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Streit nach Blockupy-ProtestenFrankfurter Grüne zurückhaltend

Wie stark darf man die Verbote der Blockupy-Proteste verurteilen? Die Grünen sind sich nicht wirklich einig. Sie regieren in Frankfurt in einem Bündnis mit der CDU.

Blockierter Protest: Die Stadt Frankfurt hatte die meisten Veranstaltungen von Blockupy verboten. Bild: dpa

FRANKFURT taz | Nach den Blockupy-Protesten vom Wochenende ist auf Frankfurts Straßen wieder Ruhe eingekehrt. Der politische Streit um die Deutungshoheit hingegen ist in vollem Gange: Es geht um die Frage, ob die strikten Verbote fast aller Veranstaltungen sowie die massive Polizeipräsenz zum friedlichen Verlauf der Proteste geführt haben, wie Ordnungsbehörden behaupten. Oder ob diese überzogen waren und die Versammlungsfreiheit aushebelten, wie Vertreter von Blockupy sagen.

Mitten in diesem Streit finden sich nun auch die Frankfurter Grünen wieder. Eigentlich wollten sie sich raushalten. Doch nun wird die Kritik an der passiven Haltung der Öko-Partei gegenüber dem Pauschalverbot der Proteste immer lauter – und kommt vor allem aus den eigenen Reihen. In der Mainmetropole regieren die Grünen zusammen mit der CDU.

Deren Ordnungsdezernent Markus Frank hatte wegen angeblicher Sicherheitsbedenken vor knapp drei Wochen ein pauschales Verbot der Veranstaltungen erlassen. Gerichte erlaubten schließlich nur die Demo am Samstag. Die Grünen übten sich in Zurückhaltung und bezeichneten die Verbotspolitik ihres Koalitionspartners als „bedauerlich.“ Politische Schritte dagegen unternahmen sie nicht.

Für diese Koalitionsräson wurde die Partei prompt von ihrer Jugendorganisation angegangen, die sich aktiv an den Blockupy-Protesten beteiligte: „Wir kritisieren, dass die grünen Mandatsträger nicht eindeutig gegen das Verbot Stellung bezogen haben“, so die Sprecherin der grünen Jugend Frankfurt, Irina van Kleef. Auf die Seite der grünen Jugend stellen sich nun auch prominente grüne Politiker wie der Bundestagsabgeordnete Tom Koenigs: „Ich bin strikt gegen Demoverbote.“

Totalverbot war keine Koalitionsentscheidung

Der Fraktionsvorsitzende der Frankfurter Grünen, Manuel Stock, versucht zu besänftigen: „Das aus unserer Sicht falsche Totalverbot war keine Koalitionsentscheidung.“ Dieses sei allein von der CDU erlassen worden, die die Grünen erst später informiert habe. Daniel Cohn-Bendit, grüner Europaabgeordneter und ehemaliger Frankfurter Integrationsdezernent, lässt dies nicht gelten: „Unsere Mandatsträger hätten sich nicht nur hinter Markus Frank verstecken dürfen und sich stattdessen aktiv als Vermittler einschalten sollen“, so Cohn-Bendit. Dass dies nicht geschehen sei, bezeichnete er als „skandalös“.

Die Koalition mit der CDU infrage zu stellen, daran denkt bei den Frankfurter Grünen offenbar niemand. „Das ist für uns kein Thema“, so Stock. Cohn-Bendit versucht, diplomatisch zu bleiben: „Man kann mit der CDU koalieren. Aber man muss den Mumm haben, auch konträre Positionen zu vertreten.“

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9 Kommentare

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  • E
    (Ex)Grüner

    So das wars jetzt endgültig mit dieser sogenannten Partei. So was will mal Bürgerrechte vertreten haben.

     

    Ein Ermächtigungsgesetz wie den ESM befürworten Blockupy verbieten.

     

    Kapitalismus ist schlecht für die Umwelt. Ach stimmt ja, die Natur ist ja nur noch wichtig, wenn es keinen Konflikt mit der Wirtschaft gibt. Ansonsten der Wirtschaft den Vorrang geben.

     

    Bigotte und schizophrene Partei...

  • RH
    Rosi H. Hesse

    So, so. Man kann also mit der CDU koalieren, wenn man den Mut hat Mumm zu zeigen...

     

    Na dann , liebe Grüne in Frankfurt: ZEIGT MUMM. JETZT !

  • BS
    Bürgerin S.

