piwik no script img

Schauspielerprotest bei „Gottschalk Live“Unter Thorstens und Thereses

Endlich bekommt „Gottschalk Live“ einmal positive Aufmerksamkeit: Dank kreativ protestierender Schauspielstudenten von der Berliner Ernst-Busch-Hochschule.

Das ist unser Haus vom Nikolaus! 90 mal Thorsten und Therese bei „Gottschalk“. Bild: © ARD/Philipp Hageni

Vor dem Humboldt Carré am Gendarmenmarkt diskutiert ein Bild-Reporter mit einer Traube von Studierenden der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch: Er will David S. sprechen, der am Sonntagabend die Talkshow „Günther Jauch“ störte, seine Kommilitonen wollen das Interview verhindern.

„Der Inhalt unseres Protests ist wichtig, nicht die handelnden Personen“, sagt einer von ihnen, der sich – ganz in diesem Sinne – als „Thorsten“ vorstellt, wie alle Männer. Die Frauen nennen sich durchweg „Therese“. Je stärker der Boulevardmann insistiert, desto höher ziehen die Schauspielstudenten die Mauer um David S. – auch, weil sie fürchten, dass ihm diese Öffentlichkeit später schaden könnte.

Gerade eben, oben im dritten Stock des Prunkpalais, waren ein Thorsten und zwei Thereses zu Gast in der ARD-Show „Gottschalk Live“, um ihren Protest gegen untragbare Arbeitsbedingungen an den vier Schulstandorten und zum gefährdeten Neubau in Berlin-Mitte fortzusetzen. Am Freitag hat der Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses das seit drei Jahren geplante Projekt wegen erwarteter Mehrkosten in Höhe von 1,85 Millionen Euro vorerst gestoppt.

Alternative wäre eine Sanierung der bisherigen Standorte. „Wir wollen, dass dieser Beschluss noch mal gekippt wird“, sagt Thorsten in der Sendung. Und eine Therese fordert den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) auf, der Ankündigung seiner Unterstützung Taten folgen zu lassen: „Er muss sich innerhalb seiner Partei durchsetzen.“

Ihre mit allerlei Nikolaushäusern dekorierten 90 Kommilitonen im Publikum erfüllen Gottschalks Aufforderung zu „gespielter Beglückung“ nur allzu gern und feiern ihre Mitschüler, als hätten die gerade den Oscar gewonnen. Trotz dieser Grenzhysterie soll das alles hier aber bitte niemand für einen Scherz halten – erst recht keiner der Studenten: Wer nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache ist, erntet finstere Blicke. Wie auch der Kameramann, der versucht, David S. im Publikum einzeln zu filmen – keine Chance.

Ausharren im Camp

Der Auftritt ist ein PR-Coup – für Gottschalk, der endlich mal positive Aufmerksamkeit auf sein am 7. Juni endendes Vorabendintermezzo lenken kann, vor allem aber natürlich für die Ernst-Busch-Studenten, die das Fernsehen zur Bühne ihres Protests gemacht haben und so um ein Vielfaches mehr Öffentlichkeit schaffen als mit ihrem von der Occupy-Bewegung inspirierten Protestcamp im Hochschultheater.

Ironischerweise erfüllt dies genau die Funktion, die sich die Studierenden von dem zentralen Neubau erhoffen: die vier denAbteilungen Schauspiel, Regie, Puppenspiel und Tanz zusammenzuführen. „Wir lernen uns jetzt erst richtig kennen“, sagt ein Thorsten nach der Sendung, für den „interdisziplinäre Zusammenarbeit die Zukunft des Theaters“ ist. Er ist überzeugt: „Wir sind ein Exempel für das Verhalten der Politik in Krisenzeiten: dass bei Bildung und Kunst zuerst gespart wird.“

Bis zur endgültigen Entscheidung am 14. Juni wollen die Studierenden im Camp ausharren. Als einer der zahlreichen prominenten Unterstützer war auch Schauspieler Ulrich Matthes schon dort zu Gast, hat Schiller-Balladen gelesen. An dem Neubau festzuhalten hält er für einen „Akt der Vernunft“.

Im Falle der Auslagerung in Provisorien während einer Sanierung befürchtet Matthes den „schleichenden Tod dieser Top-Institution“: „Die Ernst Busch mag nicht so prestigeträchtig sein wie die Berliner Philharmoniker, ist aber für das kulturelle Leben dieser Stadt ähnlich bedeutend.“ Auch Matthes baut auf Wowereit: „Meine schrecklichste Befürchtung ist aber, dass er jetzt mit dem Flughafen so viel an der Backe hat, dass er sagt: Lasst mich doch mit diesen Peanuts in Ruhe.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!