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Piraten zoffen sichMeuterei gegen Bundeschef

Der Berliner Landesverband liegt im Clinch mit Bundeschef Nerz, nicht zum ersten Mal. Auf dem Bundesparteitag Ende April könnte der Streit erneut aufbrechen.

Nicht immer beste Freunde: Piraten Andreas Baum und Sebastian Nerz (v.l.). Bild: dpa

Irgendwann kapitulierte „tirsales“. „Da Twitter eher zu Missverständnissen beiträgt als diese auszuräumen, sehe ich keinen Sinn in einer weiteren Twitter-Debatte“, twitterte Piraten-Bundeschef Sebastian Nerz. Da war der Disput mit der Berliner Piratenfraktion bereits voll ausgebrochen. Nicht zum ersten Mal.

Schon länger verbindet die hauptstädtischen Piraten und Nerz wenig. Im Berliner Wahlkampf ließ sich der Bundesvorsitzende wenig blicken. Hiesige Fraktionsmitglieder sparten wiederum nicht mit Kritik am in ihren Augen blassen Auftreten von Nerz.

Zuletzt kritisierte nun der Abgeordnete Simon Weiß den Vorstand als „grotesk dreist“, da für die Einarbeitung der neuen Bundespressesprecherin 5.000 Euro aufgewendet würden. Und diesmal keilte Nerz zurück. „Ich habe die Schnauze voll“, schrieb der 28-Jährige an Berlins Fraktionschef Andreas Baum. „Auf twitter schießt jetzt schon wieder ein Abgeordneter der Fraktion gegen den Bundesverband bzw. Beauftragte der Partei. Das hat ein Ende und zwar sofort.“ Baum solle seiner Fraktion „mal beibringen, was Verantwortung und elementare Regeln der Höflichkeit sind“. Baum antwortete mit einem offenen Brief. Es sei nicht seine Aufgabe, „für die Äußerungen einzelner Mitglieder dieser Fraktion Verantwortung zu übernehmen“.

Fraktionsmitglied Christopher Lauer bezeichnete die Kritik von Nerz am Freitag als „komplett affig“. „De facto hat es bisher keinen Austausch zwischen Fraktion und dem Bundesvorsitzenden gegeben, obwohl wir alle gut erreichbar sind.“ Daher sei Nerz‘ Schelte „nicht nachvollziehbar“. Der Streit, auch derart öffentlich, sei aber „normal und gut“, so Lauer.

Auch Fraktionsgeschäftsführer Martin Delius räumte ein Kommunikationsdefizit ein. Er habe aber in „auskömmlichen“ Telefonaten mit Nerz vereinbart, sich künftig enger und regelmäßig auszutauschen.

Nicht nur atmosphärisch, auch inhaltlich liegt der Landesverband bisweilen über Kreuz mit Nerz. Die Berliner sind Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens und Liquid Feedback, Nerz eher nicht. Das dürfte auch auf dem Bundesparteitag der Piraten Ende April eine Rolle spielen. Da treten gleich zwei Berliner mit guten Chancen gegen Nerz um den Bundesvorsitz an: die Feministin Julia Schramm und Bundesvize Bernd Schlömer. Zudem kandidiert Delius für den Job des Bundesgeschäftsführers.

Der wiegelte sogleich ab: „Es gibt keinen Überfall des Landesverbands auf den Bund.“ Die Bewerbungen stünden für sich und seien „keine Berliner Kandidaturen“, so Delius. Auch ihm gehe es nur darum, seine bisherigen Erfahrungen an die Neu-Fraktionen im Saarland und anderswo weiterzugeben. „Die Programmatik entscheiden eh die Mitglieder.“

Auf dem Piraten-Bundesparteitag im letzten Mai war noch das Berliner Sprachrohr Lauer gegen Nerz angetreten – und unterlegen. Lauer hatte damals appelliert, die Partei stärker zu profilieren und auf politische Ereignisse schneller zu reagieren. Erneut kandidieren werde er nicht, so Lauer. Seine Rede aber sei „immer noch tagesaktuell“.

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6 Kommentare

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  • S
    Stadtpirat

    Die Positionen von Herrn Nerz und auch seine Aktionen kann ich nicht teilen. Für mich disqualifiziert er sich auch und gerade, weil er unter anderem meint sich öffentlichkeitswirksam darauf einlassen zu müssen mit der Bild zu reden. Das entspricht nicht meiner Vorstellung von Ehrlichkeit. Wer ansatzweise weiß was die Bild ist, der kann und darf so eine Blatt in keiner Weise zu irgendetwas nutzen.

    Wenn es wirklich so ist, dass Herr Nerz ehemals CSU war, dann muss ich mich leider dazu hinreißen lassen zu sagen: Na, dass passt dann ja ins Bild.

     

    Wenn ich wirklich mal in der Position wäre, wie ein Herr Nerz würde ich solchen Art Publikationen jedweden Kommentar verweigern.

