piwik no script img

Missbrauch im SportFührungszeugnis für Sporttrainer

Als erster Verband im Norden empfiehlt der Bremer Landessportbund seinen Mitgliedsvereinen, von Trainern ein Führungszeugnis zu verlangen - um Kinder und Jugendliche vor Missbrauch zu schützen.

Gefährdet: Heranwachsende beim Sportunterricht Bild: dpa

BREMEN taz|Wer in Bremens Sportvereinen mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, soll in Zukunft ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Und zwar das sogenannte „erweiterte“, in dem auch geringe Haft- und Geldstrafen auftauchen, etwa wegen des Besitzes von Kinderpornografie oder Misshandlung von Schutzbefohlenen ohne sexuellen Hintergrund.

Damit ist der Landessportbund Bremen (LSB) neben Berlin und Nordrhein-Westfalen einer der wenigen deutschen Sportverbände, die ihren Mitgliedsvereinen das Führungszeugnis als eine Maßnahme empfehlen, um Kinder und Jugendliche vor sexuellem Missbrauch zu schützen.

Ob die Vereine dieser Empfehlung folgen werden, ist eine andere Frage. Selbst die wenigen Bremer Sportclubs, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, haben Sorge, dass das Fordern eines Führungszeugnisses „ein Ausdruck des Misstrauens gegen alle ist“, wie es ein Vereinsvorsitzender in einem Gespräch mit der taz ausgedrückt hatte.

Dasselbe Argument hatte der LSB lange angeführt, um sich gegen den Bremer Sportsenator Ulrich Mäurer (SPD) zu wehren. Der hatte nach einem taz-Bericht im März 2010 den LSB gedrängt, stärker auf seine 430 Mitgliedsvereine einzuwirken, sich des Themas anzunehmen. „So etwas gibt es bei uns nicht“, hatte vor zwei Jahren die Mehrheit der interviewten Vereinsvorsitzenden gesagt – damals diskutierte Deutschland über sexualisierte Gewalt in Internaten. Auf die Tatsache, dass Täter gezielt auch in Sportvereinen ihre Opfer suchen, hatte der LSB zwar damals schon in Broschüren hingewiesen, damit aber offenbar nur die erreicht, die das bereits wussten.

Nun soll sich das ändern. Vor einer Woche veröffentlichte der LSB ein neues Präventionskonzept, das eine „Kultur der Aufmerksamkeit“ schaffen soll, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Das Führungszeugnis ist nur ein Punkt unter vielen. Mit 8.700 Euro sollen Schulungen und Informationsmaterialien in diesem Jahr finanziert werden.

Knapp drei Viertel des Geldes kommt von Sportsenator Mäurer. Der begrüße die Maßnahmen, sagt dessen Referent Michael Wiatrek. „Wir hätten uns zwar gewünscht, dass das Führungszeugnis verbindlich eingeführt wird, wissen aber auch, dass Druck nur Gegendruck erzeugen würde.“ Das Argument, das Führungszeugnis würde nur ein Klima des Misstrauens schaffen und keinen Fall von Missbrauch verhindern, lässt er nicht gelten. „Diejenigen, die schon einen Eintrag haben, werden sich ganz schnell mit Ausreden aus dem Verein zurückziehen“, andere sich gar nicht erst bewerben.

Außerdem sei das Führungszeugnis ein Signal an Täter, die strafrechtlich noch nicht belangt wurden. „Sie wissen, dass der Verein nicht wegguckt.“ Das sei letztlich im Interesse der Vereine, die Eltern damit zeigen könnten, dass deren Kinder bei ihnen sicher seien.

Wann die Führungszeugnis-Pflicht eingeführt wird, ist offen, weil die Bundesjustizministerin verlangt, dass auch Ehrenamtliche die Gebühr von 13 Euro im Jahr bezahlen sollen. Auf Bundesebene liefen dazu Gespräche, sagt Wiatrek. Sollten diese erfolglos bleiben, würde Bremen die Kosten übernehmen.

Wie ernst der Landessportbund Bremen das Thema nimmt, wird sich auch am weiteren Umgang mit einem bekannten Leichtathletik-Trainer zeigen. Gegen diesen ermittelt die Staatsanwaltschaft seit einem Jahr wegen des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen. Der Mittvierziger, der auch als Lehrer an einer Bremer Schule arbeitet, soll eine sexuelle Beziehung zu einer damals 15-Jährigen gehabt haben.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe wurde er vom Dienst freigestellt, die Bildungsbehörde hat gerade ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet, nachdem sie die Akten bei der Staatsanwaltschaft eingesehen hatte. Sein Sportverein beschäftigt ihn weiter als Fachreferenten für Leichtathletik. Auf eigenen Wunsch würde er aber bis zur Klärung der Vorwürfe nicht mit Minderjährigen arbeiten, sagte gestern der Vereinsvorsitzende Andreas Vroom.

Sein Vorgänger ist der Präsident des LSB, Peter Zenner. Der will dem Verein keine Vorschriften machen und die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens abwarten. Zudem bat er um eine zurückhaltende Berichterstattung, da es sich um „ein sensibles Feld“ handle, in dem man sehr vorsichtig agieren müsse.

Bereits 2002 hatte es einen ähnlichen Vorwurf gegen den Trainer gegeben. Schülerinnen hatten in seiner Wohnung übernachtet, ihre Berichte hatten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nach sich gezogen. Diese hatte ihre Ermittlungen eingestellt, weil Zeuginnen ihre Aussagen später nicht wiederholten.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

1 Kommentar

 / 
  • F
    Frapee

    Danke für den Artikel. Ich dachte immer, dass solche Zeugnisse längst eingereicht werden müssen. Ich halte dies auch für überfällig. In nahezu allen Lebensbereichen, von der Gaststättenerlaubnis bis zum Führerschein, muss eine bestimmte Eignung und Zuverlässigkeitsbestätigung erbracht werden. Warum sollte es in Lebensbereichen, in denen Kinder besonders beschützt werden müssen, anders sein? Das hat auch nichts mit Misstrauen zu tun. Wenn ein Verein einen neuen Mitarbeiter einstellt, den er noch nicht kennt ist doch eine Überprüfung der Person doch angebracht. Vertrauen muss man sich über eine längere Zeit erarbeiten.