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Plagiatsvorwurf gegen MinisterinSchavan im Prüfungsstress

Die Uni Düsseldorf untersucht jetzt die Doktorarbeit der Bildungsministerin. Entlastung erfährt sie durch die Plagiatsjäger von "Vroniplag".

Hofft auf Amtshilfe von oben: Bildungsministerin Annette Schavan. Bild: dapd

BERLIN taz | Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) äußert sich vorerst nicht weiter zu den Plagiatsvorwürfen gegen sie. „Was gesagt werden musste, ist gesagt worden“, meinte ein Sprecher am Donnerstag. Der Süddeutschen Zeitung hatte Schavan gesagt, sie habe ihre Doktorarbeit „nach bestem Wissen und Gewissen“ geschrieben. Den Vorwurf des Plagiats wies sie zurück.

Nun wird sich die Universität Düsseldorf, an der Schavan 1980 promovierte, des Falls annehmen. Die Uni war am Mittwoch – zusammen mit mehreren Medien – per Fax über Plagiatsvorwürfe gegen Schavan informiert worden. Unterzeichnet war das Fax mit dem Allerweltsnamen „Robert Schmidt“.

Der Absender schreibt, er habe auf über 50 der insgesamt 351 Seiten „Stellen gefunden, die ich als Plagiate einstufe. Quantitativ reichen diese zwar nicht an Fälle wie Karl-Theodor zu Guttenberg […] heran; dennoch haben sie ein beträchtliches Ausmaß …“

Viele der gefunden Stellen sind als sogenannte Verschleierung gekennzeichnet – umformulierte Textstellen, die erkennbar von fremden Quellen stammen, aber nicht entsprechend kenntlich gemacht wurden. Das Fax enthielt keine Kontaktadresse, auf dem Blog schavanplag.wordpress.com wurde die Kommentarfunktion deaktiviert. Mit anonymen Vorwürfen könne sie schwerlich umgehen, sagte Schavan dazu.

„Magna cum laude“

Doch der Promotionsausschuss der philosophischen Fakultät an der Uni Düsseldorf wird sich in der nächsten Woche mit den Vorwürfen befassen. Schavan hatte ihre Dissertation zum Thema „Person und Gewissen“ dort vor 32 Jahren mit der zweitbesten Note „magna cum laude“ abgeschlossen.

Die Opposition hält sich bisher zurück. Der forschungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ernst Dieter Rossmann, sagte der taz: „Ich hoffe, dass da nichts dran ist. Denn das würde nicht nur die Wissenschaftsministerin, sondern auch die Wissenschaft unglaubwürdig machen.“

Entlastet wird Schavan ausgerechnet von den Plagiatsjägern der Internetplattform VroniPlag. Diese hatten von Dezember 2011 bis April 2012 auch die Arbeit der Forschungsministerin untersucht. Mit knapper Mehrheit kamen die Administratoren damals nach Angaben eines Mitstreiters zu der Entscheidung, dass ihr „Fall“ nicht den „Publikationskriterien“ von VroniPlag gerecht werde.

Nach diesen müssten mehr als zehn Prozent der Seiten belastbare Plagiatsstellen enthalten. Außerdem müsse klar ersichtlich sein, dass es sich um eine systematische Form des Plagiierens handele. "Beide Kriterien sah die Mehrheit der VroniPlag-Administratoren in diesem Fall nicht als erfüllt an."

Ein Grenzfall

Kritik an diesem Befund übt der inzwischenen ausgeschlossene Gründer von VroniPlag, Martin Heidingsfelder. Bei Schavans Arbeit handele es sich um einen Grenzfall, der gleichwohl öffentlich diskutiert werden müsse.

Er lobte „Schmidt“: „Da ist jemand ausgegrenzt worden und hat sich auf den Weg gemacht.“ Heidingsfelder betonte gegenüber der taz, dass weder er selbst noch einer seiner Mitarbeiter hinter den anonymen Vorwürfen gegen Schavan steckten.

Den Vorsitzenden der Berliner CDU-Fraktion, Florian Graf, hat seine Partei am Donnerstag trotz seiner Plagiatsaffäre im Amt bestätigt. Die Universität Potsdam hatte ihm am Mittwoch seinen Doktortitel aberkannt.

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6 Kommentare

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  • V
    viccy

    Der Dr. muss weg, da darf es keine Sonderbehandlung geben.

     

    Man muss ihre Arbeit da nicht mit Guttenberg vergleichen - nach der Argumentation könnte man jeden Faustschlag ins Gesicht unter den Teppich kehren, weil in der Menschheitsgeschichte schon viel schlimmeres passiert ist - Schwachsinn hoch drei.

