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Debatte SyrienVerhandelt mit Assad!

Kommentar von Reinhard Mutz

Das Blutvergießen in Syrien zu stoppen ist sehr schwer. Dem UN-Sondergesandten Kofi Annan fehlt dazu die notwendige internationale Unterstützung.

UN-Beobachter begutachten die Trümmer nach einem Anschlag in Damaskus. Bild: reuters

M ehr als 50 Tote und fast 400 Verletzte unter Anwohnern, Passanten, Schulkindern – die verheerenden Detonationen, die am Donnerstag vergangener Woche Damaskus erschütterten, waren die schwersten, aber nicht die ersten Anschläge dieser Art. Sie scheinen zu bestätigen, wovor Washingtons Geheimdienstchef James Clapper schon Mitte Februar warnte: die zunehmende Infiltrierung des syrischen Widerstands durch ausländische Terrornetze.

Die Schockerfahrung könnte eine Zäsur der Ereignisse in Syrien markieren. Entweder das Land versinkt in blindwütiger Gewalt, wo Sprengfallen und Autobomben das Geschehen diktieren. Keine der Konfliktparteien kann das ernsthaft wollen. Oder sie entschließen sich, aufeinander zuzugehen. Den Weg dahin weist der Stufenplan von Kofi Annan, dem Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga.

Nach Sprache und Stil ist es ein Dokument wie aus dem Lehrbuch friedlicher Streitbeilegung. Zunächst müssen die Waffen schweigen. Willkürlich Inhaftierte sollen freigelassen, die Bewegungsfreiheit von Journalisten wiederhergestellt und das Recht auf friedliche Demonstration gewährleistet werden. Am Schluss steht ein politischer Dialogprozess, um „den berechtigten Bestrebungen und Anliegen des syrischen Volkes Rechnung zu tragen“. So hat es der UN-Sicherheitsrat einstimmig beschlossen.

Jochen Rasch
Reinhard Mutz

war bis 2006 geschäftsführender wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Inzwischen ist er pensioniert.

Doch Annan ist nicht der Alleinautor seines Konzepts. Am deutlichsten zeigt sich das am Kern des ganzen Plans, der Durchsetzung und Einhaltung der Waffenruhe. Die syrische Regierung hat die Kampfhandlungen zu beenden. Das ist kein unbilliges Verlangen.

Aber zusätzlich muss sie „sich verpflichten, zu erreichen, dass alle Parteien die bewaffnete Gewalt in all ihren Formen effektiv einstellen“. Wie sollte sie das bewerkstelligen, einer Vielzahl aufständischer Gruppen gegenüber, die Gespräche mit den Machthabern in Damaskus kategorisch ablehnt? Gleich zweimal erhebt der Text dieselbe Forderung. Sie ist uneinlösbar.

Zwei Resolutionsentwürfe

Zur Schlichtung eines bereits eskalierten Konflikts in der Regie der Staatengemeinschaft gehört die Kontrolle vereinbarter Maßnahmen durch neutrale Beobachter. Sie sollen ein umfassendes Bild der Lage vor Ort und des Verhaltens der Kontrahenten vermitteln. Zudem soll die bloße Anwesenheit Dritter die Konfliktseiten zur Mäßigung und Umsetzung eingegangener Verpflichtungen anhalten.

Seit Annans Ernennung am 24. Februar ist die Aufsichtsmission für Syrien ein Thema im Sicherheitsrat in New York. Besondere Eile hat er nicht an den Tag gelegt. Zwei Resolutionsentwürfe standen sich gegenüber. Der eine, den Russland einbrachte, drängte auf sofortige Entsendung. Der andere, von den USA und den europäischen Ratsmitgliedern unterstützt, wollte die Beobachter erst in Marsch setzen, wenn sämtliche Bestimmungen des Annan-Plans erfüllt wären. Was hätte es dann noch zu beobachten gegeben?

Beobachter werden scheitern

Die Mission ist auf 300 internationale Beobachter begrenzt, zu wenig für den komplexen Auftrag. Ein vergleichbares Mandat nahm 1999 die sogenannte Kosovo-Verifikationsmission wahr. Ihre Personalstärke betrug 2.000 Mann. Aber Syrien ist siebzehnmal größer als das Kosovo. Im Nachbarland Libanon hält die UNO 12.000 Soldaten bereit. Sogar die in Syrien bereits stationierte UNO-Mission ist wesentlich umfangreicher. Auf den 1973 im Jom-Kippur-Krieg von Israel eroberten Golanhöhen überwachen 1.000 Blauhelm-Soldaten die Waffenstillstandslinie.

