Berliner WASG lernt Prozentrechnung

Die Wahlalternative glaubt, bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus alleine über fünf Prozent der Stimmen zu holen. Vorerst soll aber am Ziel einer gemeinsamen Liste mit der PDS festgehalten werden. Vorstandswahl muss womöglich wiederholt werden

von Korbinian Frenzel

Nach den heftigen Reaktionen auf den Parteitag der Berliner Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) bemüht sich die neu gewählte Parteispitze um Schadensbegrenzung. „Wir haben am Wochenende einen Fahrplan beschlossen und nicht eine Entscheidung für oder gegen die Zusammenarbeit mit der PDS getroffen“, sagte Landesvorstandsmitglied Stefan Müller gestern. Adressat der beschwichtigenden Worte sind die eigene Bundespartei wie auch die Berliner Linkspartei.PDS. Beide hatten die Ergebnisse vom Wochenende als unmissverständliche Ankündigung eines eigenständigen Wahlantrittes der Berliner WASG bei der Abgeordnetenhauswahl im September 2006 verstanden.

Dass dieser Gedanke nicht ganz abwegig ist, machen Überlegungen der neuen WASG-Spitze deutlich. „Für eine eigenständige WASG gibt es ein Potenzial von mehr als 5 Prozent in Berlin“, erklärte Müller gestern. Dies hätten nicht nur die Umfragen vom Frühjahr gezeigt, in denen die PDS und WASG noch getrennt aufgeführt wurden. In der Wahlalternative setzt man auch auf den Unmut in der Berliner Bevölkerung über die Sparpolitik des rot-roten Senats. Als kleine Oppositionskraft könnte die WASG eine Verbindung außerparlamentarischer Initiativen ins Abgeordnetenhaus sein, so Müller.

Der Ball liege jetzt im Feld der Linkspartei.PDS, verkündete die neue Parteispitze mit Blick auf den Landesparteitag der Sozialisten am kommenden Wochenende. Wenn es dort zu einer Abkehr von zentralen Positionen der Politik des rot-roten Senates komme, sei eine inhaltliche Annäherung beider Parteien möglich. Schatzmeister Rouzbeh Taheri nannte ein Ende der Sparpolitik und eine Rückkehr in den bundesweiten Tarifverbund des öffentlichen Dienstes als Bedingungen. Die Chancen, dass die Linkspartei zu einem derartigen Kurswechsel bereit sei, werden aber auch in der WASG als gering eingeschätzt.

Dennoch soll über die Möglichkeit einer gemeinsamen Liste mit der PDS „hart in der Sache“ verhandelt werden, kündigte Müller an. Er sehe keinen Grund, diesen Dialog vorzeitig abzusagen. Nach Vorstellung der WASG sollen die Gespräche mit der Linkspartei Mitte Dezember aufgenommen und im Februar abgeschlossen werden. Dann werden die Mitglieder der Wahlalternative in einer Urabstimmung über einen Alleingang bei der Wahl im September abstimmen.

Die neue PDS-kritische Führung der WASG muss sich offenbar bereits im Februar einer Neuwahl stellen. Parteisprecher Gerhard Seyfarth bestätigte, dass die Wahl des Vorstandes vor dem Landesschiedsgericht angefochten wird. Weil der alte Vorstand nicht rechtzeitig zurückgetreten sei, hätte es keine Neuwahl am Sonntag geben dürfen, so die Beschwerde eines Delegierten. Seyfarth verteidigte die Wahl: „Es gab flügelübergreifend den Wunsch, einen handlungsfähigen neuen Vorstand zu wählen.“ Mit einer Wiederholung der Wahl beim nächsten Parteitag im Februar könnten die Unsicherheiten aber ausgeräumt werden.