  • B
    Bobo

    Und immer wieder die Frage: Was sagt das über die Politik aus, die die im Amt bestätigten Plagiatoren der CDU und FDP (bisher kenn ich nur aus diesen Parteien Plagiatoren) auf ihren jeweiligen Ebenen machen?

    Wie war nochmal der (eigentlich ätzende) Spruch:

    "Aus einem Jungen der lügt, wird ein Kerl der betrügt".

    Dem nicht-betitelten Mitglied (und dem Bürger) generell scheint das egal zu sein.

     

    Doktor-und sonstige wissenschaftliche Abschlüsse werden mit hohem persönlichen Verzicht erarbeitet und am Ende stellen sich die Wertkonservativen hin und demonstrieren: Werd erwachsen, die Welt funktioniert so nicht ausserhalb des Kindergartens (oder der Uni).

     

    Fr. Merkel hat ja nach eigenem Bekunden auch nicht einen Doktor sondern Aussenminister angestellt.

    Frechheit siegt eben.

  • Z
    Zafolo

    Schavan beklagt sich über die Anonymität der Vorwürfe. Doch die Aufdeckung ihres Urhebers würde nur eines ermöglichen: Ihn juristisch unter Druck zu setzen.

     

    Jeder Plagiats- oder Verschleierungsvorwurf ist im Einzelnen zu belegen, denn in allgemeiner Form könnte er nicht entkräftet werden. Dies ist geschehen - und wenn man sich die im Artikel verlinkte Seite anschaut, sind die Belege nicht nur konkret und substanziell, sondern untermauern den behaupteten Sachverhalt massiv. Nun liegt es an Schavan, die Belege zu entkräften, wenn sie es kann. Ein Entkommen Schavans halte ich aber nur noch für möglich, wenn die angegebenen Zitate und Quellen rundweg nicht stimmen.

     

    Sollte es möglich sein, die Belege zu entkräften, so war der Vorwurf falsch - wonach es zur Zeit nicht aussieht. Nachweislich falsche Vorwürfe können selbstverständlich den strafrechtlichen Tatbestand übler Nachrede erfüllen. Bei richtigen Vorwürfen spielt die Person ihres Urhebers keine Rolle.

     

    Man kommt also so oder so nicht darum herum, genau zu prüfen wieweit die Vorwürfe berechtigt sind.

  • S
    StudentIn

    Ist es nicht spannend, das diese Plagiatsvorwürfe gegen PolitikerInnen gerade in Zeiten des Internets und der freien Informationen aufkommen? Ein Bekannter von mir hat versucht hierzu ein paar Gedanken zu formulieren:

    http://www.thinktransatlantic3.com/2012/05/plagiarism-and-politics.html

  • MK
    Martin Klicken

    Wie man im Analysenamensraum bei VroniPlag Wiki nachlesen kann, wurde das vorher klar besprochen. Der Betreffende hat sich gewünscht, dass es eine Entscheidung dazu gibt, ob der Fall im VroniPlag Wiki nach gemeinsamer Bearbeitung auch "publiziert" werden kann. Andernfalls würde er das wahrscheinlich anderweitig öffentlich machen. Es wurde also, entgegen der Aussage Heidingsfelders im Artikel, niemand ausgegrenzt. Der Fall wurde gemeinsam lange besprochen, zuletzt wurde abgestimmt. Alle an der Abstimmung Beteiligten konnten mit dem Ergebnis leben und es akzeptieren. Das respektiere ich. Auch die Entscheidung, das dann an anderer Stelle zu dokumentieren.

  • B
    BPecuchet

    Ein Blick auf die Homepage mit der Dokumentation lohnt. Schavan hat demnach in der Regel Textstellen anderer Autoren adaptiert, deren Satzstellungen sie dann umgebaut hat. Auffällig ist aber, dass einige dieser Stellen gar keinen Erkentnisgewinn bieten, etwa wenn eine bereits überschlägig gehaltene Zusammenfassung eines Werks von George Herbert Mead durch den Autor Helmut Fend bei Schavan in umgebauter Form noch einmal verwurstet wird. Hier wird ein Verständnis von Wissenschaft erkennbar, dass den Wert der Arbeit eher in der Quantität als in der Qualität sieht. Warum dieses bemühte Zusammenstoppeln einmal mit "magna cum laude" bewertet worden ist, erschließt sich aus den zugänglichen Textstellen nicht.