piwik no script img

Reaktionen auf Pro-Atom-Studie an der HU„Notfalls eine Sperrklausel“

Im Zuge der Schwalbach-Affäre an der Berliner Humboldt Uni fordern Politiker klare Spielregeln. Wirtschaft und Wissenschaft müssten entflochten werden.

Aus der Humboldt Uni ist vorerst keine Stellungnahme zu erwarten. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Humboldt Universität bekommt Druck: In der Affäre um Professor Joachim Schwalbach fordern nun auch Wissenschaftsfunktionäre und Bundestagsabgeordnete eine entschiedene Aufklärung des Falles.

„Wenn es so problemlos möglich ist, sich hier lapidar auf die Rechtslage zurückzuziehen, dann sollte auch geprüft werden, ob die Rechtslage entsprechend verändert werden muss“, sagte der Sprecher des wirtschaftsnahen Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft, Michael Sonnabend, zur taz. „Die Humboldt-Universität sollte so viel wie möglich dazu beitragen, die zahlreichen offenen Fragen aufzuklären. Alles andere öffnet Spekulationen Tür und Tor.“

Die taz hatte den Fall des Berliner Ökonomen Joachim Schwalbach publik gemacht. Der hatte sich bereit erklärt, für das Deutsche Atomforum eine 135.000 Euro teure Pro-Atom-Studie zu erstellen. Das Geld dafür sollte jedoch über das Konto der Ehefrau fließen, die Hochschule erfuhr davon aus der Zeitung. Doch ob sein Handeln Konsequenzen hat – und welche –, will die Universität nicht mitteilen. Das Interesse des Professors daran, dass die Universität sich über ihn nicht äußere, habe Vorrang vor einem öffentlichen Interesse an einer Aufklärung des Falls.

Das kritisieren nun auch Bildungspolitiker im Bundestag. Der SPD-Abgeordnete Swen Schulz sagte der taz: „Es ist offenkundig, dass es ein öffentliches Interesse daran gibt, was ein öffentlich bezahlter Wissenschaftler wissenschaftlich macht. Die Hochschule muss nun mitteilen, ob sie Konsequenzen gezogen hat oder ob sie dies unterlassen hat.“

Der forschungspolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Martin Neumann, regte an, über eine „Sperrklausel nachzudenken, die davor schützt, dass Wissenschaftler ihr Wissen aus ihrer öffentlichen Tätigkeit gewinnbringend in den privaten Bereich transferieren“. Notfalls müssten die landesrechtlichen Bestimmungen überprüft werden.

Nicole Gohlke, hochschulpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sagte: „Die Haltung der Hochschule kann als Aufforderung verstanden werden, als Professor ruhig Nebengeschäfte auf solche Weise zu tätigen.“

Wissenschaftssenatorin sieht kein Problem

Unterdessen sieht die zuständige Berliner Senatorin für Bildung und Wissenschaft, Sandra Scheeres (SPD), offenbar kein Problem. Ihr Sprecher teilte mit: „Die Senatsverwaltung hat keine Anhaltspunkte, dass es hier Versäumnisse gibt.“

Bundespolitiker wollen nun die Initiative ergreifen. So befasste sich am Dienstag die Linksfraktion mit einem eigenen Gesetzesentwurf, der zeitnah ins Parlament eingebracht werden soll.

Damit soll die Bundesregierung aufgefordert werden, „gemeinsam mit den Ländern eine Initiative zur Zugänglichmachung und Offenlegung von Kooperations- und Stiftungsverträgen mit Hochschulen zu ergreifen und eine entsprechende Verpflichtung in den jeweiligen Gesetzen zur Informationsfreiheit bzw. der Hochschulgesetzgebung zu verankern“. Eine ähnliche Gesetzesinitiative soll in der kommenden Woche auch in der SPD-Fraktion auf den Weg gebracht werden.

Eine andere Transparenz-Offensive haben unterdessen Berliner Aktivisten im Internet gestartet. Sie rufen – ähnlich wie seinerzeit bei Exminister Guttenberg – dazu auf, eine weitere Arbeit des Wissenschaftlers Schwalbach nach Fehlern zu durchsuchen. Der hatte 2011 im Streit um die Privatisierung der Berliner Wasserbetriebe ein Gutachten im Auftrag der Berliner Industrie- und Handelskammer geschrieben. Die Kritiker bezweifeln auch hier die Belastbarkeit der Ergebnisse.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • TR
    Thomas Rudek

    Die Schwalbach-Affäre steht stellvertretend für die Unfähigkeit der Politik, eigenverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Statt die eigene Expertise in den Ministerialbürokratien zu bemühen, werden externe "Sachverständige" bemüht, unter dem Deckmantel professoraler Unabhängigkeit interessenspolitische gefärbte Expertise darzustellen. Und das Schlimme: Die vierte Gewalt, die Medien, machen mit. Als Schwalbach nach dem Wasser-Volksentscheid von der Berliner IHK beauftragt wurde, ein Gutachten zur Rekommunalisierung zu erstellen, wurde der Volksentscheid komplett ignoriert. Der "Experte" in Fragen des "ehrbaren" Kaufmanns fand die Verträge mit Gewinnausfallgarantien zugunsten der Konzerne RWE und Veolia offensichtlich für so ehrenrührig, dass die Frage, wie sich eine mögliche Vertragsanfechtung auf die Höhe der Rekommunalisierung auswirkt, in diesem Gefälligkeitsgutachten nicht berücksichtigt wurde. Es wurde so getan, als ob die Verträge juristisch folgenlos bleiben und alles so weiter läuft wie bisher. Und selbst die Presse, einschl. der taz, hat in ihrer Berichterstattung über dieses Gutachten, den zentralen und wichtigsten Aspekt, den der Vertragsanfechtung, weder erwähnt noch hervorgehoben.

