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Montagsinterview mit zwei Rapper-Brüdern"Unser Projekt gibt es erst seit 3.000 Jahren"

Robert Gwisdek ist Schauspieler, sein Bruder Hannes ist Musiker. Zusammen schwingen sie sich als "Shaban & Käptn Peng" auf, mit grandios durchgeknallten Texten und schräger Musik den deutschen HipHop zu retten.

Die Brüder Robert und Hannes Gwisdek machen deutschen Hiphop. Bild: Anja Weber

taz: Ich habe zwei Fragen, von denen ich vermute, dass Sie Ihnen nicht gefallen werden.

Robert Gwisdek: Man sagt, es ist alles schon gefragt worden, nur nicht von jedem. Es ist auch alles schon gesagt worden, nur nicht von jedem. Vielleicht treffen wir uns da. Aber was ist denn überhaupt die zweite Frage? (allgemeines Gelächter)

Die zweite Frage wäre, ob es sein muss, dass nun ein weiterer Schauspieler meint, Musik machen zu müssen.

Hannes Gwisdek: Geil. Aber ich bin ja kein Schauspieler.

Die Gwisdek-Brüder

Die Brüder: Der 28-jährige Robert und der drei Jahre ältere Johannes Gwisdek sind die Söhne der Schauspieler Corinna Harfouch und Michael Gwisdek. Hannes arbeitet als DJ, Film- und Theatermusiker, zuletzt in Halle und Wien. Robert studierte Schauspiel an der HFF in Potsdam und spielte am Theatern und in Filmen. In „Renn, wenn du kannst“ (2010) brillierte er als ebenso zynischer wie verletzlicher Querschnittsgelähmter.

Die Band: Als Shaban & Käpt’n Peng machen die beiden Brüder seit drei Jahren zusammen HipHop. Hannes ist am Computer für die Musik zuständig, über die Robert in schier endlosen, aber immer rhythmischen Monologen voller Wortwitz und Sprachkraft die labyrinthischen Zustände in seinem Gehirn zu erforschen versucht. Auf die Bühne gingen die Brüder anfangs zu zweit, nun immer öfter mit ihrer Band „Die Tentakel von Delphi“, die sehr überzeugend so tun, als sei HipHop eine Form von Straßenmusik.

Der Kreis: Das Kreislabor ist der Rahmen, in dem die Gwisdeks und ihr Netzwerk aus Freunden und Familie Ideen verwirklichen – etwa die erste Regiearbeit von Robert, der Kurzfilm „Das Heimweh der Feldforscher“, der erfolgreich auf Festivals lief. Unter dem Label Kreisfilm entstehen Videoclips, bei Kreismusik erscheint das Debütalbum „Die Zähmung der Hydra“ – Release wird am 9. Mai im Lido in Berlin gefeiert. Laut www.kreismusik.de außerdem in Planung: „Kreismöbel, Kreiskleidung, Kreistherapie, Kreisbabynahrung, Kreissport, Kreispflanzen und Kreissaal“. (tw)

R: Das wurde ich seltsamerweise noch nie gefragt. Gute Frage.

Und was antworten Sie darauf?

R: Ja, muss das denn sein, dass so wenige Schauspieler Musik machen? Oder: Muss das sein, dass ich mein Musikerdasein durch meine Schauspielerei finanziere? Wahrscheinlich haben Sie Recht: Das muss alles nicht sein.

H: Ich würde fragen: Hat das überhaupt was miteinander zu tun?

R: Ich könnte zu meiner Verteidigung auch vorbringen: Ich mache zwar noch nicht immer Musik. Aber ich spiele auch nicht schon immer schau.

Seit wann machen Sie Musik?

H: Unser gemeinsames Projekt, Shaban & Käptn Peng läuft noch nicht so lange. So dreitausend Jahre, das ist ja nix.

R: Vor 1.500 Jahren sind dann „Die Tentakel von Delphi“ dazu gestoßen, das ist unsere Trash-Punk-Rap-Shit-Begleitcombo.

In 3.000 Jahren haben andere Weltreiche errichtet und wieder verloren.

R: Wir auch, wir sind jetzt nur inkognito unterwegs.

Ist es da sehr geschickt, sich ausgerechnet als Söhne berühmter Eltern zu verkleiden? Das ist allerdings die berüchtigte erste Frage, die Sie wahrscheinlich nicht mehr hören können.

