Hoeneß trickst wie Marcelinho

Auf der jährlichen Mitgliederversammlung offenbarten die Hertha-Manager das wahre Ausmaß des Finanzdebakels. Per Bilanztrick weisen sie einen Gewinn aus, obwohl der Club rote Zahlen schreibt

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Dieter Hoeneß schwärmt wieder einmal. Der Geschäftsführer der Profiabteilung von Hertha BSC erzählt die alt bekannte Geschichte vom märchenhaften Aufstieg des abgewirtschafteten Traditionsclubs aus den Niederungen der zweiten Liga zu einem der „Topvereine der Liga“. Dabei hatten die 826 Mitglieder auf der alljährlichen Mitgliederversammlung des Vereins am Montagabend im ICC etwas ganz anderes erwartet. Sie wollten Klarheit über die finanzielle Situation des Vereins, der in der letzten Woche als Pleiteclub die Schlagzeilen beherrschte.

Doch stattdessen präsentierte Hoeneß schreckliche Bilder von abgerissenen Tribünen und sprach von Mindereinnahmen wegen allzu wenigen Zuschauern während der Rekonstruktionsphase des Olympiastadions. Natürlich erwähnte er auch die Kirchpleite, in deren Folge die TV-Einnahmen drastisch gesunken sind.

Dann wurden die Köpfe von 37 jungen Männern eingeblendet, die es von der Herthajugend in eine Nachwuchsnationalmannschaft geschafft hätten. Und er zeigte Bilder vom frisch aufgemöbelten Trainingsgelände. Damit wollte Hoeneß klarstellen, dass Hertha für die Einnahmeausfälle nichts könne und dennoch fleißig in die Zukunft des Clubs investiert habe.

Ja, auch Fehler habe man gemacht. Doch die benannte er nicht. Die Transfer- und Gehaltspolitik des Clubs, der mit der Verpflichtung des divenhaften Brasilianers Alex Alves eine der größten Fehlinvestitionen der Bundesligageschichte tätigte, blieb unerwähnt. Zu den Fehlern meinte Hoeneß nur so viel: „Wer nichts versucht, hat schon verloren. Das hat schon Albert Einstein gewusst, und der kam ja, nebenbei gesagt, auch aus Ulm.“

Ingo Schiller, ebenfalls Geschäftsführer der Hertha, ist zuständig für Zahlen und lieferte eine wahre Zaubershow. Bei 35,2 Millionen Euro liegen die Gesamtschulden der Hertha. 17 Millionen Euro davon sind kurzfristige Verbindlichkeiten bei Banken. Schiller räumte ein, dass Hertha Finanzierungsprobleme hat. Dennoch präsentierte er ein positives Jahresergebnis: 11,3 Millionen Euro Gewinn. Und zwar auf Grund von „Sondereffekten“, wie es Schiller nannte.

Man kann dieses Vorgehen auch als Buchungstrick bezeichnen: Hertha hat eine Tochtergesellschaft gegründet und ihr Verwertungsrechte übertragen. Der Preis dafür taucht als Umsatzplus bei der Muttergesellschaft auf. So wird das negative Ergebnis in ein positives umgewidmet. Ohne die genannten Sondereffekte stünde ein Verlust von über vier Millionen Euro in der Bilanz.

Der kann nur schwer ausgeglichen werden. Denn es fehlt an Einnahmen. Gelder von Sponsoren und Ausrüstern, deren Verträge noch laufen, sind längst ausgegeben. Die Frage, wie Hertha seine Löcher zu stopfen gedenke, blieb unbeantwortet. Ein strategischer Partner, der Anteile von Hertha erwerben würde, ist nicht in Sicht. Wahrscheinlicher ist da der Weg über eine Anleihe. Hoeneß und Schiller appellierten an die Berliner, öfter ins Stadion zu gehen. Auch riefen sie den Mittelstand, sich VIP-Karten zu besorgen.

Der Senat hat jüngst als Vermieter des Olympiastadions der Hertha für die nächsten zwölf Jahre einen kräftigen Nachlass eingeräumt. Jochen Esser, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, meint, dass das Land Berlin dem Verein durchaus für einen Überbrückungszeitraum entgegenkommen könne. Doch zwölf Jahre Mietminderung seien zu viel. Der Club solle seine Löcher selbst stopfen. Dafür bräuchte er ein Finanzierungskonzept. Das wurde auf der Mitgliederversammlung zwar angekündigt. Was es beinhalten könnte, blieb jedoch unerwähnt.

Dennoch waren die meisten Mitglieder am Ende zufrieden mit ihrem Club. Sie klatschten, als Dieter Hoeneß die Vertragsverlängerung mit Trainer Falko Götz um zwei Jahre verkündete und hoben ihre Karten, als es um die Entlastung des Präsidiums ging.