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Kommentar KinderbetreuungKitas schlecht und voll

Heide Oestreich
Kommentar von Heide Oestreich

Deutschlands Kitas sind eher schlecht, wie aus der nationalen Betreuungsstudie hervorgeht. Die Bildung der Kinder bleibt auf der Strecke – schlicht weil Kitaplätze fehlen.

F alls Sie dachten, wir hätten kein größeres Problem, als Milliarden in das Betreuungsgeld zu stecken oder Mütterrenten zu verbessern – ein Blick in die Nationale Betreuungsstudie bringt Sie zurück auf den Boden der Tatsachen.

Die Renten der Mütter gehören so oder so aufgestockt, da braucht es keine Kopplung mit den Investitionen in die Kinderbetreuung. Aber die Debatte über das Betreuungsgeld findet – gemessen an dem, was Kinder in Deutschland laut dieser Studie brauchen – in einem Paralleluniversum statt.

Die Untersuchung enthüllt, wovor viele PädagogInnen schon länger warnen: Ein Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ist prima – aber der bundesweit forcierte Kitaausbau ist derart unterfinanziert, dass er auf Kosten der Betreuungsqualität geht. Zu große Gruppen, ErzieherInnen, die für die Kleinkindpädagogik nicht ausgebildet sind, keine Qualitätskontrolle.

taz
HEIDE OESTREICH

ist Inlandsredakteurin der taz.

Zwar bekommen wir 2013 wohl den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, aber ein Recht auf einen schlechten Betreuungsplatz ist nichts wert. Denn Eltern werden die unterausgestatteten Kitas meiden und sich weiterhin auf den Wartelisten der besseren Einrichtungen auf die Füße treten. Mit anderen Worten: Der Betreuungsausbau fährt vor die Wand. Und unsere Regierung streitet stattdessen über die Subvention von Hausfrauen.

So sieht die Zukunft im emanzipierten Deutschland aus: Es gibt zu wenige Plätze in zu schlechten Kitas. Eltern zögern zu Recht, ihrem Kind den ganzen Tag diesen Stress anzutun. Und wer sich die Kitagebühren von beispielsweise 250 Euro spart und dafür noch 150 Euro Betreuungsgeld erhält, sitzt mit immerhin 400 Euro Daheimbleibeprämie zu Haus, wo das Kind allein vor sich hinspielt. Willkommen in der Bildungsrepublik.

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Heide Oestreich
Inlandsredakteurin
Jahrgang 1968, ist seit langem Redakteurin für Geschlechterpolitik in der taz und im kulturradio vom RBB. Von ihr erschien unter anderem das Buch „Der Kopftuchstreit. Das Abendland und ein Quadratmeter Islam“. 2009 wurde sie mit dem Preis „Der lange Atem“ des Journalistenverbands Berlin Brandenburg für die Berichterstattung über Geschlechterstereotype ausgezeichnet.
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10 Kommentare

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  • F
    Fredchen

    Wir bekamen eines- Schön. nur ich habe 2 Probleme, und zwar das Kind und die Mutter. Mit 150-, Kann ich sofort unter der Brücke Platz nehmen

  • SS
    Sebastian S.

    Danke Frau Oestreich,

    mit Ihrer Rechnung geben sie mir wohl ungewollt die Steilvorlage für das Betreuungsgeld:

    Super, 400,- Euro mehr in der Tasche, die Spielegruppen lieber privat organisiert im Freundes- und Verwandtenkreis mit Kleinkindern, als die Kleinen in schlechte oder überfüllte KITAS zu geben.

    Das Betreungsgeld in Deutschland solange befristen, bis endlich genug ordentliche KITA Plätze bereitstehen und diese dazu auch noch garantiert sind (hoffentlich ist es 2017 soweit!).

    Heutzutage dürfte es genügend Väter und Mütter geben, denen die Zeit mit ihrem Kind wichtiger ist als Geld und Karriere und diese zumindest bis zu 3 Lebensjahr des Kindes gerne zurückstellen und die Betreungszeit genießen.

    Und dann:

    Endlich im Alter von 3 Jahren eine Kindergartenpflicht einführen für alle, damit wir endlich die nervigen Debatten über die Förderung unsere Kinder los sind!

    Wenn "Mutti" schon wieder wesentlich früher weiter an Ihrer Karriere basteln will, sollten dann doch (noch) genug (Rest)Plätze vorhanden sein und der Kampf um die KITA Plätze der Vergangenheit angehören.

  • M
    MOMO

    @ Wolfgang Banse:

     

    "Deutsche Kitas müssen ihr Niveau anheben,um auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig zu seinwas sie zur Zeit nicht sind."