H: Mich würde es sehr froh machen, wenn man die Sache mit den Eltern raushalten könnte. Ich weiß, alle denken, das ist spannend. Aber ist es eigentlich nicht.

Nicht jeder steht schon als Kind vor der Kamera. Sie waren acht und fünf Jahre alt, da haben Sie in einem Kinofilm mitgespielt, „Treffen in Travers“, Ihr Vater führte Regie.

R: Gespielt ist sehr übertrieben.

H: Wir laufen einmal quer durchs Bild und sehen furchtbar süß aus. Aber wir waren klein und da ist es nicht so schwer, süß auszusehen.

Die Filmkarriere von Hannes endete schnell wieder.

H: Ich war nochmal Statist.

Wollten Sie sich von Ihren Eltern abgrenzen und deshalb kein Schauspieler werden?

H: Nein, bei mir gab es einfach schon immer eher die Verbindung zur Musik. Ich war im Chor, in der Samba-Trommelgruppe, ich hatte Gitarrenunterricht – aber ich war ein faules Schwein. Dann kam der Computer, und da war es um mich geschehen. Ich habe Drum & Bass programmiert und angefangen, aufzulegen. Dann habe ich Tontechniker gelernt, weil ich wissen wollte, an was ich da herumdrehe. Aber es war ganz sicher nie so, dass ich Musiker werden wollte, um mich von meinen Eltern abzugrenzen.

Wie war das bei Ihnen?

R: Die Gründe, warum ich und Hannes tun, was wir tun, sind auf jeden Fall nicht darauf zu reduzieren, dass der eine gesagt hat: Die Schauspielerei ist geil. Und der andere: Ich will mich da abgrenzen. So simpel ist das nicht. Ich würde mich auch niemals als Schauspieler definieren. Deshalb ist die Frage, ob die Welt noch einen musikmachenden Schauspieler mehr braucht, für mich sehr absurd. Das ist viel komplexer, das kann man nicht in einem Interview erklären.

Man könnte es versuchen.

R: Das beginnt schon damit, dass es ein Unfall war, dass ich in diese Richtung gegangen bin. Ich musste aus der Schule raus und für die Schauspielschule braucht man kein Abitur. So einfach ist das manchmal.

Sie verdienen immerhin Ihr Geld damit und haben den einen oder anderen Preis gewonnen.

R: Aber meine Persönlichkeit ist nicht die eines Schauspielers. Ich könnte den Beruf nicht lange ausführen und damit glücklich sein. Ich fühle mich einfach nicht wohl darin, die Vision eines fremden Menschen lebendig werden zu lassen.

Deswegen versuchen Sie es jetzt als Rapper?

R: Als Rapper fühle ich mich wohler. Aber eigentlich bin ich ja auch kein Rapper. Ich spreche bloß schneller, als der normale Singer-Songwriter singt. Deswegen passt mehr Text in weniger Zeit – und wird fälschlicherweise als HipHop identifiziert. Wir machen gar keinen HipHop.

Wer sagt das?

H: Viele. Anfangs sind wir oft gefragt worden, wie wir das nennen, was wir so machen. Und wenn wir gesagt haben: HipHop, dann haben die gesagt: Aber HipHop ist doch mit Gangstern, dicken Autos und heißen Tanten. Aber dieses Klischee hat doch mit HipHop gar nichts zu tun. HipHop ist für mich tanzbare Musik, über die man hervorragend Inhalte verbreiten kann. Dass das kaum jemand noch weiß, dass sich diese Ghettoschiene so durchgesetzt hat, hat mich schon immer genervt.

Was genau setzen Shaban & Käptn Peng diesem Klischee entgegen?

R: Müsli-Rap. Wurde uns jedenfalls schon vorgeworfen.

Tatsächlich treten Sie nicht wie im HipHop üblich mit DJ auf, sondern lieber mit Ihrer Band, die auf Gitarren ebenso spielt wie auf Baueimern oder einem alten Reisekoffer.

H: Wir machen, was wir machen. Wir haben nie gesagt: Gangsta-Rap ist doof, wir setzen dem jetzt etwas entgegen. Wir sind nie einem Kalkül gefolgt. Mich hat HipHop schon immer fasziniert, aber ich hatte niemanden, der rappen konnte. Dann hat mich Robert eines Tages im Übungsraum besucht, ich habe ihm einen Beat vorgespielt und er hat darüber gerappt.

