frau schwab geht unter leute
: Bei den Designern an der Universität der Künste

Bestimmt war das mal ein Gesellschaftsspiel und es ging so: Um ins Gespräch miteinander zu kommen, stellten sich die, die miteinander ins Gespräch kommen wollten, es aber nicht konnten, einen Stuhl in die Mitte und diskutierten über ihn. Schon wurde aus dem verpfuschten Abend eine fantastische Party.

Um den Beweis anzutreten, dass so ein Stuhl Quell unerschöpflicher Themen ist, hier jener, auf dem ich sitze: Er ist secondhand; ein Kollege hat ihn von zu Hause mit in die Redaktion gebracht. In Wirklichkeit ist es noch nicht mal ein Stuhl, sondern ein Hocker, auf dem ich rumschaukeln kann. Wahnsinn, was da alles drinsteckt: Über das Abgelegte, jene Dinge aus zweiter Hand, kann gesprochen werden. Auch, ganz wichtig, über die Kollegen, das Schaukeln und die Jugend. Vor allem aber über die Wirklichkeit. In der ist es nun einmal so, dass Menschen, die miteinander ins Gespräch kommen wollen, sich aus Mangel an Themen lieber betrinken.

In Berlin allerdings gibt es Orte, an denen Fantasie, Gesellschaftsspiel und Wirklichkeit aufeinander treffen. Sie tun es nicht in großer Harmonie, eher in einer Konstellation, die anderenfalls Kollisionskurs genannt wird. Schlimm ist das nicht.

Die Universität der Künste ist so ein Ort. Bevor dort neulich der Wein gereicht wurde, setzen sich Spitzendesigner auf ein Podium. Was sie mitgebracht hatten: Jeder seinen Stuhl. Gekonnt schafften es die Geladenen, ausgehend von einer irgendwie gearteten Sitzgelegenheit, den Zustand der Dinge, den Zustand der Welt und den Zustand des eigenen Egos zu einem Klumpen Small Talk zu verdichten. Was sie sagten, kam im Moment, in dem sie es sagten, sogar als Welterklärung daher. Eine Welterklärung, die sich natürlich auf eine Gegenwart bezog, die Avantgarde sein wollte. Sie glauben mir nicht? Das ist schade.

Kein Geringerer als Marti Guixé war einer der Protagonisten. Ex-Designer nennt er sich. (Der andere Stuhlagitator wird aus Platzmangel hier ignoriert.) Guixés Mitbringsel: Jene Sitzgelegenheit aus weißem Plastik, leicht gerundet mit Seitenlehnen, die es in jeder Strandbar, jedem Gartenlokal, jedem Supermarkt auf der ganzen Welt gibt. Stapelbar und sehr billig. „Stop discrimination of cheap furniture!“ – Schluss mit der Diskriminierung billiger Möbel! Als Ex-Designer kann er so was sagen. Angeblich hat er zehn solcher Plastikstühle mal nummeriert, mit dem Protestslogan versehen, auf der Mailänder Möbelmesse oder sonst wo ausgestellt und teuer verkauft. Einer soll jetzt in Utrecht im Museum stehen.

Alles, was Guixé zum Plastikstuhl sagt, kann in den Anekdotenschatz der Avantgarde eingehen. „Diese Stühle sind wie Labormäuse.“ Und: „Das Wertvolle an dem Stuhl ist, dass er keinen Wert hat.“ Oder etwas allgemeiner gefasst: „Ich brauch die Dinge, aber ich will sie nicht.“ Da steckt doch Schmackes drin.

Überhaupt Schmackes: Der Ex-Designer entwirft seit Neuestem Lebensmittel, obwohl er nicht gern kocht. Essen ist ihm ebenfalls nicht wichtig, wie er gesteht. Warum er es doch macht?

Seine Antwort: Lebensmittel seien ein weites Feld. Er zum Beispiel habe Pillen entwickelt, die innen ein Stück Alufolie beherbergen. Sobald draufgebissen wird, zieht es an den Zähnen. Er hätte die Pillen besonders für Leute konzipiert, die an solchen Zwischenorten wie Flughäfen arbeiteten. Die bräuchten dringend ab und zu was Hartes.

Irgendwann soll das dann aber auch an diesem Abend endlich mit dem Small Talk was werden: „Darf Design wehtun?“, fragt jemand. Oder: „Was kommt nach dem Ex-Design?“ Um mich wieder ins Spiel zu bringen, frag’ ich auch was. „Ist Verneinung die Quelle Ihrer Inspiration?“ (Entschuldigen Sie die Formulierung, aber ich wollte mich nicht blamieren.) Die Frage sei nicht relevant, kontert Guixé, da Negation doch nur eine umgekehrte Bejahung sei. Da triumphiere ich innerlich, weil ich Recht hatte, hat er doch meine Frage verneint.