel besser sind“, brüllt der Jungsblock. „Böööh“, halten die Mädchen dagegen. Das macht vor allem Spaß, aber Hauffe geht es um anderes, tieferes: „Wenn Menschen verschieden sind, dann passiert es ganz leicht, dass die einen als mehr wert gelten als die anderen“, erklärt sie den Elf- bis Zwölfjährigen. „Für Gleichberechtigung zu sein, heißt, dafür zu sein, dass Männer und Frauen gleichwertig sind.“ Da piepst ein Stimmchen: „Hatten wir schon.“

Aber weitere Nachfragen enthüllen Traditionelles bei den Kindern. 27 Jungen möchten später einen „Beruf mit Computern“ machen – und nur 13 Mädchen. Fast 30 Mädchen wollen einen „Beruf mit Tieren“ erlernen, kaum ein Junge meldet sich auf diese Frage. „Warum könnte das so sein“, fragt Ulrike Hauffe, und das halblaut gerufene „Weil die Mädchen blöder sind“ von hinten hört sie nicht. „Weil die Jungs mehr mit Technik zu tun haben“, sagt ein Steppke, „weil die Jungs fauler sind als Mädchen“, ein anderer. „Die Mädchen wollen mehr die Niedlichkeit“, sagt ein Junge. Ein anderer sagt: „Die Männer müssen härter arbeiten als Frauen.“ Warum, fragt Hauffe. „Weil Männer mehr Muskeln haben“, lautet die Antwort. Hauffe fragt weiter: „Kennst du auch ganz starke Frauen und ganz schwäche Männer?“ „Nö“, antwortet der Knirps. „Natürlich“, brüllt es von der Mädchenseite.

Auch nach dem Verhalten der Lehrer und Lehrerinnen fragt die Frauenbeauftragte. Zitiert Studien aus Schweden, nach denen Jungen öfter eine Pause vom Unterricht bekämen, öfter mit Namen angesprochen und öfter spontan drangenommen würden. „Das stimmt“, sagt später der elfjährige Andy und erzählt von einer Klassenkameradin, die auf Toilette wollte und nicht durfte. „Frag du mal“, habe das Mädchen daraufhin Andy aufgetragen. Das tat er. „Und ich durfte.“

Am Schluss stürmen sie alle davon. Was bleiben wird von dieser Stunde, mag erst später wirken. Wenn ein Junge sehr oft drankommt im Unterricht und ein Mädchen nicht – und alle genau das merken. susanne gieffers