Diese Raps, in denen Sie vor allem von Ihrer Identitätsfindung erzählen, von Ihrem Ich und dem Dunklen, das da raus will, die kamen einfach so?

R: Natürlich nicht. Ich hatte diese Texte schon geschrieben.

H: Von da an haben wir eben rumgespielt. Als wir drei Tracks hatten, haben wir zu einem Song ein Video gemacht, einfach weil's Spaß macht. Dann haben wir das Video bei YouTube hochgeladen, weil's geht und nichts kostet. Und plötzlich hat das von selbst funktioniert.

Sie wurden zu einer kleinen Internetsensation.

H: Man kann sich im Netz ohne viel Aufwand oder Kosten präsentieren. Ich finde, das demokratisiert diese Musikszene unheimlich, die sich so lange in den Klauen der Majorlabels befunden hat. Die haben lange diktiert, was möglich ist und was nicht. Das scheint nicht mehr so zu sein, das finde ich traumhaft.

Es ist aber auch schwierig, in dieser grauen Masse Internet aufzufallen.

H: Wir hatten da jetzt nicht so große Probleme. Es scheint so zu sein, dass das, was wir machen, Potential hat, den Leuten zu gefallen.

Könnte es auch daran liegen, dass man ihn schon mal anderswo gesehen hat?

R: Ich glaube, dass diese ersten positiven Reaktionen damit gar nichts zu tun hatten. Sondern die Leute haben gemerkt: Wir machen nicht einfach nur witzigen HipHop, der ein bisschen anders ist. Sondern wir machen Musik aus einer Emotion, die im HipHop selten ist. Die Ich-säge-mir-meinen-Kopf-auf-um-den-Flamigo-zu-befreien-Emotion.

Als Rapper, der gar kein Rapper ist, muss man sich gewisse Techniken aneignen. Woran orientiert sich der Rapstil von Käptn Peng?

H: Der Reimstil orientiert sich an Robert.

R: Bei mir ist das übers Gedichteschreiben entstanden. Ich war süchtig nach Reimen, ich hab immer mit Worten herum gespielt. Aber weil ich immer im Vier-Viertel-Takt gedichtet habe, war das wohl relativ einfach zu übertragen.

Ist Rap überhaupt geeignet, um die psychologisch-philosophischen Texte von Käptn Peng zu transportieren?

R: Nein, Rap ist eigentlich zu schnell.

H: Finde ich nicht. Ich glaube, Rap ist eine sehr gute Möglichkeit, auch komplexe Zusammenhänge zu transportieren, weil eine viel größere Informationsdichte möglich ist als bei anderen Musikformen.

R: Ich glaube, man kann sich entweder auf den Inhalt oder auf den Rhythmus einlassen. Das funktioniert beides. Man kann sich auch auf die Musik, auf den Flow der Raps einlassen, ohne überhaupt auf den Inhalt zu achten. Ich will sowieso niemandem etwas erzählen, niemand soll eine Botschaft mitnehmen aus meinen Texten. Ich denke nicht, dass es wichtig ist, was ich da zu sagen habe. Wenn sich jemand darauf einlässt, ist das schön. Aber deshalb mache ich es nicht.

Warum dann?

R: Ich arbeite mich ab an dem, was mich beschäftigt. Deshalb schreibe ich die meiste Zeit darüber, dass ich eine gespaltene Persönlichkeit bin.

Rappen wird zur Selbstherapie.

R: Ich würde es Formulierungstherapie nennen. Beim Rappen bringst du Gedanken nicht nur in Worte, sondern auch gleich in eine geordnete Form. Das Reimen zwingt dich dazu, dich nicht nur mit dem Inhalt, sondern auch mit der Struktur des Satzes zu beschäftigen.

Und das hilft, Struktur in den Kopf zu bekommen?

R: Ich weiß nicht, ob das wirklich eine therapeutische Wirkung hat. Wenn jemand seine Zellenwand voller bunter Blumen malt, hilft ihm das ja auch nicht, ihn davon zu überzeugen, er säße auf einer Blumenwiese und nicht im Knast. Aber es hilft, weil man etwas tut, in das man seine Konzentration, seine Liebe legen kann. Und wenn das ein Gedanke ist, dann hilft das auch, den Gedanken loslassen zu können. Dann ist das mal formuliert, dann ist es abgehakt.

Dafür ist es jetzt ein Gedicht oder ein Rap.