Die UNO bildet die eine Bühne der internationalen Syrienpolitik. Daneben existiert eine zweite, wichtigere. Auf ihr treffen sich von Zeit zu Zeit die Außenminister der führenden westlichen Staaten mit ihren Kollegen aus dem Assad-kritischen Teil der Arabischen Liga und Vertretern der syrischen Opposition. Die Gruppe mit dem plakativen Namen „Freunde Syriens“ sieht im syrischen Machtkampf die Abfolge einseitiger Vergehen unprovozierter Täter an passiven Opfern. Unterstützung der Aufständischen und Schwächung des Regimes heißt das Programm der beteiligten Regierungen. Dass sie dafür auch militärische Mittel in Betracht ziehen, haben sie bisher nur angedeutet.

Die falschen Freunde

Gegen Damaskus führen die Freunde Syriens eine scharfe Sprache. So Frankreichs Expräsident Sarkozy jüngst am Rande der Pariser Tagung: „Baschar al-Assad lügt schamlos, er will Homs ausradieren, wie es Gaddafi mit Bengasi vorgehabt hat.“ Tatsächlich sprechen die Bilder der Häuserruinen von Homs für sich. Hier waren nicht Ordnungskräfte am Werk, die terrorbereite Aktivisten verfolgen. Mit schwerer Artillerie wurde eine bewohnte Stadt in Trümmer gelegt. Dafür gibt es keine Rechtfertigung.

Gleichwohl trifft der Hinweis auf Bengasi einen Nerv des Problems. Von dort begann im libyschen Bürgerkrieg der Vormarsch der Rebellenarmee auf die Hauptstadt Tripolis. Ihre Geländegewinne erklärte sie umgehend zu „befreiten Gebieten“, was die Nato zum Anlass nahm, die Offensive der Regierungsgegner mit Luftangriffen zu unterstützen. Am Ende war das Gaddafi-Regime gestürzt. Offensichtlich verfolgt die syrische Führung das Ziel, keinen Meter Boden preiszugeben, um zu vermeiden, dass sie dasselbe Schicksal ereilt.

Die Golfmonarchien – selbst ein Club von Autokraten – haben die Bewaffnung des syrischen Widerstands zur politischen Pflicht erhoben. Den Worten dürften längst Taten gefolgt sein. Die „Freie Armee Syriens“ gibt sich damit nicht zufrieden. Sie ruft nach Luftschlägen gegen Einrichtungen der Regierung, sei es mit oder ohne UN-Mandat.

Solange die Interventionsdrohung im Spiel ist, bleibt die Idee des Verständigungsfriedens chancenlos. Die Furcht vor dem bewaffneten Eingreifen von außen beflügelt das Assad-Lager und die Hoffnung darauf die syrische Opposition, ihre Militanz noch zu steigern. Die Eskalation der Gewalt scheint programmiert. Leidtragende wären die Menschen im Land. Und Kofi Annan stünde als Verlierer da – wie schon einmal als UN-Generalsekretär am Vorabend des Irakkriegs.

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8 Kommentare

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  • A
    Ant-iPod

    Ein guter Artikel, der die Situation sachlicher darstellt, als so mancher Beitrag in den sonstigen Medien.

     

    Ich finde es sehr gut, wenn man die Frage aufwirft, warum die "Freunde Syriens" einerseits nur mit der Opposition reden und man nicht ganz zu unrecht vermutet, dass die Opposition aufgerüstet wird - wohingegen man mit dem Assad-Regime nicht ernsthaft verhandelt.

     

    Das Ergebnis ist ja nun die Eskalation der Gewalt - was sicher nicht im Interesse der Syrer und auch nicht im Interesse europäischer Bürger sein kann.

     

    Warum ist das so?

    Warum arbeiten wir nicht darauf hin, dass Assad Reformen im Land einleitet, die substantiell etwas verändern?

    Wir können drastischere Sanktionen beschließen und im Gegenzug wirtschaftliche und finanzielle Angebote unterbreiten. Die EU macht so etwas quasi jeden Tag, wenn es um Fischereifragen bei Marokko geht, oder Gemüse aus Tunesien/Ägypten etc. etc.

