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Kommentar GriechenlandWer soll das beschließen?

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Europa befindet sich im Dilemma: Um die Drachme in Griechenland einzuführen, bräuchte es dort eine handlungsfähige Regierung. Gäbe es diese, könnte Griechenland im Euro bleiben.

N un ist es amtlich: Die Eurozone bereitet sich darauf vor, dass Griechenland aus dem Euro ausscheiden könnte. Wie in Brüssel zugegeben wurde, gibt es in den Ministerien längst Arbeitsgruppen, die abzuschätzen versuchen, was wohl passiert, wenn Griechenland zur Drachme zurückkehrt. Manche Beobachter sehen darin eine Zäsur, einen fertigen Beschluss der Eurozone. Nach dem Motto: Wo Arbeitsgruppen existieren, da werden Fakten geschaffen.

Doch damit wird diesen Arbeitsgruppen zu viel Bedeutung eingeräumt. Denn das Szenario ist nicht neu, dass Griechenland den Euro verlassen könnte. Mit dieser Option befassen sich die Europäer bereits seit zwei Jahren – seit deutlich wurde, dass es in der griechischen Gesellschaft keinerlei Konsens gibt, wie es eigentlich weitergehen soll. Neu ist nur die Gefühlslage: Früher hielten es fast alle Beobachter für eher unwahrscheinlich, dass Griechenland den Euro verlässt. Inzwischen rechnen sehr viele fest damit.

Bei dieser Prognose wird jedoch oft übersehen, dass sie von einer sehr schwierigen Voraussetzung ausgeht: Irgendwer müsste irgendwann entscheiden, dass Griechenland nicht mehr zur Eurozone gehört. Aber wer sollte das sein? Die Griechen wollen im Euro bleiben. Also müssten die restlichen Eurostaaten beschließen, dass sie keine Lust mehr auf die Griechen haben.

taz
Ulrike Herrmann

ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.

Dies ist rechtlich unmöglich, weil in den EU-Verträgen nicht vorgesehen – und auch politisch schwierig. Denn man müsste den Griechen ja einen klaren Vertragsbruch vorwerfen. Verträge kann aber nur eine Regierung brechen. Es ist jedoch nicht ausgemacht, dass es nach der nächsten Wahl in Griechenland zu einer stabilen Koalition kommt.

Europa befindet sich in einem Dilemma: Um die Drachme in Griechenland einzuführen, bräuchte es dort eine handlungsfähige Regierung. Doch wenn es eine solche Regierung gäbe, könnte Griechenland auch im Euro bleiben.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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5 Kommentare

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  • W
    Wertkonservativliberaler

    @ andreas_markatos:

     

    Vielleicht auch mal anschauen, was den Deutschen, aber auch Niederländern, Österreichern und Finnen zugemutet wird, die für den Euro eine stabile Währung geopfert haben.

     

    Speziell zu vielen Deutschen wie mich:

     

    Interessant, wie nonchalant Politiker wie Journalisten darüber hinweggehen, dass die Abschaffung der DM zugunsten der Einführung des Euro vor etwas über zehn Jahren dem Souverän - demVolk - mit Versprechungen wie "Der Euro wird so stabil sein wie die DM" oder "Kein Staat haftet für die Schulden eines anderen" "schmackhaft" gemacht werden sollte. Eine Möglichkeit der Volksabstimmung hierüber gab es in Deutschland - im Gegensatz zu anderen Staaten - nicht. Die etablierten Parteien waren sich einig darüber, dass man den Euro nicht zum Wahlkampfthema machen dürfe (so auch der damalige Bundespräsident Herzog) - also auch hier gab es keine Entscheidungsmöglichkeit des Souveräns; die einzige Partei, die anderer Meinung war, die "Pro-DM-Partei" wurde von den anderen Politikern und Journalisten marginalisiert (die Vorhersagen des "Pro-DM"-Parteigründers Bolko Hoffmann treffen übrigens gerade punktgenau ein). Und nun. seit 2010 gab es wegen der Griechenland-Krise mittlerweile sechzehn (!) Sondergipfel, und die Essenz wird sein, dass sich Deutschland weiter verschulden muss, um die PIGS-Staaten am Leben zu halten; dafür darf man sich von linken Luftikussen aus Griechenland und Frankreich noch vorwurfsvoll vorhalten lassen, die deutsche Exportnation sei zu stark. Die Einführung des Euro und der permanente Vertragsbruch der Stabilitätskriterien ist ein gigantisches Armutszeugnis für alle Politiker, Meinungsmacher und "Eliten" - dieser Vertrauensbruch, das deutsche Volk binnen zehn Jahren um seine volkswirtschaftliche-fiskalpolitische Zukunft gebracht zu haben, wird überhaupt nicht thematisiert. Erstaunlich. Ich werde das CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP niemals verzeihen!

  • A
    andreas_markatos

    "Also müssten die restlichen Eurostaaten beschließen, dass sie keine Lust mehr auf die Griechen haben"

     

    Ich kann Ihnen dazu sagen dass immer mehr Eurostaaten keine Lust mehr auf Merkels-Deutschland haben, Franzoesen aller ersten.

     

    Ausserdem finde ich den Satz rassistisch.

  • GR
    Gudrun Rogge

    Das "Problem" scheint aber doch zu sein, dass Griechenland mehrere Jahrzehnte handlungsfähige Regierungen gehabt hat, die mit wechselnden Mehrheiten der beiden großen Parteien das Land in die Krise geführt haben, in der es sich seit einiger Zeit befindet. Ich kann verstehen, dass die GriechInnen davon die Nase voll haben.

  • G
    Gallier

    Es wäre naiv anzunehmen, eine Regierung in Griechenland könnte den Austritt aus dem Euro vermeiden.

    Griechenland ist an einem point of no return angelangt, es braucht einen Schuldenschnitt von 100 Prozent (oder eine Stundung auf unbestimmte Zeit) und eine nationale Währungseinheit, um sich nach und nach wieder eine gesunde Basis zu verschaffen. Auch die demütigende Abhängigkeit von den Kreditgebern wäre dann vorbei.

    Subventionen könnten dem Land helfen, originäre wirtschaftbereiche zu fördern und nicht, wie in der Vergangenheit, Blasen zu bilden, die das Land in den Abgrund treiben.

    Der Euro, man muß es leider sagen, trägt dazu bei, daß Ressentiments zwischen den Ländern wiederaufleben, daß Ungleichheiten entstehen, daß die Kluft zwischen armen und reichen Ländern wächst...........

    Europa ist kein romantisches Projekt mehr, sondern knallhartes Business. Darüber sollte die Autorin dieses Artikels mal meditieren.

  • X
    XXX

    Frau Herrmann, es ist ganz einfach: Man muss überhaupt nichts tun! D.h. keine weiteren Gesetze brechen, keine weiteren Bürgschaften eingehen, keine Eurobonds, etc. Dann garantiere ich Ihnen, dass Griechenland und eine Reihe weiterer Länder binnen kurzem nicht mehr im Euro drin sind. Und zwar nicht, weil man sie rausschmeißt, sondern weil sie ansonsten die Löhne ihres Beamtenapparats nicht mehr zahlen können.