     

    Bleiben wir bei der Rolle von Sachverständigen, Gutachten und der politischen Entscheidungsfndung. Nach dem Volksentscheid hat sich ein "Arbeitskreis unabhängiger Juristen" gebildet, der sich der kritischen Vertragsprüfung nicht nur angenommen hat. Er hat unterdessen in enger Zusammenarbeit mit der Transparency International und der Verbraucherzentrale Berlin gegenüber der EU eine Vorpüfung einleiten können. Darüber hinaus hat er auch in Form eines Leitfadens zur Vertragsanfechtung juristisch aufgezeigt, wie die Verträge durch "unsere" Abgeordnetenen mittels einer Organklage verfassungsrechtlich angefochten werden können. Es wird niemanden wundern, dass diese Expertise unerwünscht ist. Auch den Mitlgiedern des Sonderausschusses im Abgeordnetenhaus ist dieser Leitfaden zugestellt worden. Gab es ein Gesprächsangebot? Nein. Sollte es der taz nicht ein Anliegen sein, eine Reihe zu starten, indem jedes Mitglied des Sonderausschusses befragt wird, warum der Leitfaden als Sprengsatz für die skandalösen Verträge nicht endlich zur Zündung gebracht wird? Übrigens: die taz hatte ja dankenswerter Weise mehrere Gutachten zum Thema Teilprivatisierung im Internet publiziert. Wie wäre es, wenn auch der Leitfaden zur Vertragsanfechtung dort der interessierten Öffentlichkeit vorgestellt und zugänglich gemacht wird? Der Leitfaden kann unter www.wasserbuerger.de herunter geladen werden und gerne auf zahlreichen Portalen angeboten werden. Denn niemand soll behaupten, es gäbe keine Möglichkeit, gegen die Verträge gerichtlich vorzugehen.

    Thomas Rudek, Verfasser des Wasser-Volksgesetzes

  • MB
    Mathias Bartelt

    Mich würde ja hinsichtlich der Prüfung durch die Berliner Wissenschaftsverwaltung - hier nunmehr vertreten durch Sandra Scheeres - ein Mal interessieren, in wie weit sich die Berliner Wissenschaftsverwaltung im Rahmen von "Autonomie", "Entbürokratisierung", Stellenabbau usw. (allgemein gern eingeübte Rede: Berlin habe "immer noch zu viele Stellen im öffentlichen Dienst") überhaupt noch "berufen" oder personell in der Lage fühlt, Vorgänge wie diesen hinreichend zu prüfen. Vom möglichen politischen Willen der weisungsgebundenen Senatsverwaltung unterhalb der Senatorin ein Mal abgesehen. Und auch abgesehen von der (mithin beamten-rechtlichen) gegenseitigen Treuepflicht zwischen Wissenschaftssenatorin - die m.E. Beamtenstatus hat - und jeweiligem Hochschulleiter/-präsidenten (der m.E. ebenfalls Beamtenstatus hat).

     

    Der Parlamentsentwurf von 2011 zum nunmehr neuen Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) ist ja an manchen Stellen recht offen und erinnert zumindest mich an eine allgemein immer weiter zurück gefahrene staatliche Aufsicht - "zum Wohle der 'Entbürokratisierung'".

     

    Mensch muß nur lesen:

     

    "Bei der für Hochschulen zuständigen Senatsverwaltung wird mit der Übertragung der Bestätigung von Satzungen auf die Hochschulen auf den Stellenabbau der vergangenen Jahre reagiert. In den letzten 15 Jahren sind in den Wissenschaftsabteilungen dieser Senatsverwaltung 40 % der Stellen eingespart worden. Wie in dem Bericht der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und For-schung vom 18. September 2009 an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung des Abgeord-netenhauses von Berlin dargelegt wird, haben die Aufgaben der beiden Abteilungen dagegen zuge-

    nommen, so dass die Arbeitssituation ein kritisches Stadium erreicht hat."