     

    Warum entschließt sich unsere Regierung dazu, im Falle Syriens keine konstruktive Rolle zu spielen, Assad nicht bei seinen Reformen beim Wort zu nehmen und diese zu fördern, bzw. bei Täuschungsmanövern wirksame Sanktionen zu erlassen?

    Warum diese peinlichen "Einreiseverbote" und "Kontosperren" und zeitgleich das Wegsehen/Fördern, wenn Saudi-Arabien und Katar, die beide keine Vorzeigedemokratien sind, beginnen, die syrische Opposition aufzurüsten?

     

    Es hätte ruhig noch provokanter sein können, aber diese Frage wirft Herr Mutz zu Recht auf...

     

    Es wäre schön, wenn bsw. Zeitungen wie die TAZ unsere Regierung dazu befragen und über die Antwort berichten würde.

  • G
    gruppegutzeit

    @Wallnerfred:

    Meine Omi & Opi haben die NSDAP wahrhaftig nicht gewählt, die Nazis haben sich bekanntlich 1933 mit einem Putsch an die Macht gehievt. Übrigens haben die Bombenangriffe überhaupt nichts genützt - nur Tod und Elend unter der Zivielbevölkerung.

     

    @Dirk:

     

    Dann ist mindestens die Hälfte der amerik. Bevölkerung antiamerikanisch.Als Lektüre empfehle ich:

    "Der Moloch" von Karlheinz Descher.

  • J
    Jojo

    "Verhandelt mit Assad"?

    Soll Assad wirklich mit Terroristen die Autobomben zünden, den UNO Konvoi und Reporter angreifen und ihr eigenes Volk in Angst und Schrecken versetzten, verhandeln? Die selbst so verstritten sind, das sie sich nicht auf Ziele einigen können?

    Söldner und Logistik, Unmengen von Waffen bezahlt von feindlichen Nachbarn, viel Geld und durchweg einseitige Nachrichten der westlichen Welt - das ist die Unterstützung für die Islamisten die den säkulären Staat abschaffen wollen.

    Das ist eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines Landes.

    Die Syrer werden Ihre Probleme selber lösen und al-Assad hat gestern erst gesagt: die Reformen stehen erst am Anfang.http://rt.com/news/syria-media-battle-assad-429/

  • W
    Wallnerfred

    Wenn Omi und Opi nicht so viel NSDAP gewählt hätten, hätte Bomber Harris nicht so viele Bomben draufschmeißen müssen.

     

    Jetzt im ernst: dieser Kommentar sollte keiner Antwort gewürdigt werden, alleine schon die Idee vom "amerikanischen Wesen" und die Gleichsetzung von IndianerInnenkriegen, dem Weltkrieg und Vietnam spricht Bände.

     

    Der Konflikt wird weitergehen, solange man die Kriegsparteien mit Waffen beliefert. Assad will sein Gesicht nicht verlieren und die RebellInnen dürfen sich auch nicht vor ihren westlichen GeldgeberInnen blamieren. Verlieren wird ganz Syrien und besonders sein Volk, gewinnen werden wir einen weiteren failed-state auf der Erde.

  • D
    Dirk

    Ein Lichtblick unter all den inkompetenten Absonderungen in der deutschen Presselandschaft. Dank an die taz!

    @gruppegutzeit,

    immer wieder schön - ob passend oder nicht - eine Gelegenheit für antiamerikanischen Trash zu finden, ne?

  • F
    Faulpelz

    Anscheinend haben die schrecklichen Terroraktionen der vergangenen Woche bewirkt, dass endlich auch bei der taz begriffen wird, welches perfide Spiel mit den Menschen in Syrien gespielt wird. Es geht schon lange nicht mehr um ein geknechtetes Volk, das einen Diktator los werden will, sondern um knallharte Machtinteressen.

  • R
    Rami

    Sorry, aber die Golanhöhen wurden 1967 erobert und annektiert und nicht 1973.

  • G
    gruppegutzeit

    "Keine der Konfliktparteien kann das ernsthaft wollen"?

    Wieso denn nicht, die Amis haben doch schon immer eine Politik der verbrannten Erde gemacht. Angefangen bei der Vernichtung der Indianer, über unzählige Terrorkriege (Bombenkriege in Deutschland,Korea, Vietnam, Südamerika etc.) bis hin zu den unzähligen Opfer in Irak und Libyen in neuerer Zeit.

    Gott & Gewalt gehören einfach zum amerikanischen Wesen. Leider.