Armenien vor den Wahlen: „Keine Stimme fürs kriminelle Regime!“
Kurz vor den Parlamentswahlen am Sonntag nimmt die Gewalt zu. Die Unterscheidung zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien wird immer schwieriger.
BERLIN taz | Nach dem 6. Mai wird Armenien ein Paradies auf Erden. Derlei Versprechen hören die Menschen in der Kaukasusrepublik mit 3,3 Millionen Einwohnern seit fast vier Wochen. Jeden Tag sprechen Politiker auf Versammlungen unter einem Motto wie: „Zusammen versetzen wir Berge!“ oder „Wir müssen daran glauben, damit sich etwas verändert!“
Je näher die Parlamentswahl vom Sonntag rückt, desto intensiver wird der Wahlkampf. Am Donnerstag brach in der Stadt Masis eine Schießerei zwischen Anhängern der beiden Regierungsparteien Republikanische Partei und Blühendes Armenien aus. Am selben Tag schlugen in der Hauptstadt Jerewan Aktivisten der Republikanischen Partei einen Vertreter der oppositionellen Partei Erbe.
Um die 131 Mandate kämpfen acht Parteien und ein Bündnis. Die seit vier Jahren regierende Koalition aus Republikanischer Partei, der Partei Blühendes Armenien sowie der kleineren Partei Rechtsstaat hat gute Chancen. Ihre Bilanz ist jedoch alles andere als beeindruckend.
Die Wirtschaftslage ist desolat. Jährlich kehren zehntausende Armenier ihrer Heimat für einige Monate den Rücken, um im Ausland zu arbeiten. Nach amtlichen Angaben betrug das monatliche Durchschnittseinkommen im Jahr 2011 umgerechnet 220 Euro, Renten lagen bei 52 Euro, knapp 50 Prozent des Existenzminimums. Die Einkommen steigen zwar, die Preise aber auch.
Krankenhausbesuche und Kinderkriegen kostet nichts
Als Erfolg reklamiert die Regierung für sich, dass der Besuch einer Poliklinik sowie Entbindungen kostenlos sind. Und ein Hauptgrund für die wirtschaftliche Misere ist die Isolation des Landes von seinen Nachbarn Aserbaidschan und Türkei wegen des ungelösten Konflikts um Berg-Karabach und wegen des Streits über die Anerkennung des türkischen Genozids an den Armeniern im Jahr 1915.
Eine wirkliche Alternative zur Regierung auszumachen, ist schwierig. Alle Parteien wollen gegen Korruption kämpfen und mehr Arbeitsplätze mit angemessenen Löhnen schaffen. „In Armenien ist es kompliziert, zu definieren, wer Opposition ist“, sagt Manvel Sargsyan, Direktor des Jerewaner Forschungsinstituts für nationale und internationale Studien.
Oppositionsbündnis nennt das Regime „kriminell“
So kritisiert das Oppositionsbündnis Armenischer Nationalkongress unter dem ersten Präsidenten des unabhängigen Armeniens, Levon Ter-Petrosyan, die Regierung unter dem Motto: „Keine Stimme für das kriminelle Regime!“ Gleichzeitig verhandelt Ter-Petrosyan angeblich über eine mögliche Regierungsbeteiligung nach den Wahlen. Dies hänge damit zusammen, dass kein Politiker an freie und faire Wahlen glaube, sagt Sargsyan: „Deshalb suchen die Parteien nach alternativen Wegen, um ins Parlament zu kommen.“
Laut Umfragen wollen 37 Prozent der Wähler definitiv nicht wählen gehen. Nur 27 Prozent wollen abstimmen und wissen bereits, für wen.
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