     

    (Seite 70 Mitte des 2011er Parlamentsentwurfs: http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/DruckSachen/d16-3924.pdf

     

     

    Das umfaßt zwar nicht Alles - wie etwa auf Seite 53/54 dieses Parlamentsentwurfs ersichtlich wird:

     

     

    "37. Zu Artikel I Nr. 37 (§ 90):

     

    Aus Gründen der Entbürokratisierung und der Entlastung der Verwaltungsverfahren, mit der regel-mäßig zugleich eine Beschleunigung einhergeht, weist der Entwurf in Absatz 1 die Zuständigkeit für die Bestätigung von Hochschulsatzungen künftig grundsätzlich der Hochschulleitung zu, die auch bisher schon für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Beschlüsse der satzungsgebenden Organe zuständig war. Eine zusätzliche Bestätigung der für Hochschulen zuständigen Senatsverwaltung ist künftig nur noch für solche Satzungen vorgesehen, die für die Hochschule oder im Hinblick auf die

    Rechte Betroffener typischerweise besonders bedeutsam sind. Die Bestätigung bezieht sich bei allen Satzungen mit Ausnahme der Rahmengebührensatzung auf die Rechtmäßigkeit ihrer Rege-lungen. Soweit einzelne Satzungen, die künftig nicht mehr der Bestätigung der für Hochschulen

    zuständigen Senatsverwaltung bedürfen, an Rechtsfehlern leiden, besteht weiterhin die Möglichkeit, mithilfe des aufsichtsrechtlichen Instrumentariums auf eine Anpassung der zu beanstandenden Re-gelung hinzuwirken.

     

    Nicht berührt durch § 90 werden Bestätigungs- und Genehmigungspflichten nach anderen Rechts-

    vorschriften wie dem Hochschulzulassungsgesetz oder dem Landesbesoldungsgesetz. Dies wird mit der Klarstellung in Absatz 1 Satz 2 zum Ausdruck gebracht."

     

    (S. 53/54 des 2011er BerlHG-Parlamentsentwurfs: http://www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/DruckSachen/d16-3924.pdf)

     

     

    Aber es gibt einen näheren Einblick in die Verhältnisse in der Berliner Wissenschaftsverwaltung. Hier auch das 2011 letztlich entsprechend geänderte und so nun rechtskräftige Berliner Hochschulgesetz:

    http://gesetze.berlin.de/default.aspx?words=berlhg&btsearch.x=42&filter=

     

     

    Ich erinnere mich darüber hinaus an offene Gespräche 2010/11 von Studierenden mit der Berliner Wissenschaftsverwaltung im Rahmen des Bildungsstreik - auch mit Jürgen Zöllner -, in denen immer wieder ein Mal offen beklagt wurde, wie wenig Stellen ihrer Verwaltung doch für ihre Aufgaben zur Verfügung stünden. Ein wenig genauer nachschauen und schon wird ganz schnell deutlich, wie "gründlich" eigentlich die einzelnen Abteilungen oder Sachbearbeiter_innen der Wissenschaftsverwaltung noch ihre jeweiligen (mithin sogar nur noch optionalen) Aufsichtspflichten wahr nehmen können.

     

    Nun können wir etwa fragen, ob uns das letztlich "mehr Autonomie" oder "weniger Bürokratie", geschweige denn "Demokratie" bringt (von Letzterem würde keine_r in diesem Rahmen reden - am wenigsten die Hochschuleitungen). Und wie viel gesamtwirtschaftlich, gesamtgesellschaftlich und von einer langfristigen Gesamt-Effizienz her gesehen von solch mithin kurzfristigem und einseitigem "Effizienz"-Denken zu halten ist.

     

     

    Mit besten Grüßen

     

    Mathias Bartelt

  • R
    rolff

    Es ist unglaublich, dass wir mit unseren Steuergeldern solchen Mißbrauch alimentieren sollen.

    Frau Scheeres, wenn Sie da kein Problem erkennen, dann sind Sie für mich eines und sollten Ihr Amt zur Verfügung stellen.

  • C
    Cathrin

    "Im Zuge der Schwalbach-Affäre an der Berliner Humboldt Uni fordern Politiker klare Spielregeln. Wirtschaft und Wissenschaft müssten entflochten werden."

     

    und für die entflechtung von Politik und Wirtschaft doch hoffentlich gleich mit. Denn sonst hat die Entflechtung wohl kaum Aussicht auf Erfolg.

    Daas zeigen doch wohl die jüngsten Ereignisse.

  • M
    meierj

    Das hat man nun davon. Jahrelang wurde die Finanzierung der Universitäten immer mehr auf Drittmittel umgestellt, es wurde vom Hochschulmarkt gesprochen, an dem sich die höheren Bildungseinrichtungen zu positionieren hätten.

    Auch wurde die Vergütung für ProfessorInnen umgestellt und die Möglichkeit geschaffen, mit Patenten, Geld zu verdienen.

     

    Die Vergabe staatlicher Drittmittel wurde ebenfalls von Gefälligkeitsstudien abhängig gemacht. Viele Hochschullehrer_innen und Universitäten gründeten gut laufende Unternehmen, die Zeitressourcen banden, die dringend in der Lehre fehlten.

     

    Jetzt hat einer dieser Professoren, dieses Prinzip konsequent zu Ende geführt und der Aufschrei quer durch die Bank ist groß. Diese Bigotterie ist zum Erbrechen.

  • F
    Fritz

    Absurde Diskussion. Es gaebe allenfalls den Anfangsverdacht der steuerverkuerzenden Geldwaesche.