R: Nicht nur. Ein Kurzfilm von mir lief gerade auf verschiedenen Festivals. Ich habe noch zwei Drehbücher fertig für Langfilme, die ich gar nicht versucht habe, zu finanzieren. Ich habe ein komplettes Buch geschrieben. Liegt aber alles in der Schublade.

Warum bringen Sie das nicht raus?

R: Zwei Wochen, nachdem ich etwas fertig gestellt habe, interessiert es mich oft schon nicht mehr. Ich habe das Gefühl, ich bin den Gedanken losgeworden – und jetzt ist es ein alter Gedanke, der nach Kuh schmeckt.

Bei den Songs ist das anders?

H: Da komme ich ins Spiel.

R: Hannes ist der Gute. Er zwingt mich, Sachen fertig zu machen. Ich würde keinen einzigen Song herausbringen, weil ich damit nicht klarkomme, dass etwas abgeschlossen ist.

Wie geht es Ihnen, wenn Sie nun das Album hören?

R: Ich höre es mir nicht an. Das geht gar nicht. Auch die Clips kann ich nur schwer angucken.

Auf der kommenden Tour wird Käptn Peng seine Lieder auf der Bühne reproduzieren müssen.

R: Live ist es etwas anders. Da lässt sich meistens genau die 25. Persönlichkeit aus mir herauslocken, die das wirklich geil findet und auf der Bühne einen Energieschub aus einer mir nicht bekannten Quelle bekommt.

Im Nichtschauspieler und Nichtrapper ist also doch eine Rampensau versteckt?

R: Die gibt es scheinbar auch. Es gibt jemanden in mir, der will ganz ganz laut schreien, in unterschiedlichen Farben und Formen. Aber all die anderen möchten danach sofort wieder verschwunden sein und niemand soll die wiedererkennen.

Klingt anstrengend.

R: Ist es auch. Aber es hilft, Texte zu schreiben, um diese Stimmen loszuwerden.

Das Rappen schützt Sie vor dem Wahnsinn?

R: Das Rappen hilft mir, die Mitte zu finden in diesem Gewitter in meinem Kopf. Das Gewitter ist immer noch da, aber ich habe dann das Gefühl, ich muss mich dem jetzt nicht widmen. Es gibt das Thema Wahnsinn nun mal in meinem Leben. Aber auch als eine notwendige Erfahrung, um einen anderen Wahnsinn zu bekämpfen. Nämlich den Wahnsinn, es gäbe da diesen Glaubenssatz, dass ich Robert Gwisdek bin. Das klingt jetzt vielleicht wahnsinnig: Aber für mich hat sich irgendwann herausgestellt, dass die Vorstellung, dass ich Robert Gwisdek bin, eben nicht der Wahrheit letzter Schluss ist.

Wie hält das der Bruder aus?

H: Mit diesen 25 verschiedenen Roberts?

R: Jetzt kommt's.

H: Das ist nicht immer einfach, aber mit mir ist es ja auch nicht immer einfach. Außerdem sind das ja auch 25 wahnsinnig liebenswerte Personen. Ich kann die eigentlich alle ganz gut leiden.

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2 Kommentare

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  • PP
    Peter Pähpunkt

    seine texte erscheinen oftmals urig genial. als hätte er Wochen damit verbracht diese genialen Zeilen zu tage zu bringen aber im Endeffekt drückt er, so wie jeder andere Künstler welcher mit Kunst schlicht versucht Emotionen expressiv zu bearbeiten, seine Gefühle aus. Erst durch Emotionen entstehen die beeindruckendsten Kunstwerke dieses Planeten, es benötigt keinen Funken Intelligenz nur schlichte Gabe zum Ausdruck von Gefühlen. Wobei es nicht schlicht einfach nur "schlicht" ist, sondern daraus resultierend unglaublich faszinierende Kreativität mündet.

  • A
    anke

    So entsteh'n Gerüchte! Dass Robert Gwisdek "den deutschen HipHop [...] retten" will, war seinen Interview-Antworten eher nicht zu entnehmen. Hängen bleiben wird die Behauptung trotzdem. Dabei hat er eigentlich nur nicht widersprochen, als man ihm unterstellt hat, er würde sich selbst retten wollen mit seinen Raps. Und zwar ganz ohne sich dabei wo hin zu "schwingen". Ich wüsste ja zu gern, wie die taz-Überschriften-Untertitler auf ihre Behauptung kamen. Wie wär's denn mal mit einem entsprechenden Interview?