    "Cohn-Bendit versucht, diplomatisch zu bleiben: „Man kann mit der CDU koalieren. Aber man muss den Mumm haben, auch konträre Positionen zu vertreten.“ "

     

    Ich übertrag das mal auf Stuttgart:

     

    Man kann mit der SPD regieren. Aber man muss den Mumm haben, auch konträre Positionen zu vertreten.

     

    Diese Partei hat - sobald sie an irgendeiner Macht beteiligt ist - keinen Arsch mehr in der Hose. Egal wo.

     

    Nicht mehr wählbar.

  • W
    Weinberg

    Die grüne Römer-Fraktion hat sich als Wasserträger der CDU zu verstehen, schließlich haben die Frankfurter Grünen „ihrer“ CDU weich gepolsterte und zudem gut dotierte Magistratsstühle zu verdanken.

     

    Die ihnen zuteil gewordenen „Wohltaten“ werden die grünen Akteure nie und nimmer aufs Spiel setzen!

     

    Das grüne Motto lautet: „Was interessiert mich mein Geschwätz …“

  • HB
    Hui BUH

    Kein Wunder, dass die Piraten punkten. Sie gelten als die Partei der jungen Rebellen, die verkrustet Strukturen aufbrechen. Ob sie's sind oder nicht ist egal, aber wenn sich Grüne so sesselfurzerisch verhalten wie bei Blockupy-Protesten, dann ist klar, dass sie nicht als die Kraft mehr gelten, die den Staat erneuert. Ist doch auch logisch, die Erde stirbt an der Gier der Menschheit, und die Grünen zucken die Schultern, wenn Menschen dagegen auf die Straße gehen. Das ist wirklich ein Skandal. Auch wenn's die CDU war - auch wenn ein Kind was absichtlich kaputtmacht sollten die Eltern nicht schweigen, auch wenn es schon kaputt ist. Denn das nächste mal wird vieleicht noch was Größeres kaputt gemacht. Das könnte in diesem Falle die Demokratie sein.

  • R
    rheinelbe

    Diue Grünen sind doch anpassungsfähig.

    Und darum stets auf der Seite der Macht!

     

    Denn das garantiert Posten und Bezahlung aus Steuerzahlergeld.

  • W
    Westberliner

    Wer sich mit Hunden schlafen legt, muss sich nicht wundern, wenn er mit Flöhen aufwacht.

  • P
    petermann

    Ob mit der SPD unter Schröder oder wie hier mit der CDU in Frankfurt, sobald sie in Regierungsverantwortung sind ist´s bei den Grünen vorbei mit dem Rückgrat!

  • KA
    Kai aus der Kiste

    Endgültig angekommen

     

    Grüne im Frankfurter Römer mitverantwortlich für Einschränkung von Grundrechten und massive Polizeigewalt

     

    Von Kai aus der Kiste

     

    In Frankfurt war eine kleine Gruppe der Grünen Jugend auf der Blockupy Demo anwesend. Das ist erfreulich. Auf die Tatsache angesprochen, daß hier eine schwarz – grüne Stadtregierung die Verbotsorgie exekutiert hat, reagierte ein junges Mädchen aus dieser Gruppe hilflos: „wir sind doch aus Baden – Württemberg …“ (1)

     

    Nehmen wir dies zum Anlaß, uns mit den Grünen genauer zu beschäftigen und lassen wir uns zunächst die Erklärung der Landtagsfraktion auf der Zunge zergehen:

     

    „Blockupy-Proteste – GRÜNE freuen sich über friedlichen Verlauf – Gewalt schadet berechtigtem Anliegen der Proteste

     

    Die Landtagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt den weitestgehend friedlichen Verlauf der Demonstrationen und der Aktionen der Blockupy-Bewegung an diesem verlängerten Wochenende in Frankfurt. „Damit wurde das Anliegen der Protestierenden, auf die Fehlentwicklungen in der Finanzkrise und die sich vergrößernden Ungerechtigkeiten hinzuweisen, gestärkt. Die gewaltfreien Aktionen wurden dem Anliegen der Blockupy-Bewegung gerecht. Das Recht auf Demonstration ist eines unserer Grundrechte und es wurde verantwortungsvoll wahrgenommen“, stellt der innenpolitische Sprecher der GRÜNEN, Jürgen Frömmrich, fest.

