Sturm auf Fußballplatz in Genua: Trikot her, aber pronto!
Weil sich der CFC Genua gegen Siena blamiert, gehen die Fans den Versagern an die Wäsche. Während die Kollegen schlottern, macht Stürmer Sculli den Friedenstifter.
Beim Stand von 0:4 gegen die AC Siena stürmten am Sonntag Anhänger des CFC Genua das Spielfeld und zwangen die von ihnen als unfähig erachteten Profis zur Herausgabe ihrer Trikots. Das kann man als eine Sonderform von direkter Demokratie bezeichnen, in der das Volk von seinen Repräsentanten unmittelbare Verantwortung für die gezeigten Leistungen einfordert.
Die tumultartigen Szenen im Stadio Luigi Ferraris sorgten für ein Déjà-vu. Denn erst eineinhalb Jahre ist es her, dass serbische Hooligans vor dem EM-Qualifikationsspiel Rabatz machten. Die Partie Italien – Serbien wurde im Rauch der Feuerwerkskörper abgesagt. Genua gegen Siena wurde indes nach 50-minütiger Unterbrechung fortgesetzt.
Friedensstifter war Genua-Profi Giuseppe Sculli, eine ganz besondere Figur. Er sorgt immer wieder für Schlagzeilen, weil sein Großvater als wichtiger Pate der kalabresischen Mafia-Organisation ’Ndrangheta gilt. Sculli selbst hat schon Sperren wegen nachgewiesener Wettmanipulation aussitzen müssen und wird auch von aktuellen Wettbetrügern als Referenzgröße für Manipulationen bezeichnet. Als beherzter Schlichter zeigte er sich nun am Sonntag.
Als seine Kollegen sich längst – teils unter Tränen und vor Angst schlotternd – der Leibchen entledigt hatten, schritt der kantige Angreifer als Einziger und noch in seine Arbeitskleidung gehüllt auf die tobenden Fans zu. Er kletterte auf eine Absperrung und trat mit einem der Rädelsführer in einen Dialog. Sein Arm umschlang den Hooligan. Auch dessen Arm legte sich um den Nacken des Spielers. Und in trauter Umarmung führten sie die Verhandlungen.
Gestattetes Anschlusstor
Ergebnis war, dass Genua-Kapitän Rossi die schon auf einen Haufen geworfenen Trikots wieder an sich nehmen und unter den Kollegen verteilen durfte. Die Partie wurde wieder angepfiffen. Siena gestattete Genua das Anschlusstor. Natürlich bleibt ein Nachgeschmack beim Friedenstiften.
Denn manche Hooliganfraktion ist nicht nur in symbolischer Nähe zur organisierten Kriminalität beheimatet. Einige Ultra-Bosse verdienen beim Ticketkauf noch immer ein Zubrot auf dem Schwarzmarkt. Genua-Coach Alberto Malesani wurde jedenfalls nach dem 1:4 entlassen. Und Sculli, der Schlichter?
Der wurde wegen seiner tapferen Haltung von Verbandschef Giancarlo Abete gelobt: „Er hat gut daran getan, sein Trikot nicht herzugeben. Solche Leute dürfen nicht den Sieg davontragen.“ Allerdings wäre es zu schön zu wissen, wie genau er den Hooligan-Boss überredet hat. Hier schweigt der Held. Leider.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!