     

    Eltern bekommen ihre Kinder nicht um künftige Rentenzahler oder ausbeutbare Humanresourcen heran zu züchten,

    und auch bestimmt nicht, dass sie in einem aberwitzigen, menschenfeindlichen Wettbewerb verheizt werden.

     

    Lasst unsere Kinder im Kindergarten wieder spielen.

    Schmeißt die grauen Bertelsmänner raus.

  • O
    Olivia

    "Und wer sich die Kitagebühren von beispielsweise 250 Euro spart und dafür noch 150 Euro Betreuungsgeld erhält, sitzt mit immerhin 400 Euro Daheimbleibeprämie zu Haus, wo das Kind allein vor sich hinspielt. Willkommen in der Bildungsrepublik."

     

    Ihrer Logik zufolge ergibt sich die Höhe, der durch den Krippenbesuch des Kindes erzielten Fremdbetreuungsprämie, dann wohl aus der Differenz zwischen den tatsächlich anfallenden Kosten für den Krippenplatz und den Kosten, die den Erziehungsberechtigten hierfür in Rechnung gestellt werden. Na, grob geschätzt dürfte diese Fremdbetreuungsprämie so um die tausend Euro pro Monat betragen.

    Oder sehe ich da jetzt irgendwas falsch?

     

    Gruß

    Olivia

  • WB
    Wolfgang Banse

    Zum Wohl des Kindes

    Deutsche Kitas müssen ihr Niveau anheben,um auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig zu seinwas sie zur Zeit nicht sind.

    Qualität sollte schon den Jüngsten in der Gesellschaft zu Gute kommen,wenn sie Kitas besuchen.

  • FE
    Frau Edith Müller

    @Lothr:

    Viel schlimmer ist, dass UNSERE Kinder die Renten und Pensionen dieser unsäglich blöden, kinderlosen Weiber erarbeiten /zahlen werden. Diese Puten wissen in ihren arschwarmen Büros nicht mal, was Arbeit bedeutet, geschweige denn Liebe zu Kindern.

  • S
    sillything

    Freiheit??? Warum kann nicht jeder möglichst frei entscheiden, wann er sein Kind wohin gibt, bevor die Schulpflicht einsetzt? Die Gesellschaft überaltert rapide - trotzdem gibt es kaum familienfreundliche Städte, Arbeitszeiten, Kita-Zeiten, Kita-Plätze und nebenbei wird noch draufgehauen, wenn jemand sich dafür entscheidet, die Kinder zu Hause zu haben. Woher kommt dieser irre Zwang zum Vorschreiben, gerade was Familie und Kinder betrifft? Das ist völlig pervers.

  • A
    Andi

    Danke Lothr,

    eine Stimme der Vernunft im Meer der Getrieben.

    Wir werden noch erleben, wie sich die Generation der Kita-Kinder

    ihre neue Welt baut.

  • UK
    Ulla K.

    Ich aheb mich heute auch schon gefargt, wem diese Regelung udn vor allem deren Durchsetzung tatsächlich nutzen soll.

    http://ullakeienburg.wordpress.com/2012/04/27/wen-schwacht-das-betreuungsgeld-eine-finte/

  • L
    Lothr

    Subvention von Hausfrauen? Die herablassend-aggressive Formulierung zeigt, was sich im Kern der heute dominierenden Mainstream-Schwundform des Feminismus verbirgt: Frauenhass. Hass auf alle, die sich der Erwerbstätigkeit, dem Zwang zur Lohnarbeit verweigern. Ich bin Hausmann, der nebenbei (von zu Hause) freiberuflich arbeitet, aber vor allem 2 Kleinkinder betreut (die in keine Kita gehen, weil sie nicht wollen). Muss ich mich jetzt auch schon von der taz verhöhnen lassen? Was heißt auch "alleine vor sich hinspielen"? Kinder wollen sehr oft in Ruhe etwas spielen, auch für sich allein, und das können sie in der Kita nicht, wo sie dauernd gestört werden. Und es gibt Nachbarskinder. Na ja, oder es gab sie mal, bevor diese Kitapropaganda von rechts und links einsetzte und alle in den Kinderghettos verschwanden, so dass man draußen heute kaum noch Kinder antrifft. Was für ensetzlich reaktionäre Tendenzen die vermeintliche fortschrittlich Linken heute mitbedienen. Letztlich übrigens im Interesse der Arbeitgeber, denn je mehr Ehepartner (mit-)arbeiten gehen, desto leichter kann man die Löhne drücken, super! danke, taz.