     

    DIE GRÜNEN kritisieren die Panik, die offensichtlich durch die Beratung des hessischen Innenministeriums das Frankfurter Ordnungsamt erfasste und das schließlich zu einem Verbot fast aller Aktionen außer der Demonstration am Samstag und zu einem immensen Polizeiaufgebot geführt habe. Allerdings haben es nach Auffassung der GRÜNEN auch die Veranstalter der Demonstration im Vorfeld versäumt, klipp und klar deutlich zu machen, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung sein kann. „Nach den Auseinandersetzungen rund um die Demonstration am 31. März und dem damaligen Ausbruch an Gewalt war diese Klarstellung dringend nötig“, unterstreicht Jürgen Frömmrich. „Wer nicht deutlich macht, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung sein kann, schadet dem berechtigten Anliegen der Proteste. Die Lehre aus den letzten vier Tagen ist: Wer richtigerweise auf die Auswüchse der unregulierten Finanzmärkte hinweisen möchte, für den muss völlig klar sein, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung ist. Die Ordnungsbehörden wiederum müssen aufpassen, dass sie sich nicht in eine Angst hineinsteigern, die erst dafür sorgt, dass die Frankfurter Innenstadt für vier Tage lahmgelegt wird.““ (2)

     

    Aha. Nun wissen wir es. Es ist nicht die kapitalistische Produktionsweise und Ihr Anspruch, für Ihre Interessen im Zweifel auch die Demokratie auszuhebeln. Nein, es sind die „Auswüchse der unregulierten Finanzmärkte“. Kapitalismus also im Grundsatz gut, nur leider hat er Auswüchse. Wieder was gelernt. Und gegen die „Auswüchse“ „muss völlig klar sein, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung ist“. Aber natürlich ist das Bündnis selbst schuld, denn „nach Auffassung der GRÜNEN (haben) auch die Veranstalter der Demonstration im Vorfeld versäumt, klipp und klar deutlich zu machen, dass Gewalt kein Mittel der Auseinandersetzung sein kann“

     

    Aha. Wieder was gelernt. Und was haben wir in Frankfurt gesehen? Gewalt! Nackte Gewalt! Vielfach dokumentiert. Gewalt von Polizeieinheiten. Ingewahrsamnahmen. Insgesamt wohl mehr als 1400 (3). Kabelbinder. Brutales drücken auf Gesicht und Augen. Verletzungen. Kesselungen. Busse stillgesetzt … Und: Den Versuch, ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl in das Gewerkschaftshaus einzudringen – das hatten wir zuletzt 1933 (4). Diese Gewalt wurde exekutiert von der hessischen Landesregierung und fußte auf Verbotsverfügungen, die die schwarz – grüne Frankfurter Stadtregierung erlassen hat.

     

    Herrn Frömmrich sei gesagt, daß ein einziger Biick in den veröffentlichten Aktionskonsens des Bündnisses gereicht hätte (5) um auch ihn zur Selbsterkenntnis zu verhelfen, daß er Unsinn daherredet. Aber er ist ja „Innenexperte“ der Landtagsfraktion. Auch er ist schon mächtig angekommen.

     

    Nun herrscht grüne Erklärungsnot (6). Nun muß Pontius Pilatus (7) ran. Der CDU – Dezernent wars, wir nicht (8)

     

    Dazu abschließend: Auch in einer hessischen Stadt werden wesentliche Verfügungen von der Stadtspitze, dem sog Dezernentenkollegium, unter der Leitung der Oberbürgermeisterin regelmäßig beraten und abgestimmt. An diesem Gremium sind drei grüne Dezernenten beteiligt. Deshalb an die Frankfurter Grünen: Ihr wart dabei. Oder es ist an Euch „vorbeigegangen“. Dann hättet Ihr eingreifen können und müssen. Ihr habt es aber nicht. Sagt, wie es war. Aber hört auf, uns Märchen zu erzählen!

     

    (1) siehe: http://www.neues-deutschland.de/artikel/227340.alles-gegeben-alles-gewonnen.html

    (2) siehe: http://www.gruene-hessen.de/landtag/pressemitteilungen/blockupy-proteste-gr/

    (3) siehe: http://www.blockupy-frankfurt.org/de/presse/ea-19-05-12

    (4) siehe: http://www.scharf-links.de/47.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=24963&tx_ttnews[backPid]=56&cHash=13878da815

    (5) siehe: http://www.blockupy-frankfurt.org/blockade/aktionskonsens

    (6) (8) siehe: http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/index.jsp?rubrik=74262&key=standard_document_44834770

    (7) Matthäus 27 Vers 24: „Da aber Pilatus sah, daß er nichts schaffte, sondern daß ein viel größer Getümmel ward, nahm er Wasser und wusch die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten, sehet ihr zu!"

     

    Erstveröffentlicht in „scharf links“