piwik no script img

Kommentar ObdachlosenunterkunftNicht glaubwürdig

Daniel Kummetz
Kommentar von Daniel Kummetz

Die Initiative spielt mit Ängsten vor kriminellen Ausländern und setzt dabei aufs Hörensagen. Das ist nicht sehr appetitlich und lässt den Kampf für kleinere Unterbringungen nicht sehr überzeugend wirken.

F ür die Bürgerinitiative ist es ohne Frage ein Erfolg: Sie hat ihr erstes Etappenziel erreicht, die Planungen für eine Wohnunterkunft für Obdachlose ist vorerst gestoppt. Vom Tisch ist das Projekt damit noch nicht, aber schwieriger umzusetzen. Sein politischer Preis steigt.

Was aber heißt das für die ganze Stadt? Für sie ist es kein Erfolg. Dass Hamburg wieder mehr Unterkünfte dieser Art braucht, und das schnell, ist relativ unstrittig. Und wenn solche Einrichtungen breit über die Stadt verteilt werden sollen, dann ist Harburg am Zug: Dort gibt es bisher wenige solcher Unterkünfte. Das wissen auch die Unterschriftensammler. Und sie versuchen geschickt, ihren Protest mit einem Plädoyer für kleinere Unterkünfte zu rechtfertigen.

Das kann nicht überdecken, dass die Initiative mit Ängsten vor kriminellen Ausländern spielt und dabei aufs Hörensagen setzt. Daneben spielen offenkundig auch wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Beides ist nicht sehr appetitlich – und lässt den Kampf für kleinere Unterbringungen nicht sehr glaubwürdig wirken.

Es wäre wünschenswert, wenn mehr von Obdachlosigkeit betroffene Menschen derart dezentral untergebracht werden. Das umzusetzen freilich wäre ein Kraftakt, nicht nur angesichts des Wohnungsmarkts. Und es würde ganz sicher nicht ohne neue Proteste abgehen.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Daniel Kummetz
Redakteur
Jahrgang 1986. Arbeitet seit 2010 für die taz, zunächst als Volontär, jetzt vor allem für die Nord-Redaktion in Hamburg. Schwerpunkte: Politik und Gesellschaft in Schleswig-Holstein, Kirchen, Medien.
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Banse

    Wo bleibt der Aufstand der Anständigen

    Wohnungslose und Obdachlose,so möchte es eine Bürgerinitiative dass sie kein Dach über den Kopf haben,im Bezug auf eine Obdachlosenunterkunft.

    Auf der einen Art gibt es in der kalten Jahreszeit eine Hilfswelle um die Menschen vor dem Kältetod zu retten,auf der anderen Art lässt man es nicht zu für diese Klientel eine Notunterkunft zu schaffen.

    Vorurteile,über Vorurteile,die nicht immer haltbar sind.

    Zum Menschsein gehört es,dass der Mensch sich waschen kann,Essen ud Trinken erhält,seine Kleidung wasc hen kann und dass ein Dach über den Kopf ihn vor Gefahr und Witterungsverhältnissen schützt.

    Eine Gesellschaft ist nur human,wenn sie was sie selber für sich in Anspruch nimmt,auch anderen gewährt.

  • WR
    Weiße Rose

    @Andreas Göhring

    Es ist nicht meine Aufgabe den Wahrheitsgehalt eines taz-Kommentars zu überprüfen. Genausowenig sind deine Angaben für mich überprüfbar!

    Fest steht: Soziale Einrichtungen wie Kindergärten, Hospize oder eben auch besagte Obdachlosenquartiere werden immer wieder von Anwohnern bekämpft, wenn nicht gar sabotiert.

    Wenn du hier die GAL als Alibi anführst, möchte ich dich doch darauf hinweisen, dass nun ausgerechnet diese Partei (zumindest die Grünen), längst zur Kriegspartei mutiert sind, bzw. unter Schröder/Clement(Agenda 2010) den Sozialstaat maßgeblich ruiniert haben! Da würde mich so eine Unterschriftenaktion wenig überraschen.

  • AG
    Andreas Göhring

    Lieber Daniel Kummetz: Ein kurzer Blick nach Harburg, ein paar Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen - und schon ist ein Kommentar fertig, der nur auf Hörensagen basiert. Und die Weiße Rose glaubt auch alles, was sie liest. Iwona Mazurkiewicz und ihre Mitstreiter leben schon seit Jahren in unmittelbarer Nachbarschaft einer Wohnunterkunft für Flüchtlinge und Wohnungslose. Und sie haben auch erlebt (und nicht nur davon gehört!), dass ihren Nachbarn Schmuck aus dem Wohnzimmerschrank geklaut worden ist, während sie im Garten arbeiteten. Und sie erleben, wie abends vor ihren Häusern gedealt wird. Trotzdem hat Frau Mazurkiewicz ein Paar (Migrationshintergrund, Frau schwanger) bei sich aufgenommen, als dieses von nicht in der Unterkunft lebenden Dealern massiv bedroht worden ist. Frau Mazurkiewicz zu unterstellen, sie "spiele mit Ängsten vor kriminellen Ausländern" ist infam. Dafür sollten Sie sich entschuldigen! Im Übrigen: Wissen Sie, warum Harburg so wenig große Unterkünfte hat? Weil diese in den vergangenen Jahren abgebaut worden sind und die Menschen würdiger in kleineren Gruppen untergebracht worden sind! Die neue Unterkunft mit mehr als 100 Plätzen soll in 300 Meter Entfernung der bestehenden errichtet werden. Dagegen sammelt jetzt auch die GAL Unterschriften!

  • WR
    Weiße Rose

    Essen,Trinken, ein Dach über dem Kopf, gehören zu den elementaren Voraussetzungen, um ein menschenwürdiges Leben zu führen. Hier kann und darf es nicht darum gehen, ob das nun irgendeiner Initiative (deren Initiatoren selbst sicher nicht obdachlos sind) passt oder nicht, wenn in ihrer Nähe Unterkünfte für die Ärmsten der Armen errichtet werden sollen.