Abi, Schalke oder Eto’o

AFRIKA-CUP Der Bundesliga-Jungspung Joel Matip kann sich nicht entscheiden, ob er für Kamerun, die Heimat seines Vaters, spielen soll

KÖLN taz | Auch das neue Jahr hat Felix Magath auf seine Art begonnen. In seinem Kader gibt es einen Spieler mit dringendem Beratungsbedarf, Joel Matip wurde eingeladen, mit Kamerun am Afrika-Cup (9. bis 31. Januar in Angola) teilzunehmen. Seither verschiebt der 18 Jahre junge Fußballer seine Entscheidung, ob er die Einladung annehmen soll, von einem Tag auf den nächsten.

Derzeit weilt Matip mit der Schalker Mannschaft zur Vorbereitung auf die Rückrunde der Fußball-Bundesliga im spanischen Chiclana. Vermutlich hätten 17 von 18 Bundesligatrainern diese Gelegenheit genutzt, das Talent mit einem bunten Strauß von Argumenten zu einer Absage zu bewegen. Magath lässt den jungen Spieler im Hin und Her des Abwägens schmoren. „Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, wenn er hinfährt“, sagt Magath zwar öffentlich, ein Vieraugengespräch hat er dem hoch veranlagten Mittelfeldspieler aber noch nicht angeboten.

Dabei gibt es reichlich Argumente, die es aus Sicht der Schalker zu entkräften gilt. Wenn Matip das Angebot des kamerunischen Verbandes annimmt, dürfte er ein großes internationales Turnier an der Seite von Superstars wie Samuel Eto’o (Inter Mailand) oder Alexander Song (FC Arsenal) erleben. Mit etwas Glück könnte er auch bei der WM im Sommer zum Aufgebot der Westafrikaner gehören, „Trainer Paul Le Guen hat ihm das so in Aussicht gestellt“, sagt Jean Matip, Joels Vater, und ergänzt: „Ich würde mir wünschen, dass er für Kamerun spielt.“

Doch auch Jean ist hin- und hergerissen. Joel soll das Gymnasium am Berger Feld im Mai mit dem Abitur in der Tasche verlassen, „drei Wochen im Unterricht zu fehlen, wäre eine lange Zeit, und natürlich wollen meine Frau und ich unbedingt, dass er ein gutes Abi macht“, sagt der Vater, um zwei Sätze später zu erklären: „Aber wenn er die Chance hätte, im Sommer an der Weltmeisterschaft teilzunehmen, das wäre unglaublich. Eine WM hat noch niemandem bei seiner Entwicklung geschadet.“ Zumal die fallenden Steine des winterlichen Transferdominos auch Matips Position im Schalker Mittelfeld zu kippen drohen. Nachdem Andreas Ottl vom FC Bayern nach Nürnberg ausgeliehen wurde, sind die Chancen gestiegen, dass die Schalker Peer Kluge von den Franken nach Gelsenkirchen holen können. Und der könnte dann Matips Platz in der Stammelf beanspruchen.

Matip selbst gewährt keinen Einblick in den schwierigen Prozess seiner Überlegungen. Er schweigt. Dafür hat sich Mathias Sammer via Bild-Zeitung zu Wort gemeldet. „Wir sind an dem Thema dran, prinzipiell wollen wir jeden guten Spieler überzeugen, für Deutschland zu spielen“, sagt der DFB-Sportdirektor. Einsätze für Deutschland, die Heimat seiner Mutter, wären nach einem Pflichtspieleinsatz für Kamerun nicht mehr möglich. Allerdings kann Sammer dem in Bochum geborenen Matip, der gerade einmal sechs Bundesligaspiele absolviert hat und prompt zu einem großen Hoffnungsträger hochgejubelt wurde, derzeit kaum eine konkrete Perspektive in der deutschen Nationalmannschaft in Aussicht stellen.

Das ist in der Heimat von Vater Jean anders. Denn insgesamt gibt es weniger als 100 Kameruner, die unter professionellen Bedingungen Fußball spielen, da bleibt die Nominierung in einen Turnierkader mit 23 Akteuren auch für Mittelklassespieler recht wahrscheinlich.

Vor diesem Hintergrund hat sich auch Joels Bruder Marvin, der beim 1. FC Köln spielt, nach einer Karriere in Deutschlands U21 für Kamerun entschieden. Zunächst fehlte ihm aber die Freigabe des Weltverbandes Fifa, später wurde er nicht mehr nominiert. Dafür spielte Cousin Joseph-Désiré Job viele Jahre für die „unbezähmbaren Löwen“. Kameruns Nationalteam ist also gleich in mehrfacher Hinsicht, „eine Chance, die eigenen Wurzeln kennen zu lernen“, sagt der Vater der Matips. Doch die Entscheidung liege nun „ganz allein bei Joel“, und der muss sich beeilen. Denn das Team hat sich am gestrigen Montag in Paris getroffen. Dass Matips Platz im Kader noch nicht mit einem anderen Spieler besetzt wurde, zeigt, wie wichtig die Sache den Kamerunern ist. DANIEL THEWELEIT