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KunstrundgangHarald Fricke schaut sich in den Galerien von Berlin um

Lorraine Leeson: „Art for Change“, bis 23. 12., täglich 12–18.30 Uhr, NGBK, Oranienstraße 25

Kunst im öffentlichen Raum erfreut sich wieder großer Beliebtheit. Erst Katharina Sieverdings „Pleite“-Plakate, und nun hat das dänische Duo KLC – ein Kürzel für „keep live complicated“ – seine Poster in Kreuzberg und Mitte aufgehängt. Schon der Einsatz von Malerei anstelle ausgefuchster Photoshop-Layouts ist bemerkenswert: Im 70er-Jahre-Realismus sieht man Männer einsam in Betten liegen oder Gesichter hinter Holzverschlägen hervorlugen. Denn KLC will anklagen, will zeigen, dass Dänemark zur reaktionären Nation geworden ist, die Homosexuelle diskriminiert und Fremde als Feinde betrachtet. Dieses Image passt so gar nicht zum freundlichen Nachbarland aus den Tourismusbroschüren. Genau darum geht es KLC: Man will Anti-Werbung gegen die verlogene dänische Liebe zur „hygge“ (Gemütlichkeit) machen. In Berlin erzeugen die Bilderrätsel im Posterformat zumindest einiges an Aufmerksamkeit.

Auch Lorraine Leeson ist in der NGBK ganz dem Konzept „Art for Change“ verpflichtet. Seit den frühen 70ern arbeitet die Londoner Künstlerin in Bürgerinitiativen und aktivistischen Zirkeln an der Politisierung des öffentlichen Raums. Sie hat Plakate gestaltet, die sich gegen die Abwicklung von Krankenhäusern in sozialen Randbezirken richteten; sie hat Boot-Performances für den Erhalt der alten Docklands organisiert und Knetgummifilme über sexuellen Missbrauch gedreht. Zuletzt hat Leeson aus Interviews eine Reihe mit Foto-/Text-Montagen über die Entbehrungen angefertigt, die Frauen in fundamentalistischen Religionen erdulden müssen – Hinduismus, Islam und Katholizismus inklusive. Kein Zweifel, Leeson sind auch Agitprop-Mittel recht, wenn sie nur der Mobilisierung nützen. Zugleich stellt sich in der Chronologie aus Fotos und Videos ein dichtes Stadtporträt her – London als Capital des Widerstands.

KLC: „We call it hygge“ – eine Poster-Aktion in Kreuzberg und Mitte

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