     

    Ich habe für mich irgendwann mal definiert, dass ich gesagt habe, wenn ein offizieller Pirat das erste Mal ein Statement in der Bild abgibt trete ich wieder aus, weil ich daran geglaubt habe, dass man gerade auch an dieser Stelle schlauer ist als alle anderen Politiker die sich nur schnell mal eben selbst darstellen wollen.

     

    Ernsthafte und ehrliche politische Arbeit dulden keinen Platz für Hetzblätter wie die Bild. Wer glaubt hier eine richtige Kommunikationsstrategie ausmachen zu können wird feststellen, dass man an dieser Stelle nicht gewinnen kann.

    Bild selber kann man nicht verbieten über die Partei zu schreiben, aber offiziell sollte man sie einfach ignorieren und damit auch langfristig demontieren.

     

     

    Vielleicht ist das eine sehr idealistische Einstellung meinerseits – ich glaube aber, dass er an dieser Stelle angebracht ist und wünschte, dass diese Ansicht sich auch bei anderen ernsthaft politisch Aktiven etabliert.

     

    Noch darüber hinaus haben wir in der Partei ein generelles Kommunikationsproblem – bis runter in die Crew-Ebene – da ist eben wenig hilfreich, wenn dann auch immer wieder solche unbedachten Dinge passieren. Ich verstehe natürlich den Druck, dass die Öffentlichkeit auch nach klaren Antworten giert oder ihnen zu mindestens durch die Presse so suggeriert wird.

    Diese Antworten gibt es, aber die werden nicht klar kommuniziert. Vielmehr gibt man genau wie die etablierten Politiker immer nur wieder solche Statements ab, dass man sich für irgendetwas bereithält, etc. pp.

    Das ist Phrasendrescherei und sind genauso platte Attitüden, wie sie andere Parteien raushauen. Sprecht nur noch über Themen, Themen, Themen und noch mal Themen!

     

    Man muss aufpassen, dass man jetzt nicht durch die kurzfristigen Erfolgsaussichten den Pfad der Tugend verlässt und sich zu Dingen hinreißen lässt, die eigentlich keiner wirklich will.

    In seinem Blog-Beitrag von Martin Delius als Entschuldigung seines misslichen Vergleichs, findet er meiner Meinung treffende Worte für die Kernansichten um die es ihm geht und die ich auch genau so sehe. Seine Fehltritt tut mir auch Leid für ihn selber.

  • EL
    Ein Leser

    Bei den Piraten dürfen auf den Bundesparteitagen alle anwesenden Mitglieder abstimmen statt Delegierter.

     

    Das hat für mich mittlerweile einen grossen Nachteil: Mitglieder sind tendenziell reisefauler als von der Basis gewählte Delegierte, d.h. die im Nahbereich eines Parteitags wohnenden Mitglieder sind prozentual in grösserer Zahl anwesend als jene 800 Kilometer entfernt.

     

    Der Ort eines Bundesparteitags hat also leichte Richtungsauswirkungen sowohl bei Personalwahlen als auch auf Inhalte (die Landesverbände sind ja leicht unterschiedlich in ihren politischen Gewichtungen)

     

    Als der Baden-Württemberger Sebastian Nerz gewählt wurde, fand dies in Baden-Württemberg statt. Was für ein Zufall! Der kommende Bundesparteitag ist in Neumünster. Viel Glück, Herr Nerz, mal schauen wieviele Mitglieder von dort unten hochreisen werden! *g*

  • T
    Transparenz

    Das sind stinknormale Quereleien, wie es sie in jeder Partei gibt. Nur bei den Piraten findet das offen und transparent auf Twitter statt. Verhindert zumindestens die totalen Intrigen.

  • LC
    Lara Croft

    Also, mit den Positionen von Herrn Nerz kann ich mich nicht identifizieren.

     

    Wenn die Piraten nicht eine linke, soziale Politik machen, die auch die Urheberrechte von AutorInnen etc. anständig vergüten will, dann sind sie unwählbar für mich.

     

    Außerdem muss diese Männerdominaz und das Gequatsche von der post-gender-Gesellschaft weg aus der Partei - das ist nur Gehirnwäsche, um zu verschleiern, das die Gleichberechtigung in Deutschland real nur in Ansätzen existiert.

     

    Linke feministische Frauen müssen nach vorn in der Piratenpartei, dann wird sie interessant.

  • EA
    Enzo Aduro

    Die Berliner Piraten sind immer so quitschig und unausgeglichen und agressiv.

     

    Das ist kein nachhaltiger Weg.

  • T
    tageslicht

    Nerz vertritt eben immer noch die Position seiner alten Partei CSU, in der es eben nicht angebracht ist, dass einzelne Abgeordnete gegen die Bundesspitze stänkern.

     

    Solange Nerz Parteivorsitzender ist, werde ich die Piraten nicht wählen. Punkt.